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.Arbeitslos – was mach ich bloß?
Die heimische Wirtschaft leidet nach wie vor unter den Folgen der Finanzkrise. Über 300.000 Menschen waren im Jänner 2010 ohne Job. Menschen mit Behinderung gelten am Arbeitsmarkt oft als schwer vermittelbar. Was muss getan werden, damit auch in Zeiten der Krise ihr Potenzial erkannt wird? Darüber spricht Christoph Dirnbacher mit seinen Gästen.
Arbeitslos – was mach ich bloß? Teil 1
Moderator: Willkommen bei Freak -Radio. Am Mikrofon begrüßt sie heute Christoph Dirnbacher. „Arbeitslos – was mach ich bloß?“ ist der Titel unserer heutigen Sendung, denn die heimische Wirtschaft hat sich noch nicht gänzlich von den Folgen der Finanzkrise erholt. Im Jänner 2010 waren über 300.000 Menschen in Österreich ohne Job.
Für Menschen mit Behinderungen ist es besonders schwierig. Denn sie gelten am Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar. Was getan werden muss, damit Menschen mit Behinderungen nicht zu Opfern der Krise werden, darüber sprechen wir mit unseren heutigen Gästen.
Als erstes möchte ich Ihnen Herrn Erwin Buchberger vorstellen. Er ist selbst Rollstuhlfahrer und sucht seit einem halben Jahr nach einer neuen beruflichen Herausforderung. Herr Buchberger, wie kam es dazu, dass sie arbeitslos wurden?
Erwin Buchberger: Ich war bei einer großen, oberösterreichischen Personalfirma beschäftigt, die sich sehr für Menschen mit Beeinträchtigungen eingesetzt hat. Aber auf Grund unseres Konkurses bin ich leider arbeitslos geworden.
Moderator: Als nächstes würde ich Ihnen gerne Frau Helene Sengstbratl vorstellen. Sie ist Geschäftsführerin des AMS Burgenland. Frau Sengstbratl, was bietet nun das AMS Burgenland Menschen mit Behinderung, die Arbeit suchen?
Helene Sengstbratl: Wir trachten danach, die vollendete Kunst der dauerhaften Integration zu schaffen. Das ist eine Kunst, die nicht so leicht ist, wie Sie wissen. Wir haben einen ganzen Bauchladen an Dingen, die wir Menschen mit Behinderungen anbieten.
Wir kooperieren mit der Arbeitsassistenz, wir finanzieren Kurse, Reha-Maßnahmen, wir finanzieren Lohnkosten bzw. Lohnkostenzuschüsse. Dazu sagen muss ich, das Arbeitsmarktservice interveniert immer nur kurzfristig oder mittelfristig – bis maximal ein Jahr. Der Nachteil ist, dass dauergeförderte Plätze in manchen Bereichen sicher wichtig wären.
Moderator: Auf das, was Sie als Bauchladen bezeichnen, nämlich auf die Förderungen im Detail, werden wir später noch zu sprechen kommen. Zunächst möchte ich Herrn Herbert Hametner vorstellen. Herr Hametner, Sie sind seit Jahren in der Arbeitsassistenz für Blinde und Sehbehinderte tätig. Es gibt verschiedene Arten von Arbeitsassistenz. Was ist das Besondere an Ihrem Angebot?
Herbert Hametner: Das Besondere an unserem Angebot ist, dass wir sehr individuell und kundenzentriert arbeiten können. Wir haben auch wirklich die Rahmenbedingungen. Wir werden vom Bundessozialamt und dem AMS finanziert.
Wir können über einen längeren Zeitraum Menschen, Blinde und Sehbehinderte, speziell bei uns im österreichischen Blindenverband begleiten. Wir haben, abseits von vermittlenden Tätigkeiten am ersten Arbeitsmarkt auch noch die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu gestalten. Durch Projekte, die wir im Haus haben. Zum Beispiel die Technikassistenz, mit deren Hilfe – was die Technik betrifft – positive Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz schaffen können. In weiterer Folge haben wir auch diese Nachhaltigkeit zu garantieren.
