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.»An der WU habe ich mich immer sehr allein gelassen gefühlt...«
Zoe Landauer* ist 22 Jahre alt und studiert Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie ist von Geburt an hörbehindert und kämpft bis heute mit Hürden im Hörsaal, die sie alleine managen muss.
Mit Zoe Landauer sprach Gerhard Wagner.
Freak-Radio, Gerhard Wagner: Was assoziieren Sie mit Gleichstellung und mit Selbstbestimmung?
Zoe Landauer: Selbstbestimmung ist für mich, dass ich im Studium selbst auswählen kann, was ich machen möchte. Ich wünsche mir eine Anlaufstelle, an die ich mich wenden kann, wenn ich Verständnisprobleme habe. Gleichstellung würde bedeuten, dass ich jemanden kontaktieren kann, der für mich Mitschriften macht oder zu den Vorlesungen mitgeht und mir jene Inhalte noch einmal erklärt, bei denen ich wegen der Hörbehinderung (akustische) Lücken habe. Es wäre ein Ausgleich für das, was ich nicht verstanden habe.
Plötzlich Troubles mit dem Handy
Freak-Radio: An dieser Stelle möchte ich noch einmal nachfragen, wie sich Ihre Hörbehinderung im Alltag noch auswirkt. Was hören Sie und was können Sie nicht hören?
Zoe Landauer: Hundertprozentig weiß man nicht, woher meine Schwerhörigkeit stammt. Höchstwahrscheinlich war es ein Sauerstoffmangel während der Geburt.
Ich habe bemerkt, tiefe Töne und Frequenzen sind für mich besonders gut zu verstehen. Tiefe Männerstimmen, tiefer Klang am Handy, das ist ganz besonders wichtig für mich. Die höheren, schrillen Töne gehen scheinbar an mir vorbei und sind unangenehm im Ohr. Ich habe gelernt, dass es beim Telefonieren für mich wichtig ist, dass das Handy auf eine tiefe Frequenz eingestellt ist.
Freak-Radio: Zum Thema Handy gibt es doch eine spezielle Geschichte. Das Handy mit Induktionsschleife wurde einmal gewechselt. Was ist da passiert und können Sie uns vorher Induktion kurz beschreiben?
Zoe Landauer: Mit der Induktionsschleife kann ich das Telefonat verstehen. Diese Schleife, die man umstecken kann, leitet die elektromagnetischen Wellen des Gesprochenen vom Handy direkt an ein Hörgerät weiter.
Das Hörgerät empfängt praktisch wie ein magnetisches Umfeld diese Schallwellen. Damit kann ich, wie mit einer Freisprechanlage, einfach auf der Straße telefonieren. Ich kann den Lärm wegschalten. Es ist wirklich eine ganz tolle Erfindung!
Ich habe aber dann den Anbieter gewechselt. Dabei ist mir empfohlen worden, dass ich gleich ein neues Handy erwerbe, weil das eigentlich kostenmäßig gleich wäre wie eine Freischaltung alleine. Ich habe mich dann für ein neues Handy entschieden, weil es ja dieselbe Marke war.
Doch ich hätte nie geahnt, dass dieselbe Marke oder dieselbe Type eines Handy eine völlig unterschiedliche Bauweise aufweist.
Freak-Radio: Was war jetzt anders beim neuen Handy?
Zoe Landauer: Die Sprachfrequenz - nicht lauter oder leiser - sondern die Grundeinstellung der Lautsprecher. Die Klangfarbe des ersten Handys mit einer tiefen Frequenz war für mich wunderbar - und als ich das neue Handy bekam, merkte ich nicht von Anfang an, dass das Handy eine andere Frequenz aufweist. Das war der Haken. Das neue Handy war im Gegensatz zum Alten schrill. Ich dachte zunächst, es würde an mir oder der Übertragungsqualität liegen. Ich habe mir alles Mögliche ausgemalt, aber auf den Gedanken, dass bei dem Handy eine Grundeinstellung für tiefe Töne einfach nicht vorhanden war, bin ich nicht gekommen!
Erst ein Freund hat mich darauf aufmerksam gemacht, dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Ich habe daraufhin alles unternommen, um das alte Handy wieder verwenden zu können.
