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Barrierefrei leben 2.0 in Wien und anderswo
Zunächst ging es um den Lift am Stephansplatz, zu Gast im ORF-RadioCafe waren Katharina Müllebner und Bezirksrätin des 1. Bezirks, Patricia Davis (ÖVP Innere Stadt); im zweiten Teil nahm Gerda Ressl zum neuen Sachwalterschaftsgesetz Stellung.
Zum Nachhören der Sendung auf MP3 einfach hier klicken!
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Moderationstext
Einführung ins Thema
Das Österreichische Bundes-Behinderten-Gleichstellungsgesetz ist nunmehr über zehn Jahre alt. Mittlerweile sind auch die letzten Übergangsbestimmungen ausgelaufen. Doch wirkt dieses Gesetz auch?
Freak-Radio hat für diese Sendung zwei exemplarische Themenfelder für Wien und für Österreich gewählt. Die Liveatmosphäre, die wir gerade gehört haben, stammt von einem »Warteschlangen-Protest-Picknick am Stephansplatz«: Dessen Ursache liegt darin, dass der Lift von der U1 und U3 auf den Stephansplatz längst viel zu klein ist.
Eigentlich hat die rot-grüne Stadtregierung zu Beginn ihrer Amtsperiode einen neuen Lift bereits zugesagt. Doch die Wiener Linien haben entschieden, dass dies zu teuer sei. Weil es ständig Warteschlangen von Kinderwägen, gehbehinderten Menschen oder Menschen mit schweren Taschen ebenso gibt wie Rolli-Fahrerinnen, ist dieses Protestpicknick am 2.August 2016 organisiert worden.
Willkommen zu einer neuen Sendung aus dem ORF-RadioCafe, diesmal zum Thema: »Barrierefrei leben 2.0 in Wien und anderswo« sagt Gerhard Wagner. Wir von Freak-Radio wollen uns in dieser Sendung anschauen, was für eine fortschrittliche Behindertenpolitik notwendig ist und welche Details Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen bewegen oder gar diskriminieren.
Im zweiten Teil geht es um die Tatsache, dass immer mehr Menschen mit Behinderungen, oder wenn sie alt sind, entmündigt werden und einen Sachwalter bekommen, der viele wichtige Entscheidungen für die Besachwalteten trifft. Mittlerweile sind weit mehr Leute in Österreich besachwaltet als Wiener Neustadt Einwohner hat.Am 7.7. 2016 ist der Entwurf des Erwachsenenschutzgesetzes in Begutachtung gegangen. Dieses Gesetz möchte die Sachwalterschaften reduzieren und die Selbstbestimmung im Sinne der »UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen« stärken. Darüber werde ich dann mit Gerda Ressl vom Verein »Behindertenombudsmann« sprechen, die immer wieder mit Miss-Ständen im Bereich der Sachwalterschaft konfrontiert ist und vor zehn Jahren bei der letzten Novellierung des Sachwalterrechts-Expertin im Justizministerium war.
Die Musik stammt heute von Sigi Maron, Rollstuhlfahrer, Behindertenaktivist, Künstler und Musiker. Sigi Maron ist im Vormonat 72-Jährig gestorben. Wir wollen in dieser Sendung musikalisch an ihn erinnern.Hauptteil
Doch kehren wir zurück zum Beginn der Sendung und dem zu kleinen Lift auf dem Stephansplatz, der zu seiner Eröffnung nur für eine U-Bahnlinie da war und der mittlerweile einen der größten und den zentralen U-Bahnknoten Wiens bedienen muss.
Vorab lese ich eine Erklärung der Wiener Linien, die von Stadträtin Ulli Simma vermittelt wurde.
Es ist dies die Stellungnahme eines Pressesprechers der Wiener Linien, Dominik Gries: eines der Pressesprecher deshalb, weil die Wiener Linien fünf Pressesprecher haben – vier Männer und eine Frau.