Wir haben auch Angebote wie Jobcoaching, mit dem wir nicht nur den Betroffenen, die gerade zu arbeiten begonnen haben, Unterstützung bieten, sondern auch der Firma bzw. den Kollegen und Arbeitgebern über einen längeren Zeitraum helfen können.
Arbeitslos – was mach ich bloß? Teil 2
Moderator: Über das Begriffschaos im Behindertenbereich werden wir uns später noch gesondert unterhalten. Zunächst möchte ich Ihnen Herrn Josef Buttinger vorstellen. Herr Buttinger, Sie sind für die Initiative „we work together“ tätig. Wie ist diese Initiative entstanden und was ist das vorrangige Ziel?
Josef Buttinger: Die Initiative ist aus der Kommunikation entstanden. Menschen müssen miteinander reden und auf einander zugehen. Wir wissen in unserer Gesellschaft wird immer von zwei Welten gesprochen. Die Welt der Wirtschaft und die Welt des Sozialbereiches. Diese zwei Bereiche müssen sich [einander] annähern, denn nur so kann man auch etwas zustande bringen.
Ganz offen und salopp formuliert: Wenn wir von der Firma „Manpower“, die im Wirtschaftsbereich tätig ist, uns das soziale Mascherl umhängen und sagen, wir kümmern uns jetzt auch um behinderte Menschen, dann sind wir A nicht glaubwürdig und B haben wir das Know-how nicht.
Wenn die Caritas als Sozialverein spezialisiert ist auf die Betreuung behinderter Menschen, dann haben sie wissentlich auch immer wieder Probleme, in der Wirtschaft ernst genommen zu werden. Diese beiden Welten liegen offensichtlich nebeneinander.
So ist die Idee entstanden, dass die Caritas Oberösterreich und Manpower Kontakt gesucht haben und wir gesagt haben, es macht einen Sinn, dass jeder bei seinen Kernkompetenzen bleibt, aber gemeinsam können wir mehr bewirken als jeder für sich. So decken wir durch dieses Projekt in der Gemeinsamkeit dieser beiden Firmen bzw. Organisationen beide Bereiche ab. Als Firma Manpower nimmt uns die Wirtschaft ernst, und mithilfe der Caritas nimmt auch die Wirtschaft die soziale Komponente ernst, und wir können gemeinsam auftreten.
Moderator: Der zweite Teil dieser Sendung ist persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen gewidmet. Bei Ihnen, Herr Buchberger, würde ich gerne beginnen. Wie geht es einem denn dabei, wenn man sich ein halbes Jahr auf Jobsuche befindet? Was geht einem da durch den Kopf?
Erwin Buchberger: Was mir so durch den Kopf geht, ist, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll zu suchen, wie ich das wirklich effektiv angehen bzw. machen kann. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass ich einen Menschen, eine Firma, brauche, die sagt: “Ja, ich bin grundsätzlich bereit, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich bin dazu bereit, Sie zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, ich bin bereit, erste Vorurteile zum Thema Behinderung auszuräumen.“ Das ist einmal der allererste Schritt!
Dieser Schritt ist aber so schwierig, es ist verheerend. Auch nur ein unverbindliches Gespräch zu bekommen, also nur, dass sich der Personalchef oder wer auch immer die Zeit nimmt, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Und wenn man‘s dann schafft, sind die Menschen oft begeistert, weil sie sagen, der ist wirklich nicht „geistig“ behindert, der sitzt wirklich „nur“ im Rollstuhl. Und dann ist man auch bereit – ich habe heute wieder ein Vorstellungsgespräch gehabt – dass man sagt: „Ok, ich kann Ihnen nichts versprechen, aber ich werde mich für Sie einsetzen. Wenn eine Firma bereit ist, das zu machen, ist das ganz großartig.
Moderator: Mit welchen Organisationen bzw. Unterstützungsangeboten haben Sie schon versucht, einen Arbeitsplatz zu finden?