Die Mitschüler waren neugierig, mich kennen zu lernen
Freak-Radio: Wie haben Sie Ihre Schulzeit erlebt? Welche Ereignisse sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Zoe Landauer: Ich bin in eine reguläre Volksschule gegangen. Meine Eltern haben die Lehrer stets darauf hingewiesen, dass ich schwerhörig bin, und so hat es nie Probleme gegeben, bis ich in das Gymnasium gekommen bin: Dort gab es Probleme mit einem Professor, der zugleich mein Klassenvorstand war.
Er hat Menschen mit Behinderungen von vornherein stigmatisiert und gemeint, die gehörten nicht in reguläre Schulen. Schon alleine diese Haltung war ausschlaggebend dafür, dass ich nicht weitergekommen bin. Mit meinen Klassenkolleginnen und -kollegen hatte ich mich gut verstanden, der Kontakt blieb noch lange aufrecht.
Doch meine Eltern wollten mich nicht dort lassen, sie wussten, ich würde dort zugrunde gehen. Deshalb haben sie ein anderes Gymnasium gesucht und gefunden. Der Klassenvorstand dort war sehr offen. Er war dafür, jemanden, der "anders" fühlt, in die Klasse aufzunehmen. Ich wurde mit offenen Händen empfangen und das war ein sehr schönes Gefühl. An den ersten Tag erinnere mich ich noch heute sehr gerne. Viele Mitschüler waren gekommen, um mich abzuholen - und alle waren neugierig, mich kennen zu lernen. Das werde ich nie vergessen.
Freak-Radio: Haben Sie dort auch die Matura gemacht?
Zoe Landauer: Nein, dort bin ich nur in die Unterstufe gegangen. Es war ein Realgymnasium, und ich war eine sehr gute Schülerin. Außerdem fand ich eine sehr liebe Freundin, mit der ich sehr viel gemeinsam gelernt habe. Auch das Klassenklima war harmonisch. Doch dann kam die Entscheidung, entweder im Realgymnasium weiterzumachen oder zu wechseln.
Da ich selbst nicht genau wusste, was ich wollte, haben meine Eltern entschieden. Sie meinten, dass mir durch die Ausbildung an einer berufsbildenden Schule später mehrere Optionen offen stehen. Deshalb wechselte ich in das Schulzentrum Ungargasse im dritten Bezirk, denn auf diese Schule gehen Rollstuhlfahrer, Sehbehinderte und auch hörbehinderte Schüler gemeinsam mit Kollegen, die keinerlei Behinderung haben. Das dürfte auch ausschlaggebend für die Entscheidung meiner Eltern gewesen sein.
Freak-Radio: Welche Ausbildung haben Sie dort absolviert?
Zoe Landauer: Ich habe die Handelsakademie besucht. Für mich war das nicht das Leichteste. Denn ich war am Anfang eine sehr strebsame Schülerin. Ich habe mich oft über alle Maßen verausgabt, weil ich dachte, ich müsste mehr leisten als andere, um auf das selbe Level zu kommen.
Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung: Leben, wie ich will
Das hat stark an meiner Substanz gezehrt. Einmal habe ich sogar psychologische Unterstützung annehmen müssen. Zu dieser Zeit war ich sehr unglücklich. Doch dann habe ich dank der Unterstützung seitens der Stadt Wien die Balance wieder gefunden.
Ich muss nicht perfekt sein und damit alles verkomplizieren. - Manches darf ich auch ein bisschen lockerer nehmen. Das war ein Prozess, der Zeit gebraucht hat. Dabei hatte ich auch ein wenig "Heimweh" ins Gymnasium, weil ich dort in einer wirklich sehr nette Klasse verlassen habe.
Freak-Radio: An dieser Stelle noch einmal zurück zur Selbstbestimmung: Hatte Ihre Krise etwas mit Selbstbestimmung zu tun oder waren Sie zu dieser Zeit quasi fremdbestimmt?
Zoe Landauer: Ich selbst hatte es so empfunden, dass ich der Norm einer normal guten Schülerin entsprechen muss. Ich wollte einfach so sein wie die anderen. Ich hatte dabei nicht das Gefühl, behindert zu sein. Ich habe eben so gehört, wie ich gehört habe. Doch für die Aufmerksamkeit in der Unterrichtsstunde brauchte ich viel mehr Kraft als die anderen.
