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.Arbeitswelt von Menschen mit intellektueller Behinderung
Oliver Koenig, Institut für Bildungswissenschaft Uni Wien: Schönen Mittag! Vor der Mittagspause möchte ich mit Ihnen nun einen Sprung von Lichtgestalten innerhalb der Arbeitswelt von Menschen mit Behinderung zu einer etwas theoretischeren Zusammenschau zum Thema Barrieren machen, wie sie vor allem von Menschen mit intellektueller Behinderung im Arbeitsleben erlebt werden. Zum Einstieg in meinen Vortrag habe ich mir ein Thema ausgesucht, das, so glaube ich, ganz allgemein auch behinderungsgruppenübergreifend, momentan wie zukünftig ein ganz zentraler Motor sein kann. Ein äußerst zentraler Motor, um die Zielperspektiven von Teilhabe und Inklusion für Menschen mit Behinderung an und in der Gesellschaft sowie an und im Arbeitsleben auch zu verwirklichen. Die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung wurde im Jahr 2006 von der UNO verabschiedet und im September 2008 von der österreichischen Bundesregierung einschließlich des fakultativen Zusatzprotokolls einstimmig ratifiziert. Letzteres regelt insbesondere Formen der Überwachung und Einhaltung der in der UN-Konvention dargelegten Rechte und wurde in Österreich durch die Einrichtung eines weisungsungebundenen Monitoringausschusses entsprochen. Wohlgemerkt ging dieser parlamentarischen Anerkennung der UN-Konvention die leider nicht mehr öffentlich zugängliche Annahme voraus, dass die in der UN-Konvention deklarierten Rechte in Österreich bereits durchgängig umgesetzt seien.. Insofern gab es geringen Widerstand - anfangs.
Teilhabe und Inklusion: dazu ist gleich zu Beginn anzumerken, dass der Begriff der Inklusion nur in der englischsprachigen Originalfassung zu finden ist, ein Umstand, der BehindertenrechtsaktivistInnen auch zur Formulierung einer Schattenübersetzung der Konvention veranlasst hat. In der offiziellen deutschsprachigen Übersetzung wurde der Begriff der Inklusion durch den Begriff der Integration ersetzt. Dieser hat weit weniger gesellschaftspolitische und sozialpolitische Implikationen. Dabei taucht bereits eine erste Problemstellung auf: Teilhabe und Inklusion werden in der UN-Konvention auf unterschiedlichen Ebenen gesehen. Dabei handelt es sich zunächst um einen generellen Grundsatz, der sich als Querschnittsmaterie durch dieses UN-Menschenrechtsdokument durchzieht. Sie stellen aber durch die Ratifizierung gleichzeitig eine Verpflichtung für jene Staaten, welche die UN-Konvention unterzeichnet haben. Die Vertragsstaaten verpflichten sich dadurch dazu, diesen Grundsatz im Sinne des »Mainstreamings« in allen politischen Bereichen auch entsprechend umzusetzen. Dabei kann gerade für Österreich die Betonung von individuellen personenbezogenen Rechten fast schon als revolutionär betrachtet werden. Der österreichische Sozialstaat kennt bis heute keine Rechtsansprüche auf individuelle Unterstützungsleistungen. Sämtliche sozial- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind dezidiert nur als so genannte »Kann-Leistungen« konzipiert. Es gibt zwar eine große Vielzahl an möglichen Leistungen, aber keine Rechtsansprüche darauf. Dies könnte noch durchaus spannend werden birgt aber auf jeden Fall ein nicht unbeträchtliches Spannungspotenzial.
Den Blick auf die beiden Begriffe Teilhabe und Inklusion zu lenken, heißt auch, den Blick weg von den individuellen Defiziten, Bedürfnissen und Einschränkungen einer Person hin zu den rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen zu lenken, die es bräuchte, um Teilhabe und Inklusion zu verwirklichen. Als gutes Beispiel hat sich meines Erachtens das Konzept der »Employability« bewährt: Das Konzept der »Employability« ist eines der vier zentralen Säulen der europäischen Beschäftigungsstrategie. »Employability« bedeutet übersetzt so viel wie »Beschäftigungsfähigkeit«. »Employability« ist aber im Wesen kein ausschließlich auf das Individuum bezogenes Konzept, es geht also nicht primär darum, was kann der einzelne Mensch, beispielsweise durch seine Bereitschaft zur Mobilität beziehungsweise Flexibilität (man denke nur an das neue Modewort »Flexicurity«), unternehmen, um seine persönliche Beschäftigungsfähigkeit – seinen Marktwert – zu erhöhen. So wie es vor mir bereits Tobias Buchner als verkürztes Verständnis von Karriere im Sinne der Anhäufung von Qualifikationen angeführt hat. Das Konzept der »Employability« sollte sich neben der individuellen Dimension immer auch den Fragen stellen: Was leistet eigentlich die Politik, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Arbeitswelt, um die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen zu erhöhen? Dem gegenüber steht in Österreich eine im internationalen Vergleich einzigartige rechtliche Wendung. Das österreichische Sozialversicherungsrecht (ASVG) schafft den Begriff der »Arbeitsunfähigkeit«. Im Gegensatz zu »Employability« als ein sowohl individuelles, aber vor allem auch sozialstrukturelles Konzept, legt dieser österreichische Rechtsbegriff die Arbeitsfähigkeit – und davon abgeleitet auch das Recht auf Arbeit – entlang einer aus sozialwissenschaftlichen Sicht willkürlich gewählten Leistungsgrenze von 50 % im Vergleich zu einer nicht durch eine Schädigung oder Behinderung betroffenen Person fest. Die Einstufung erfolgt dabei ausgehend von einem individuellen und defizitären Modell von Behinderung durch die Anwendung zumeist zeitlich und von anderen Kontextfaktoren isolierter statusdiagnostischer Begutachtung.