Erwin Buchberger: Ich war bis jetzt eher alleine unterwegs. Mir ist damals vom AMS gesagt worden, "wir finden sowie nichts für Sie, hier haben Sie einen Zettel mit allen Sozialorganisationen. Wenn Sie was gefunden haben, melden Sie sich wieder!" Also das ist auch ein Problem, weil ich arbeiten möchte und ich aus Erfahrung von der Personalfirma weiß, dass es viele Menschen gibt, die einfach kommen und nur einen Stempel wollen, damit sie das Geld vom AMS wieder bekommen. Von der Grundeinstellung, glaube ich, bin ich besser drauf als jemand, der nur kommt, damit ihm das AMS das Geld nicht kürzt.
Moderator: Stichwort: "Da haben Sie einen Zettel. Wenn Sie etwas gefunden haben, melden Sie sich wieder!" Klingt das nicht fast schon ein bisschen zynisch, wenn man selbst in der Geschäftsleitung des AMS sitzt? Wie geht es Ihnen dabei?
Helene Sengstbratl: Zynisch nicht, aber dramatisch in Wahrheit. Wenn Ratsuchende zu uns kommen und wir nichts Besseres zu sagen haben als: "Wir können Ihnen gar nicht helfen, gehen Sie nach Hause und lösen Sie Ihre Probleme selber." Das finde ich dramatisch. Da möchte ich mich auch entschuldigen, das tut mir leid. Das passiert unseren Beratern und unseren Beraterinnen, da ist der Herr Buchberger sicher kein Einzelfall, weil unsere BeraterInnen auch überfordert sind.
Sie können auf ein Stellenangebot zurückgreifen, das wir in der Datei haben, aber wir haben nicht in unseren Daten drinnen, ob diese Firmen motiviert sind, auch Menschen mit Behinderungen einzustellen.
Zu sagen ist auch noch, dass es auch keine Hilfe wäre, sie zu verpflichten, sich bei Firmen zu bewerben, wenn sie das dann frustriert. Ein Hilfe wäre, diese Menschen zu unterstützen, ihnen Projekte anzubieten, wie wir sie hier gehört haben, mit einer Arbeitsassistenz, die sich auf die Socken macht, Jobs aufreißt und dann mit ihnen dort hingeht. Das nimmt ein bisschen die Frustration, da steht dann noch wer dazwischen, der den Frust etwas abfängt.
Eine sehr tolle Idee ist auch das Integrations-Leasing. Der Firma die Chance zu geben, dass sie Sie auf ein paar Wochen oder Monate kennenlernt, ohne dass es ihr viel kostet. Eines ist auch klar: Die Firmen haben schon einen enormen Arbeitsdruck. Die Teams haben einen enormen Arbeitsdruck. Sich da eine Last aufzubürden, darauf will sich niemand einlassen.
Ich habe erst mit einem Unternehmer gesprochen, der hatte zuvor ein Vorstellungsgespräch mit einem jungen Mann – es ging um einen geschützten Arbeitsplatz – der meinte, dass er den Burschen gerne genommen hätte, es ihm aber finanziell nicht möglich sei. Also seitens des AMS gibt es sehr wohl eine Reihe von Angeboten, da hätte es schon andere Antworten gegeben.
Moderator: Eine Antwort, die ich noch gerne von Ihnen hätte, bevor wir in der Runde weitergehen: Früher gab es beim AMS speziell geschulte Berater. In letzter Zeit kursieren immer wieder Gerüchte, dass diese abgeschafft seien. Wie schaut es da im Burgenland aus? Gibt es diese so genannten "Rehaberater" noch und wenn ja, wie viele sind noch im Dienst?
Helene Sengstbratl: Im Burgenland haben wir, im Gegensatz zu manchen anderen Ländern, das Rehakonzept immer beibehalten. Wir haben das nie aufgelöst und wir haben zwei Psychologen, die uns unterstützen bei solchen Spezialberatungen. Es gibt in jeder Beratungsstelle jemanden, der sich intensiver mit der Thematik befasst. Wenn es wirklich schwierigere Probleme sind und ein besonderer Betreuungsbedarf da ist, dann reist der Psychologe an und es gibt nach wie vor eine spezielle Beratung.
Moderator: Das ist ein schöner Abschluss für den ersten Teil! Ich möchte noch gerne zu Ihnen kommen, Herr Hametner. Als Arbeitsassistent, der Sie ja vom Grundberuf sind – und das schon relativ lange – was sind also die positivsten Erfahrungen, die Sie mit Ihren Kunden bislang machen durften?