Freak-Radio: Danach, nachdem Sie diese Beratung gemacht hatten: Was war da anders für Sie?
Zoe Landauer: Der Unterschied war, dass ich mit mir selbst netter umgegangen bin. Ich habe mir verziehen, dass ich nicht alles hören und verstehen kann. Es geht nicht nur mir so, sondern wahrscheinlich auch anderen Leuten, wenn sie erschöpft sind. Ich muss mich einfach so akzeptieren, wie ich bin.
Lesen Sie im zweiten Teil, wie Zoe Landauer mit Hörbehinderung an der Wirtschaftsuniversität studiert.
Wege zur Wirtschaftspädagogik
Freak-Radio: Sie studieren jetzt, warum haben Sie sich gerade für das Studium der Wirtschaftspädagogik entschieden?
Zoe Landauer: Einerseits war es naheliegend, nach der Handelsakademie etwas im wirtschaftlichen Bereich zu machen. Ausschlaggebend waren aber auch Freunde und Bekannte, die bereits Wirtschaftspädagogik studierten. So zum Beispiel meine Nachhilfelehrerin: mit ihr habe ich mich gut verstanden und deshalb habe ich mir gedacht, wagen wir es einmal!
Freak-Radio: Haben Sie sich auch als Lehrerin gesehen?
Zoe Landauer: Am Anfang war ich total schockiert von der Wirtschaftsuniversität, von den Bedingungen, von der Studieneingangsphase, von der Fachprüfung, die man machen muss und von der Sprache der Wissenschaft. Es war für mich wirklich ein Riesensprung.
Freak-Radio: Welchen Beruf haben Sie mit diesem Studium ergreifen wollen?
Zoe Landauer: Ich habe mit Wirtschaftspädagogik schon eine Vorstellung gehabt. Ich habe gesehen, dass man so Lehrer an der Handelsakademie werden könnte. Darunter konnte ich mir etwas vorstellen.
Mit diesem Studium hat man aber auch die Option, in verschiedensten Managementbereichen tätig zu sein. Dieses breite Spektrum hat mir gefallen.
Freak-Radio, Gerhard Wagner: War es ein Thema für Sie, dass es auf Grund Ihres schlechten Gehörs auf Grund der damaligen gesetzlichen Bestimmungen (»Bündelgesetz«: Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz auf www.ris.bka.gv.at) schwierig sein könnte, als Lehrerin zu arbeiten?
Zoe Landauer: Das ist in meinen Gedanken erst später aufgetaucht, dass ich mir bildlich vorgestellt habe, wie es aussehen könnte, in einer regulären Schule zu unterrichten. Dort muss ich ja viele Schüler in einer Klasse führen und muss sie auch verstehen. Manchen müsste ich den Stoff vermitteln und sie nebenbei erziehen.
Ich hatte dann Zweifel, ob ich ihnen folgen und sie bewerten könnte, weil das ja letzten Endes auch die Aufgabe einer Lehrerin ist.
Freak-Radio: Welche Hilfsmittel brauchen Sie, um studieren zu können?
Zoe Landauer: Es ist so: Wenn ich Vorlesungen höre, dann ist es für mich fast unmöglich, Mitschriften zu machen. Ich schaffe es trotz der Verstärkungen nicht, gleichzeitig zuzuhören und währenddessen zu schreiben.
Wenn ich schreibe, kann ich nicht laufend mitverfolgen, was der Vortragende spricht. Ich habe es schon öfter versucht. Ich habe immer gehofft, dass ich das irgendwie auf die Reihe bekomme, aber es ist mir unmöglich.
Freak-Radio: Ist Ihnen bekannt, dass die Technische Universität Wien Studierenden mit Behinderungen Tutoren zur Verfügung stellt, die mitschreiben?
Zoe Landauer: Barbara Hager, eine schwerhörige Studentin an der Hauptuniversität hat mir erzählt, dass sie lange um so etwas gekämpft hat und dass es auf der Hauptuniversität mit "study now" (Link: www.univie.ac.at/diversity/php/projektstudynow.html) jetzt möglich sein soll. Sie hat mir auch erzählt, wie das vonstatten geht.
