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Rubrik: Freak-MP3
07. Februar 2010

Arbeitslos: Was mach´ ich bloß?

von Sandra Knopp

Die heimische Wirtschaft leidet noch unter den Folgen der Finanzkrise. Über 300.000 Menschen waren im Jänner 2010 ohne Job. Menschen mit Behinderung gelten am Arbeitsmarkt oft als schwer vermittelbar. Was muss getan werden, damit auch in Zeiten der Krise ihr Potential erkannt wird? Darüber spricht Christoph Dirnbacher mit seinen Gästen.

Copyright: Freak-Radio/ Gerhard Wagner

Die Gäste des Abends

Arbeitslosigkeit ist vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise ein emotionsgeladenes Thema. Besonders schwer haben es Menschen mit Behinderung, die im Arbeitsmarkt auf zahlreiche Barrieren vom Mythos Kündigungsschutz bis hin zu baulichen Maßnahmen stoßen. Über Probleme und Lösungsmöglichkeiten sprechen im ORF-KulturCafe Experten aus der Wirtschaft, Arbeitsvermittlung/Assistenz sowie ein Betroffener.  

An der Gesprächsrunde teilgenommen haben: Erwin Buchberger (Rollstuhlfahrer auf Jobsuche), Helene Sengstbratl (Geschäftsführerin Arbeitsmarktservice Burgenland),  Herbert Hametner (Arbeitsassistenz für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen; Projektleitung – Wien), Josef Buttinger (Manpower Area-Manager-Österreich-West; Initiator von „We work together“)  

Mit Vorurteilen aufräumen  

Erwin Buchberger ist seit einem halben Jahr auf Jobsuche. Der Rollstuhlfahrer war zuvor bei einer oberösterreichischen Personalfirma beschäftigt, die jedoch im Jahr 2009 in Konkurs ging. Der vierundzwanzigjährige Niederösterreicher sucht seitdem größtenteils allein nach einem neuen Job. Das AMS in seiner Heimatstadt war ihm dabei keine große Hilfe. „Wir finden sowieso nichts für Sie“, wurde ihm gesagt. Eine Beraterin drückte ihm ein Infoblatt in die Hand und riet ihm, sich an soziale Organisationen zu werden. Erst wenn er etwas gefunden habe, solle er sich wieder melden. Erwin Buchberger selbst kann diese Haltung nicht nachvollziehen, er will nicht nur einen Stempel, sondern einen neuen Job: „Von der Grundeinstellung her bin ich sicher besser drauf, als jemand, der nur zu AMS kommt, damit ihm nicht das Geld gekürzt wird“.

Auf der Jobsuche stieß er auf viele Barrieren. Nur bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch ist es für ihn möglich, Vorurteile gegenüber seiner Behinderung abzubauen. Das es aber zu einem solchen Termin kommt, ist trotz vieler Bewerbungen nicht selbstverständlich.

Chancen und Risiken  

Helene Sengstbratl, Geschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Burgenland (AMS), beschreibt die Ziele ihrer Organisation so: „Wir trachten danach, die Kunst der dauerhaften Integration zu schaffen. Das ist nicht so leicht zu erreichen“. Grundsätzlich biete das AMS Menschen mit Behinderung einen „Bauchladen“ an Maßnahmen - angefangen von Kooperationen mit Arbeitsassistenz oder der Finanzierung von Kursen und Reha-Maßnahmen bis hin zu Lohnkostenzuschüssen. „In einigen Bereichen wären dauergeförderte Arbeitsplätze sehr wichtig“, betont Helene Sengstbratl. Das AMS kann nur kurz bis mittelfristig intervenieren. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es im Burgenland noch eigene Reha-Berater, und für Spezialfälle können zwei Psychologen hinzugezogen werden.

Die Reaktion ihrer Kollegen gegenüber Erwin Buchberger kann Helene Sengstbratl nicht nachvollziehen. Möglicherweise seien sie mit der Situation überfordert gewesen. Zudem geben viele Stellenangebote in den AMS-Dateien nicht darüber Auskunft, ob die Firmen motiviert sind, Menschen mit Behinderung einzustellen. Bewerber auf „gut Glück“ hinzuschicken, sei auch nicht immer die beste Lösung: Helene Sengstbratl sieht vor allem in Arbeitsassistenz- und Integrations-Leasingprojekten Chancen für erfolgreiche Vermittlung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. 

Weg zum Traumjob

Herbert Hametner ist seit zehn Jahren in der Arbeitsassistenz für blinde und schwer sehbehinderte Arbeitssuchende tätig. Er leitet das Projekt in Wien. Die Vorteile der Arbeitsassistenz skizziert er folgendermaßen: „Wir arbeiten individuell und kundenzentriert und können über einen längeren Zeitraum Blinde und schwer Sehbehinderte begleiten“. Die Aufgabenvielfalt reicht von der Vermittlung zum ersten Arbeitsplatz bis zu technischen Rahmenbedingungen. Mit gezielten Jobcoaching sollen zudem auch die Kollegen und Vorgesetzen für Mitarbeiter mit Behinderung sensibilisiert werden. Dann kann aus einer aussichtslosen Situation auch ein Traumjob entstehen. „Ich habe einen schwer sehbehinderten jungen Mann begleitet, der sich sehr für Golf interessierte. Er bekam einen Job auf einem Golfplatz“, berichtet Herbert Hamneter von einem Erfolgserlebnis. Blinde oder schwer sehbehinderte Menschen arbeiten häufig in „typischen“ Jobs wie Massage, am Telefon oder in der EDV. Immer wieder gelingt es aber auch, Arbeitssuchende in ungewöhnlicheren Tätigkeiten unterzubringen. 

