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.Andreas Kapfinger: Slalomfahren und „Männertauchen“
Bei den paralympischen Winterspielen in Vancouver von 12. bis 21. März 2010 wird Andreas Kapfinger zweimal im Starthaus stehen: zuerst beim Riesentorlauf, dann in seiner Lieblingsdisziplin, dem Slalom. Für den 33-jährigen Tiroler sind es bereits die dritten paralympischen Spiele, aber er ist trotzdem nervös.
Dabei fühlt er sich gut in Form. „Ich weiß, ich kann eine Medaille machen, wenn nicht zwei. Aber ich will mir keinen Druck machen.“ Am Tag X müsse einfach alles passen, von der eigenen Tagesverfassung und der Piste bis hin zum Lauf.
"Hoffentlich überlebe ich diese Geschichte"
Früher war der Tiroler ein leidenschaftlicher Snowboarder. Ein Unfall bei einem Show-Springen veränderte 1997 sein Leben: Der junge Sportler stürzte schwer und landete mit dem Kopf auf der pickelharten Piste. Er lag mit gebrochenen Rippen im Schnee und hatte nur einen Gedanken: „Hoffentlich überlebe ich diese Geschichte.“ Er wurde ins künstliche Koma versetzt.
Als er wieder aufwachte, teilten ihm die Ärzte mit, dass er nie wieder gehen werde können. „Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen“ sagt Andreas Kapfinger. Was das aber wirklich für sein Leben bedeutet, wurde ihm erst nach der Rückkehr aus dem Rehabilitationszentrum voll bewusst: „Zuhause habe ich zum ersten Mal den Unterschied zwischen neuem und altem Leben gesehen. Davor habe ich alles wie in einer Art Glaskuppel erlebt.“
Im Rehabilitationszentrum hatten ihm Rollstuhlfahrer das Monoskifahren nahe gelegt. Er probierte es aus und war fasziniert. „Mit Monoskifahren habe ich mir mein Lebensgefühl zurückgeholt.“ Natürlich sei es nicht wie Snowboarden, aber doch auf eine gewisse Art ähnlich. Zumindest fährt man wie beim Boarden auf einem Brett. Beim Monoski ist eine Sitzschale mittels einer Metallbindung an den Ski geschraubt. Um auf der Fahrt das Gleichgewicht zu halten, verwendet der Sportler Skistecken, an denen jeweils ein kleiner Ski montiert ist.
Sport als Revolution
Nie hätte Andreas Kapfinger gedacht, dass er einmal bei alpinen Skirennen an den Start gehen würde. Das war ihm früher viel zu konservativ. Die Revolution war für ihn Snowboarden. Doch mittlerweile sei das sowieso ganz anders geworden. Nun wäre ihm auch Snowboarden zu konventionell, dafür würde ihn die neue Sportart Skicross sehr reizen: „Die Dynamik, der Schwung im Lauf, die direkte Konfrontation mit den Gegnern, die psychologische Kriegsführung – das wäre genau mein Wetter.“
Im Winter ist Andreas Kapfinger bei vielen Weltcupbewerben im Einsatz, im Sommer trainiert er fleißig. Neben dem Sport betreibt der Vater einer 7-jährigen Tochter eine Rennschule, macht leidenschaftlich gern Speck und ist viel im Freien unterwegs. Trotz des intensiven Trainingsalltags verbringt er viel Zeit mit seiner Familie: „ In der Früh trainiere ich, zu Mittag koche ich für meine Familie, und danach geht es noch mal zum Kraftraining“, beschreibt er einen ganz normalen Arbeitstag.
Nicht drunter, nicht drüber sondern genau gleich
Sein großer Wunsch ist es, als Profisportler wie jeder andere Sportler gesehen zu werden. Auf keinen Fall will er wie ein Mitleidsobjekt behandelt werden. Die paralympischen Medaillen hätten sportlich gesehen den gleichen Wert wie die olympischen Medaillen. Allerdings hätten die paralympischen Sportler einen Vorteil: Sie reisen mit einem bedeutend geringeren medialen Druck nach Vancouver als ihre nichtbehinderten ÖSV-Kollegen.
Wenn der paralympische Trubel vorbei ist, freut er sich auf sein liebstes Sommerhobby: „Männertauchen“. Warum ist Tauchen eine Männersache? „Der Blindsee in Tirol ist eiskalt. In 15 m Tiefe hat es nur drei oder vier Grad.“
Aktuell: Leider reichte es bei den paralympischen Spielen in Vancouver für den Andreas Kapfinger zu keiner Medaille. Im Slalom verpasste er die Medaille nur knapp. Er erreichte den undankbaren 4. Platz.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.