Für mich ist diese Organisation zu kompliziert: Wenn ein Flyer erstellt wird, mit dem ich einen Tutor für diese und jene Vorlesung suchen muss, dann die Telefonnummer an eine Stelle, an die man sich wenden kann, angeben oder notieren muss; wenn diese Flyer dann an den verschiedenen Pinnwänden an der Universität aufgehängt werden und jene interessierte Studenten, die eine Arbeit brauchen, sich dann an diese Stelle wenden, dann erst wird mit den Studierenden, die Unterstützung benötigen, ein Termin vereinbart.
Eigentlich kann ich mir nicht viel aussuchen, eigentlich müsste der Student Zeit haben, ob er in die Vorlesung mitkommt und Mitschriften macht - und eventuell auch eine Nachbesprechung, wenn ich es für nötig halte.
Aber ich weiß nicht, vielleicht waren bei mir am Anfang so viele Blockaden da, dass ich mir gedacht habe: "Um Gottes Willen, für so viele Vorlesungen das alles zu organisieren, das muss ja ein Wahnsinn sein!" Wenn ich jetzt darüber nachdenke, muss ich sagen, das ist eigentlich ein richtiger und wichtiger Schritt.
An der WU: Keine Hilfsmittel und kaum Unterstützung für behinderte Studierende
Freak-Radio: An der Wirtschaftsuniversität gibt es so ein System noch nicht, wie sind Sie zu den Mitschriften gekommen?
Zoe Landauer: Ich habe geschaut, dass ich Vorlesungen mit einer Studienfreundin mache und dass wir möglichst viel gemeinsam machen. Nur hat es sich dann mit der Zeit ergeben, dass sie in eine andere Richtung geht und wir in Zukunft nicht alle Vorlesungen gemeinsam machen können.
Ich musste mir neue Personen suchen. Doch es ist für mich sehr anstrengend, immer jemand neuen zu bitten und auch zu bitten, dass er dann noch wartet, damit wir alles kopieren können - oder dass er mir die Unterlagen zuschickt. Bei jeder Lehrveranstaltung eine neue Person zu suchen, das ist Chaos pur.
Freak-Radio: Wäre das System der unterstützenden Tutoren nicht etwas, worüber man der Universitätsleitung berichten sollte?
Zoe Landauer: Ja das wäre eine sehr gute Sache, denn die Wiener Assistenzgenossenschaft ermöglicht beispielsweise Rollstuhlfahrern ein selbstbestimmtes Leben. Assistentinnen und Assistenten begleiten Studenten an die Universität und unterstützen sie bei vielen Tätigkeiten, die diese einfach nicht verrichten können. Und genau so eine Assistenz würde ich mir auch für schwerhörige und gehörlose Personen wünschen.
Freak-Radio: Gibt es Hilfsmittel, die man an der Wirtschaftsuniversität einsetzen kann?
Zoe Landauer: Hilfsmittel? Es hat geheißen, es soll in der Aula eine Anlage geben, die so etwas Ähnliches wie eine Induktionsanlage ist. Doch das war ein Missverständnis. Soweit ich weiß, gibt es eigentlich gar nichts.
Freak-Radio: Wenn davon Menschen mit Hörbehinderung nichts wissen, wer sonst?
Zoe Landauer: Ja, wer soll das sonst noch wissen? Wir bräuchten einfach mehr Unterstützung! Ich habe mich mit dem Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerschaft an der Wirtschaftsuniversität in Verbindung gesetzt und ihn auf die Studiengebühren hingewiesen. Immerhin bezahle ich für das Studium und finde doch nicht die geeigneten Rahmenbedingungen! Die Technische Universität Wien und auch die Universität Wien erlassen jedoch Studierenden, die einen Grad an Behinderung von mehr als 50 Prozent haben, die Studiengebühren.