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Im Mai 2009 wurde die oberösterreichische Initiative „We-work-together“ ins Leben gerufen. Dabei haben sich die Personal-Leasingfirma Manpower und die Caritas zusammengetan, um Menschen mit Behinderung den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Beide behalten ihre Kernkompetenzen bei und verbinden dadurch die Bereiche Wirtschaft und Soziales.

Sowohl Unternehmen als auch Jobssuchende mit Behinderung können sich an die Initiative wenden. Nach erfolgreicher Bewerbung werden die Arbeitssuchenden bei Manpower angestellt und arbeiten sich in einen Beschäftigungsbetrieb ein. Nach einer erfolgreichen Annäherung können sie später von diesem Betrieb  übernommen werden. Die Caritas kümmert sich um die Bedürfnisse von Mitarbeitern mit Behinderung. Josef Buttinger ist bei Manpower tätig und Initiator des Projektes. Das Konzept ist für ihn vergleichbar mit einer Eheschließung, bei der sich beide Partner sicher sein müssen: „We work together“ trägt das Beschäftigungsrisiko und kann dadurch die Unternehmen unterstützen.

Pinguine müssen nicht fliegen können

Dies ist der Leitsatz von „We work together“. „Ein Pinguin ist ein Vogel, aber er kann nicht fliegen. Das braucht er auch nicht: Um seine Existenz zu sichern muss er nach Fischen tauchen können“, erklärt Josef Buttinger. Der Leistungsdruck in den Firmen wird immer größer. Umso wichtiger ist es, nicht die Schwächen der Jobssuchenden, sondern ihre besonderen Stärken hervorzuheben. In der Jobvermittlung muss abgeklärt werden, was die Wirtschaft braucht und welche Fähigkeiten Menschen mit Behinderung im ersten Arbeitsmarkt einsetzen können“, so Josef Buttinger.

Soziale Integration

Erwin Buchberger wünscht sich, dass die Gesellschaft offener auf das Thema Behinderung reagiert: „Wenn ich in der Gesellschaft besser integriert bin, dann bin ich auch wirtschaftlich besser integriert. Soziales und wirtschaftliches müssen zusammenspielen.“ Bei einem Vorstellungsgespräch erlebte der junge Rollstuhlfahrer folgende Szene: Der Personalchef war offen erstaunt über einen Bewerber mit Behinderung, der sich über Stufen in den ersten Stock zum Gespräch mühte“. Erst wenn die Integration von Menschen mit Behinderung spürbar wird und die Menschen nicht mehr wegschauen, werde sich etwas verändern.

Dem stimmt Helene Sengstbratl zu: Immer noch ist Barrierefreiheit im öffentlichen Raum nicht selbstverständlich. Das Thema "Diversity" ist auch für das AMS aktuell. Erst im Vorjahr kam die Weisung der Regierung, mehr Berater einzustellen, die selbst Erfahrungen mit Migration und anderem kulturellen Hintergrund haben. Soziale Integration spielt für die Geschäftsführerin des  AMS Burgenland bei der Vermittlung von Menschen mit Behinderung eine große Rolle:  „Wenn man sagt: Eine Person ist leistungswillig und zuverlässig, dann macht die Behinderung nicht mehr viel aus“.

Herbert Hametner von der Arbeitsassistenz greift das Thema auf und wünscht sich, dass Vorurteile abgebaut werden. Mit seinen Kollegen versucht er, Arbeitssuchende mit Behinderung zu motivieren, Bewerbungsunterlagen zu versenden und persönlichen Kontakt zu den Unternehmen herzustellen. Nicht immer waren die Bemühungen von Erfolg gekrönt, auch nicht bei jenen die das eigentlich wissen sollten. Die Vorurteile zu überwinden ist nicht einfach.

„Für eine erfolgreiche Vermittlung müssen Barrieren im Kopf abgebaut werden. Eine Firma besteht aus einer Marke, einem Logo und Menschen als Entscheidungsträgern“, erklärt Personalvermittler Josef Buttinger. Immer noch gäbe es zu viele Pauschalurteile. Auf der einen Seite wird ein Mensch auf seine Behinderung reduziert, auf der andern Seite werde das Bild einer „bösen Wirtschaft“ vermittelt, die Menschen mit Behinderung ausschließe.  Infomaterial alleine hilft da wenig. Schritt für Schritt versucht „We work together“ in Einzelgesprächen Barrieren zu lösen und dem Kündigungsschutz seine Bedrohlichkeit zu nehmen. Denn viele der Bedenken der Unternehmer basieren auf falschen Annahmen .

Betriebe, die Menschen mit Behinderung aufnehmen wollen, sollten auch nicht auf offene Kommunikation mit den Kollegen vergessen. Sonst kann es zu Missverständnissen und Differenzen kommen. Gezielte Gespräche hingegen können Barrieren abbauen. So waren sich am Ende der Gesprächsrunde die Diskutanten darüber einig, dass auch in Zukunft daran gearbeitet werden müsse Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen.

Durch die Sendung führte Christoph Dirnbacher. Sendungsvorbereitung: Margarete Endl, Sandra Knopp

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.


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