»Man darf hier nicht vergessen, dass der Großteil der Fahrgäste zwischen U1 und U3 umsteigen. Für diese Fahrgäste gibt es drei Aufzüge. Aus Sicht der Wiener Linien reicht die Kapazität des Lifts aus. Das zeigen auch unsere Zählungen. Der zusätzliche Einbau eines Lifts im sensiblen Bereich des Stephansplatzes ist leider mit extrem hohen Kosten von mehr als 2 Mio. Euro verbunden. Das Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten ist hier einfach nicht gegeben und wir bitten um Verständnis, dass wir als von Fahrgästen und SteuerzahlerInnen finanzierter Betrieb auch auf unsere Kosten schauen müssen. Wir möchten allgemein noch darauf hinweisen, dass das Wiener U-Bahn-Netz seit vielen Jahren zu 100% barrierefrei erreichbar ist – das ist, man denke an London, Paris, Rom und viele deutsche Städte, alles andere als eine Selbstverständlichkeit und liegt in massiven Investitionen der Wiener Linien in Nachrüstungen mit Aufzügen begründet. Tatsächlich ein Problem ist aber, dass immer wieder Fahrgäste die Lifte benutzen, die sie nicht wirklich brauchen – denn die Kapazität, ALLE Fahrgäste aufzunehmen, hat ein Lift natürlich nie. Wir haben daher die Hinweise am Stephansplatz noch einmal verstärkt, dass RollstuhlfahrerInnen, Personen mit Kinderwägen etc. die Priorität bei Aufzügen zukommt«
Ich begrüße die Rollstuhlfahrerin und Mitarbeiterin dieser Initiative des Vereins BIZEPS Katharina Müllebner: Warum ist ein zweiter Lift für Sie so wichtig? Ebenso begrüße ich die Vertreterin des Ersten Bezirks, Frau Patricia Davis . Verstehen Sie die Vorgangsweise der Wiener Linien? Hören wir jetzt eine Einspielung der gestrigen Veranstaltung, die meine Freak-Radio-Kolleginnen Sandra Knopp und Nadine Fischl eingefangen haben. Wir hören Florian Dungl, den Herausgeber des Magazins Valid und zu Beginn die Organsiatorin dieses Picknicks, Frau Cornelia Scheuer vom Verein BIZEPS Auch die Volksanwaltschaft und verschiedene Behindertensprecher haben Stellung genommen. Der Abgeordnete Franz-Josef Huainigg von der ÖVP hat sich schon des Öfteren vehement für den Lift ausgesprochen, doch auch die ehemalige Behindertensprecherin der Grünen, Theresia Haidlmayr nimmt wortgewaltig Stellung. Wichtig ist auch, dass sich die Volksanwaltschaft des Themas angenommen hat. Volksanwalt Günther Kräuter meint dazu: Siehe O-Ton Statement Minister Brandstetter: „Wir haben den Erwachsenenschutz komplett neu erarbeitet und legen nun einen Entwurf vor, der die Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungshilfe für die Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Deren Entscheidungsfähigkeit soll wesentlich gestärkt werden und die Familien sollen stärker eingebunden werden, damit unnötige Besachwalterungen künftig vermieden werden können“ Das neue Gesetz soll auf vier Säulen der Vertretung aufbauen: die Vorsorgevollmacht, die gewählte, die gesetzliche und die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Damit soll es mehr Selbstbestimmung geben und eine verstärkte Beobachtung, Reflektion und Differenzierung geben. Frau Ressl, was sagen Sie aus Ihrer Erfahrungen zu diesen Plänen? Künftig soll auch ein Clearing fixer Bestandteil des Verfahrens sein. Insbesondere soll sichergestellt werden, dass eine gerichtliche Erwachsenenvertretung wirklich zwingend notwendig ist.
Frau Gerda Ressl, wie ist dazu ihre Meinung? Können Sie uns aktuelle Fälle erzählen, in denen es Schwierigkeiten mit dem derzeitigen System der Sachwalterschaft gibt? .
Abmoderation
Barrierefreiheit 2.0, eine moderne Barrierefreiheit, die dem Bild eines selbstbestimmten Menschen gerecht wird, die muss offenbar mühsam erkämpft werden. Wir von Freak-Radio werden darüber aber weiterhin immer wieder berichten. Für heute bedanke ich mich bei meinen Mitdiskutantinnen, den Zuhörern hier im RadioCafe und den Hörern via Internet – und last but not least für die technische Unterstützung von Gerald Pally. Auf Wiederhören sagt Gerhard Wagner.
Weitere Mitarbeiter/innen dieser Sendung:
Sandra Knopp und Nadine Fischl (Interviews)
Timon Zipser (Fotos und Sendungsbearbeitung - Schnitt)