Die Wirtschaftsuniversität tut das nicht, warum, konnte man mir nicht sagen. Später hat mir der ÖH-Vorsitzende einen Mitarbeiter des Rektors geschickt, der mich über bauliche Änderungen für hörbehinderte Studierende informieren sollte. In einem persönlichen Gespräch berichtete er mir von der ursprünglichen Idee: Es sollten Kopfhörer installiert werden, die allen Studierenden zur Verfügung stehen. Denn auch hörende Studierende haben in überfüllten Hörsälen oft Schwierigkeiten, die Vorlesungen akustisch zu verstehen. Ich habe daraufhin erklärt, dass mir Kopfhörer wenig bringen würden. Er war mir dankbar für dieses Gespräch. Ich habe auch erfahren, dass eine Induktionsanlage nie geplant war. Es hat geheißen, diese stehe in keiner Relation zur Anzahl der schwerhörigen Studenten!
Zum Lernen selbst bleibt vor lauter Organisation kaum Zeit
Freak-Radio: Sie überlegen jetzt, mit dem Studium aufzuhören. Warum?
Zoe Landauer: Eigentlich habe ich mich auf dieser Universität immer allein gelassen gefühlt. Was ich schon alles bei der Österreichischen Hochschülerschaft vorgebracht habe und auch, als ich mit einer Kollegin, die schwerhörige Studentin ist, gesprochen habe, da habe ich gemerkt, irgendwie fällt mir alles zu schwer.
Ich bekomme nirgendwo eine Unterstützung - und auch Gebärdendolmetsch habe ich mir überlegt, aber so etwas bringt mir nichts. Ich bin schwerhörig und ich wäre einfach schon dankbar dafür, wenn mir jemand Mitschriften machen würde und es selbstverständlich ist, dass ich sie auch bekomme!
Und dass ich nicht jedem nachlaufen muss und mir ständig Sorgen machen muss, dass ich immer wieder zu jedem betteln gehen muss und ich einfach sehr viel Zeit für die Organisation des Lernens aufwende! Das Lernen selbst muss ich mehr oder weniger hinten anhängen.
Ich habe mir auch Gedanken über die Zukunftsperspektiven dieses Studiums gemacht. Denn Wirtschaft hat ja immer etwas mit Managen zu tun, mit viel Koordination und wahrscheinlich in Zukunft auch mit viel telefonischen Kontakten.
Durch den Vorfall mit meinem Handy, als ich nicht mehr telefonieren konnte, weil ich es plötzlich wegen der wesentlich höheren Frequenzen nicht mehr verstanden habe, bin ich in eine Krise geschlittert. Denn ich habe damals befürchtet, mein Hörvermögen hat sich wahrscheinlich verschlechtert. Und das war dann schon ein Punkt, der mich sehr behindert hat. Ich wusste überhaupt nicht, ob ich solchen Managementaufgaben gerecht werden kann.
Freak-Radio: Gibt es eigentlich an der Universität eine Ansprechperson wenn sich Studierende mit Behinderung auf irgendeinem Gebiet schwerer tun? Gibt es eine Behindertenbeauftragten-Stelle?
Zoe Landauer: Ich habe kürzlich auf der Homepage von "uniability" (Link: info.tuwien.ac.at/uniability/home.htm) erfahren, dass eine Behindertenbeauftragte auch an der Wirtschaftsuniversität geben soll, von der ich noch nie etwas gehört hatte. Natürlich habe mich sofort an sie gewandt und sie auch mit dem Thema konfrontiert.
Keine Anlaufstelle für behinderte Studierende an der WU
Doch sie hat mir höflich zurückgeschrieben, dass sie nicht für Studierende zuständig ist. Sie sei nur für das interne Personal als Behindertenvertrauensperson aber nicht direkt als Beauftragte der Studierenden - als Vertrauensperson so nach Art eines Betriebsrates bei Problemen am Arbeitsplatz.
Freak-Radio: Und an wen wenden sich jetzt die Studierenden mit Behinderung an der Wirtschaftsuniversität?
Zoe Landauer: Da es auf der Wirtschaftsuniversität niemanden gegeben hat, hatte ich mich schon früher an die Behindertenbeauftragte der Technischen Universität gewandt. Weil es bei uns ja keine Anlaufstelle gegeben hat, scheinbar aus Kostengründen!
Man sieht, eine Wirtschaftsuniversität ist bestrebt, Rationalisierungen vorzunehmen, wo es nur geht!