Herbert Hametner: Die positivsten Erfahrungen waren wohl die, wo man aus einer scheinbar aussichtslosen Position, wo wirklich schon lange Arbeitslosigkeit bestanden hat, dann gemeinsam doch noch einen Job gefunden hat. Ich hatte einen jungen Mann, der hat sich sehr für das Golfen interessiert, er hat dann auch einige Kurse gemacht, er war hochgradig sehbehindert. Er hat es dann geschafft, auf einem Golfplatz eine Anstellung zu finden, er ist sogar eine Zeit lang mit dem Golfwagen gefahren, das hat sich dann nicht so bewährt, weil er manche Dinge dann doch nicht so ausnehmen konnte ...
Aber das war so etwas ganz Positives, dass gerade bei blinden und sehbehinderten Menschen nicht nur diese typischen Jobs wie Massage – wo wir immer wieder tolle Jobs finden – oder Telefon, oder EDV Bereich zum Tragen kommen, sondern es auch Nischenarbeitsplätze gibt, wenn Firmen die Bereitschaft haben, behinderte Menschen anzustellen und das dann auch gut funktioniert.
Moderator: Herr Josef Buttinger! Last but not least möchte ich Sie gern fragen, weil das Stichwort Integrations-Leasing gefallen ist, in welchen Branchen konnten Sie denn bislang die meisten behinderten Menschen unterbringen und warum?
Josef Buttinger: Ich kann jetzt überblicksmäßig keine Branchen aufzählen, ich kann nur sagen: Quer durch den Gemüsegarten! Wir haben Personen vermittelt in Bäckereien, die dort LadnerInnen sind, im Fahrverkauf, technische Zeichner, Empfangsdame in einer Spedition. Quer durch alle Bereiche.
Es kommt letztendlich auch nicht darauf an, welche Branchen sich zu dem Thema öffnen oder welche Qualifikation branchenbezogen die behinderten Menschen haben, sondern es geht darum, das wir die Blockaden im Kopf lösen müssen. Wir müssen von dieser Pauschalisierung weg. Von der einen Pauschalisierung, ein Behinderter ist der, der im Rolli sitzt, oder ein Behinderter ist der, von dem man augenscheinlich aus der Ferne ansieht, dass etwas "nicht stimmt". Diese Bilder sind ja falsch, darauf darf man sich nicht reduzieren.
Auf der anderen Seite müssen wir uns davon lösen, zu sagen, die Wirtschaft ist böse, die tun nichts, die schließen die Behinderten aus. Das sind auch Pauschalisierungen. Das geht halt nur in mühsamer Kleinarbeit. Man kann nicht übergeordnet hergehen und sagen, jetzt verbreite ich Infomaterial und Infobroschüren. Die Blockaden sind im Kopf. Das Schreckgespenst Kündigungsschutz ist da, das darf man nicht wegleugnen.
Ich kann nur in Einzelgesprächen und wirklich in der Situation – und dann nicht das Unternehmen, sondern die handelnden Personen im Unternehmen – davon überzeugen. Indem ich Aufklärungsarbeit betreibe und mit denen wirklich in Kontakt trete. Das ist sehr mühsam, das geht nur Schritt für Schritt. So gelingt es eben wirklich, dass in Einzelfällen die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt auch wirklich positiv sein kann.
Wobei wir immer als Überschrift sagen: Pinguine müssen nicht fliegen können! Das ist unser Leitsatz. Der Pinguin ist ein Vogel, aber er kann nicht fliegen. Und dort, wo er zu Hause ist, muss er auch nicht fliegen können. Da muss er gut tauchen und schwimmen können, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Daher brauchen wir auf der anderen Seite nicht hergehen und schauen, wie wir die Behinderten aufqualifizieren, im Sinne von: Er kann zwar das nicht, dafür gebe ich ihm aber diesen und jenen Kurs, sondern wir müssen abgleichen: Was macht denn Sinn? Was wird denn am Arbeitsmarkt auch gebraucht und gesucht?
