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.Ab jetzt darf nicht mehr als 6 km/h gefahren werden!
Die Wiener Gebietskrankenkasse versucht mit einer kuriosen neuen Verordnung E-RollstuhlfahrerInnen in ihrer Mobilität zu beschränken. Sie sollen in Zukunft nur mehr 6 km/h schnell fahren dürfen.
Immer wieder moniert die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung in Österreich, dass sich Bürokraten in Behörden berufen fühlen, die Verantwortung für Menschen mit Behinderung zu übernehmen, obwohl sie vom täglichen Leben oft nur sehr wenig Ahnung haben.
Ein gutes Beispiel einer solchen Vorgangsweise liefert nun die Wiener Gebietskrankenkasse, die sich plötzlich um die Sicherheit der RollstuhlfahrerInnen Sorgen macht und die Höchstgeschwindigkeit mit 6 km/h begrenzen will.
Die Wiener Gebietskrankenkasse fürchtet Klagen vor dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeugshaftpflichtgesetz
Die WGKK beruft sich darauf, dass die Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung stehe, welche nach Meinung der WGKK normiert, dass Rollstuhlfahrer nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.
Die Krankenkasse fürchtet außerdem, dass nach dem Kraftfahrgesetz und dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, wenn durch einen Unfall andere zu Schaden kommen oder gar getötet werden, sie als Halter des Kraftfahrzeuges haften könnte, "soferne eine Geschwindigkeit von 10 km/h (!) überschritten werden kann". Dies habe zur Konsequenz, dass die Krankenkasse für eine unfallfreie Benützung der Elektrokrankenfahrstühle Sorge tragen müsse.
Warum 6 km/h und nicht 10 km/h?
Die Gebietskrankenkasse spricht nun also selbst von einer möglichen Konsequenz erst bei einer Überschreitung von 10 km/h, warum zieht sie dann 40 Prozent ab und behindert so Menschen mit Behinderungen in ihrer Mobilität, indem sie dafür sorgt, dass die Wege jetzt fast doppelt so lange dauern?
Zudem kennt die STVO laut Auskunft der Polizei keine Bestimmungen, die ein Schrittempo 6 km/h auf Gehwegen festlegen.
Der Wortlaut von §8 Abs.4 der STVO lautet:
(4) Die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, ist verboten. Dieses Verbot gilt nicht
1. für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen,
2. für das Befahren von Mehrzweckstreifen mit Fahrzeugen, für welche der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist, wenn dadurch Radfahrer weder gefährdet noch behindert werden, sowie
3. für Arbeitsfahrten mit Fahrzeugen oder Arbeitsmaschinen, die nicht mehr als 1 500 kg Gesamtgewicht haben und für die Schneeräumung, die Streuung, die Reinigung oder Pflege verwendet werden.
Nicht als KFZ gelten Fahrzeuge, die bei waagrechter Fahrbahn ohne Rückenwind eine Geschwindigkeit von 10 km/h nicht überschreiten können.
Siehe Link Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz. EKHG:
" target="_blank">http://www.advokatur-loacker.at/ekhg.pdf
+Erste empörte Reaktionen von RollstuhlbenutzerInnen
Eine Reduktion der Geschwindigkeit von 10 km/h auf 6 km/h ist selbst nach der Argumentation der Gebietskrankenkasse nicht notwendig und kommt einer Bevormundung aller E-Rollstuhlfahrer gleich, die mit einem E-Rollstuhl ohne Probleme umgehen können.
Polizei-Beamte und Juristen finden im Gespräch mit Freak-Radio die Argumentation der WGKK unzulässig und falsch.
Auch dass der Fahrzeughalter hafte, sei unrichtig, da es sich weder um ein KFZ noch ein Fahrtendienstunternehmen handle.
Ein betroffener Rollstuhlfahrer meint, dass gute Anwälte natürlich dort versuchen, Geld zu holen, wo Geld zu erwarten ist. Aus all diesen Gründen dürfte die Wiener Gebietskrankenkasse - anders als sie es offenbar selbst sieht - eigentlich nicht verurteilt werden. Der Betroffene rät der WGKK, das Urteil und den Sachverhalt von einem unabhängigen Fachmann prüfen zu lassen "und nicht wegen unbestimmter und höchstwahrscheinlich unzutreffender Befürchtungen behinderte Menschen in ihrer Mobilität einzuschränken!"
Mehrkosten für die WGKK durch Umrüstung auf 6 km/h
Die Richtlinie ist also nicht nur mobilitätseinschränkend, sondern stößt auch noch aus anderen Gründen auf größtes Unverständnis: Denn laut Auskunft von Technikern wird die Anschaffung sogar teurer, da ja die Umrüstung von Motoren von 10 km/h auf 6 km/h unnötige Mehrkosten mit sich bringt: Wenn also in Zukunft nur mehr E-Rollstühle bis 6 km/h bewilligt werden, kommt dies einer Bevormundung all jener Betroffenen seitens der WGKK gleich, welche auch bis dato keine Probleme mit der Handhabung ihres E-Rollstuhles hatten, wenn er 10 km/h schnell ist.
Nur noch 78 km/h auf Autobahnen?
Wäre die Wiener Gebietskrankenkasse für den Autokauf der Österreicher verantwortlich, dann würde sie wohl nur noch Autos zulassen, die auf Autobahnen max. 78 (!) statt 130 km/h fahren können, auf Landstraßen nur 60 km/h, weil sie ja von der zulässigen Geschwindigkeit noch 40 Prozent abzieht!
Das würden sich die Autofahrer mit Recht niemals gefallen lassen, "aber bei Menschen mit Behinderungen sieht sich die Krankenkasse offenbar in der Rolle des Patriarchen, der für seine unmündigen Kinder sorgen muss, und besser zu wissen glaubt, was für sie gut ist!", kritisiert eine Betroffene: "Es ist diskriminierend, Menschen, die eine Behinderung haben, immer wieder als unmündig anzusehen - ich kann sehr gut für mich selbst entscheiden!"
Mit 6 km/h mehr Unfallrisiko!
Laut Meinung eines Exekutivbeamten gilt ein E-Rollstuhl als Gehbehelf (Behelfsmittel) - Deshalb darf man auch auf einem Gehweg fahren.
Grundsätzlich hält er auch Fahrzeuge, die nur 6 statt 10 km/h fahren können, für unsicherer, da alle dann nur langsamer aus einem Gefahrenbereich, (etwa aus unübersichtlichen und großen Kreuzungen oder Fußgängerampeln, die nur auf kurze Grün-Phasen eingestellt sind) herauskommen.