Freak-Radio: Wenn Sie sich etwas aussuchen könnten, sich etwas wünschen könnten... Angenommen die Wirtschaftsuniversität ist plötzlich willens, genügend Geld oder Ressourcen für behinderte Studierende aufzubringen - wozu sie eigentlich seit dem Gleichstellungsgesetz, das 2006 in Kraft getreten ist, längst verpflichtet wäre - was würden Sie sich wünschen, was soll sich bei Ihrem Studium verbessern?
Zoe Landauer: Ich würde mir auf jeden Fall wünschen, dass es eine offensichtliche Anlaufstelle gibt, die auch in der Nähe der ÖH angesiedelt ist. Einen Student Point zu schaffen, wo sich Menschen mit Handicaps hinbegeben können. Mit egal welchen Problemen, seien es psychische, seien es physische Probleme, wo sie einfach ihr Anliegen äußern können! Dort sollten Leute sitzen, die konkrete Schritte einleiten können, die mit ihnen einen Plan erstellen, was für denjenigen besser wäre, wie man seinen Studienalltag erleichtern könnte. Ich würde mir wünschen, dass die bestehenden Barrieren sozusagen ausgeglichen werden.
Freak-Radio: Sind behinderte Studierende an der Wirtschaftsuniversität ihren nicht behinderten Studienkollegen gleichgestellt? Ist der Arbeitsaufwand eines behinderten Studierenden höher als bei jemandem ohne Behinderung?
Zoe Landauer: Ich denke auf jeden Fall. Denn bei einer Sinnesbehinderung braucht man höhere Aufmerksamkeit, und das erfordert einfach viel mehr Kraft. Und selbst dann versteht man manchmal die Zusammenhänge auch nicht gleich, da hätte man schon gerne jemanden, mit dem man das noch einmal nachbesprechen kann; wo man fragen kann und man willkommen ist, Fragen zu stellen. Oder bei Begriffen, wo meistens Details wichtig sind, die ich nicht immer verstehen kann:
Wenn ich andere Studenten frage, wissen es viele auch manchmal selber nicht oder haben keine Zeit, denn jeder Student hat ja einen anderen Zeitplan. Das ist es, was ich meine: dass der Komplexitätsgrad an der Universität enorm ist und dass es wichtig wäre, dass man eine Betreuungsperson zur Verfügung gestellt bekommt, wenn man sie braucht, für Fragen, für konkrete Erklärungen - und da würde ich mir von der Institutsseite her wünschen, dass es möglich ist, eventuell einen Betreuer zugesprochen zu bekommen, der sich auch mit der Materie schon auskennt.
Es fehlen eben kompetente Personen als Ansprechpartner, die Zeit für mich haben. Das ist ganz besonders wichtig, denn oft sind Professoren selbst zeitlich schon sehr ausgelastet. Doch eine Betreuungsperson oder irgendeinen Institutsmitarbeiter sollte es auf jeden Fall geben, der sich in den Bereichen auskennt. Denn woher sonst soll ich mir die Informationen holen, wenn ich es in der Vorlesung einfach nicht mitbekommen kann?
Freak-Radio: Wir haben schon gehört, wie viel Kraft und Anstrengung Ihnen das Studium kostet: Wie erholen Sie sich von den Strapazen der Universität? Woher holen Sie sich die Kraft für das Studium?
Zoe Landauer: Ich möchte meiner Familie sehr danken. Die ganze Familie, insbesondere meine Mutter, auch Oma und die Verwandten, sind Leute, von denen man Kraft bekommen und die einen positiv motivieren. Ich glaube, ohne ein positives Umfeld wäre ich nicht auf die Universität gekommen. Ich wohne noch bei meiner Familie.
Nette Freunde und Kollegen, die einem gut zureden, sind natürlich genauso wichtig. Aus einem Umfeld, in dem ich akzeptiert bin und das mich annimmt, schöpfe ich viel Kraft.
Freak-Radio, Gerhard Wagner: Danke für das Gespräch.
Transkription: Christine Schubert
Dieses Interview fand im Rahmen der Sendung "Leben, wie ich will" statt, und zwar der 5.Projektsendung von "Selbstbstimmt mit allen Sinnen - Wege zur Gleichstellung. Wege ohne Diskriminierung".
*Name von der Redaktion geändert