Wie die Kollegin vorhin gesagt hat: Der Arbeitsdruck am Arbeitsmarkt wird größer und größer. Daher ist natürlich das Spielfeld eng, mit einer Beeinträchtigung da noch Platz zu haben. Da geht es darum, dass wir nicht die Schwächen hervorkehren und sagen: "Das kann er zwar nicht, aber dafür ...".
Wir müssen gut abgleichen: Was braucht die Wirtschaft? Was sind die Stärken der behinderten Arbeitssuchenden? Und ist es auch realistisch, diese am ersten Arbeitsmarkt einsetzen zu können? Sonst sind beide nur enttäuscht, wenn wir nur probieren und das Unternehmen dann sagt: "Probiert haben wir es ja, aber das kann ja nicht gehen," oder der Behinderte dann selber enttäuscht ist, weil ihm vor Augen geführt wird, wo er eigentlich steht in der Leistungskette und was er nicht zusammenbringt. Dieser Abgleich ist sehr sehr wichtig und ein sehr sensibles Thema.
Moderator: Wie lange bleiben diese Menschen im Schnitt bei Manpower, bevor sie in ein Unternehmen quasi fix wechseln? Kann man das an einer Zahl festmachen?
Josef Buttinger: Ich kann es derzeit noch nicht repräsentativ festmachen, weil wir dieses Projekt erst letzten Mai (2009) gestartet haben. Das heißt, ich habe jetzt erst vier bis fünf Monate Erfahrungswerte. Unser Ziel ist es, eben aufgrund der guten Vorselektion von beiden Seiten, trabgleich langfristige und nachaltige Jobs zu vermitteln. Wir sehen uns als Krücke für die Wirtschaft um zu sagen: "Hab keine Angst vor Kündigungsschutz und dergleichen, sondern wir stellen den Behinderten bei uns an, wir tragen das Risiko und du hast die Zeit, über Monate hinweg, den Kandidaten anzuschauen, ob das auch passt.
Umgekehrt genauso. Der Behinderte hat die Möglichkeit, über Monate sich den Arbeitsplatz und die Firma anzuschauen. Wie bei einer Ehe, bevor sie heiraten: Leben wir einmal miteinander. Da nehmen wir einmal den Druck heraus. Von den ersten paar Monaten, wo wir die Erfahrung haben, ist es so, dass von den 36 Personen, die wir bislang vermittelt haben, erst eine ausgeschieden ist, die anderen Personen sind noch in den Dienstverhältnissen, wobei der Großteil davon noch bei uns ist. Ein paar wurden bereits übernommen und bei anderen laufen derzeit Gespräche, dass sie im Laufe der nächsten Monate übernommen werden sollen.
Moderator: Der Vollständigkeit halber sei dazu gesagt, dass es im Unterschied zur Ehe beim Kündigungsschutz eine sechsmonatige Vorlaufzeit gibt, in der der Kündigungsschutz nicht greift.
Arbeitslos – was mach ich bloß? Teil 3
Moderator: Ich möchte jetzt weniger auf Details herumreiten, sondern eher Sie, Herr Buchberger, fragen, wie das aus der Sicht eines Betroffenen ausschaut. Was muss sich ändern, damit Sie nicht nur einen Fuß, sondern auch ein Rad in die Tür bekommen, um es jetzt bildlich auszudrücken, und dann in weiterer Folge einen Job finden?
Erwin Buchberger: Ich weiß aus Erfahrung, wenn ich in der Gesellschaft besser integriert bin, dann bin ich auch wirtschaftlich besser integriert. Dann sagt der Herr Bürgermeister, "Dich kenne ich, da arbeitest du mit, ich unterstütze dich". So muss das laufen, man darf nicht auf einmal die Bereiche trennen, das Soziale und das Wirtschaftliche muss zusammenspielen.
Wenn ich sehe, wie viele Unternehmen noch nicht behindertengerecht sind, oder wenn ich sehe, dass in einer Firma der Chef zu mir sagt, er hätte nie damit gerechnet, dass sich ein Behinderter bei ihm bewerben würde und sich dann sozusagen als Fleißaufgabe mit Händen und Füßen die Treppen hinaufhandelt und zu Fuß hinaufgeht, um sich vorstellen zu können. Also wenn Integration in unserem Alltag sichtbarer wird, dann wird sie auch in der Wirtschaft sichtbarer werden. Wenn die Menschen grundsätzlicher offener auf das Thema zugehen, wenn man endlich mal hinschaut und nicht wegschaut, dann sieht man das und dann weiß man das auch!
Moderator: Frau Sengstbratl! Während Herr Buchberger sein Statement formuliert hat, haben Sie zum Teil heftigst genickt. Teilen Sie diese Auffassungen und wie schaut es aus der Sicht der AMS-Geschäftsführung aus, die ja als vorrangiges Ziel hat, Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren?
Helene Sengstbratl: Ich habe genickt, weil Herr Buchberger natürlich recht hat. Barrierefreiheit gibt es noch nicht überall. Das habe ich mit dem Kinderwagen erlebt, als ich einmal den Stadtpark hinauffahren wollte und total erstaunt war, als da nichts war. Das ist so eine Situation, mit der er alltäglich konfrontiert ist, dass eben viele Bereiche noch nicht barrierefrei sind.
Genickt habe ich dann auch noch zum Thema Diversity. Wir sind in vielen Bereichen so homogene Kulturen, das AMS auch, da müssen alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen relativ gleich sein. Selbst wir tun uns schwer, uns zu öffnen. Wir haben jetzt im letzten Jahr von der Regierung den Auftrag bekommen, auch Menschen mit migrantischem Hintergrund als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen, weil es in Wien viele beispielsweise türkische oder ex-jugoslawische Bewohner der ersten und zweiten Generation gibt.
Genickt habe ich auch zum Thema, dass Arbeit sehr wichtig ist, um integriert zu sein in der Welt, und dass soziale Integration einen natürlich stärkt, wenn man sich beispielsweise in der Kommune engagiert. Dass man gesehen wird, sich da einbringt und der Bürgermeister dann helfen, ein Türöffner sein kann. Es geht hier schon viel über Kontakte und Empfehlungen und darum, dass man sagen kann, ok, das ist eine Person, die ist leistungswillig und zuverlässig. Dann macht die Behinderung wahrscheinlich auch nicht so viel aus.
Moderator: Herr Hametner! Aus Ihrer Erfahrung als Arbeitsassistent: Wie bringt man Unternehmen dazu, Menschen oder Bewerber mit Behinderungen eine Chance einzuräumen?
Herbert Hametner: Das Wesentliche glaube ich ist, einen Kontakt herzustellen, damit der Personalist sieht, da kommt ein Mensch, der ist vielleicht blind oder sitzt im Rollstuhl, der aber nicht dumm ist, der genauso gut seine Tätigkeiten verrichten kann, um, wie Herr Buchberger vorhin gesagt hat, diese Vorurteile einmal abzubauen. Wir versuchen das, indem wir entweder schauen, dass schriftliche Bewerbungsunterlagen hingeschickt werden, dass wir nachtelefonieren, oder dass wir motivieren, dass der Arbeitssuchende auch persönlich anruft und einen persönlichen Kontakt herstellt, das sind die wichtigen Dinge. Natürlich holt man sich dann auch oft, wie es auch schon erwähnt wurde, einen Frust. Wir sind auch schon bei Firmen hinausgeflogen, auch nach dem Behindertengleichstellungsgesetz mit dem Diskriminierungsschutz. Auch von Rechtsanwälten, wo man denken sollte, eigentlich sollte man da jetzt nicht rausfliegen. Da holen wir uns genauso den Frust ab. Aber wenn es funkioniert und die Firmen und die Personalisten sehen, da steckt ein Mensch dahinter, der nicht dumm ist, und wenn einmal der persönliche Kontakt hergestellt wird, dann kann das funktionieren. Aber das ist die Schwelle, die es zu überbrücken gilt, und das ist nicht immer einfach.
Moderator: Herr Buttinger: Haben Sie dem, was eben gefallen ist, vielleicht noch eine andere Sichtweise, nämlich die des Personaldienstleisters, hinzuzufügen?
Josef Buttinger: Ich habe keine andere Sichtweise einzubringen. Ich kann nur unterstützen und möchte noch ein bisschen pointierter formulieren. Ja, es ist ein gesellschaftspolitisches Thema! Was ist denn Wirtschaft, was ist eine Firma? Das ist eine Marke, das ist ein Logo, aber in Wirklichkeit sind das wieder Entscheidungsträger, Menschen, die da drinnenstehen.
Das heißt, diese Menschen entscheiden, ob ich das Thema "Behinderte" aufgreife oder nicht aufgreife. Da bin ich wieder beim Kopf, beim Umdenken. Wir sehen aus der Praxis, dass wir am Anfang unseres Projektes die Behinderten unterstützen müssen, wenn sie sich bewerben gehen, wenn sie am Job, am Arbeitsplatz sind.
Wir haben bemerkt, dass viel mehr Unterstützung und Betreuung am Arbeitsplatz die Kollegen und Kolleginnen des Behinderten brauchen. Dort tauchen die Probleme auf. Die sind es gesellschaftspolitisch nicht gewohnt, mit Behinderten umzugehen, die wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.
Bei einem anderen Kollegen weiß ich, wenn dieser langsam ist oder Fehler macht, dass ich es ihm sofort sage. Bei dem Behinderten, der ist ja behindert, da trau ich mich nicht, ihn anzureden oder zu sagen, ein bisschen schneller bitte. Die sind den Umgang nicht gewohnt, auch aus dem privaten Umfeld nicht, und da passiert dann das Dramatische. Im Hintergrund reden sie dann schon, dass sie mehr und schneller zu arbeiten hätten, weil der langsam ist.
Irgendwann bauscht sich das auf, das geht dann bis zum Mobbing und dann explodiert die Bombe und dann gehen sie zum Personalchef oder zum Entscheidungsträger und sagen, so, da habt ihr uns schön was eingebrockt mit dem neuen Mitarbeiter! Die letzten Monate war dies und jenes ... Dann hat der Behinderte keine Chance mehr, dann ist das Klima verdorben im Unternehmen. Dann hat auch der Entscheidungsträger im Unternehmen keine Chance mehr, der traut sich dann kein zweites Mal etwas zu machen.
Moderator: Aber wie geht man solchen Konflikten im Vorhinein aus dem Weg und entschärft sie?
Erwin Buchberger: Ich wollte hier nur anmerken, dass, wenn sich eine Firma bereiterklärt, einen behinderten Menschen einzustellen, und wenn ich dem dann klipp und klar sage, es kann sein, dass dieser ein bisschen langsamer ist, weil es motorisch nicht anders geht ... Und wenn das die Kollegen wissen, dann glaube ich schon, dass es eine Möglichkeit gibt, dass der nicht gemobbt wird. Aber da muss ich halt eine Besprechung oder so etwas machen, das ist unbedingt notwendig.
Josef Buttinger: Herr Buchberger hat die Antwort auf die Frage bereits gegeben. Wie kann man das abfedern oder vermeiden? Es ist die Kommunikation! Es geht ja ums Verkaufen, was tut man denn, dass man Betriebe so weit bringt oder sensibilisiert, dass sie Behinderte aufnehmen?
Es reicht nicht, wenn die Entscheidungsebene sagt, ja, wir als Firma machen das jetzt. Sondern wir kommunizieren mit den Leuten und sagen, es ist schön, wenn ihr die Entscheidung offen habt, aber bevor wir wirklich starten, tragt ihr die Information innerhalb der Firma nach außen!
Informiert die Leute und sagt, "Ja, so ist es, da kann es sein, dass er langsamer ist, da kann es sein, dass das und das ist." Wirklich offen mit den MitarbeiterInnen und KollegInnen kommunizieren, was Sache ist, wie man damit umgeht, damit sich im Hintergrund nichts aufstaut, weil dann ist es zu spät. Diese offene Kommunikation ist wichtig!
Moderator: Das ist ein schönes Schlusswort. Unsere Zeit ist schon wieder um. Ich bedanke mich bei meinen heutigen Gästen!
Auf Wiederhören! Bis zum nächsten Mal sagt Christoph Dirnbacher!
Dieses Round-Table-Gespräch ist Teil des Projektes Lebens- und Arbeitswelten. Weitere Beiträge zu diesem Schwerpunkt finden Sie in der untenstehenden Box.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.