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.Barrierefreies Wien?
Der Behindertenaktivist Pepo Meia hat angeregt, die Gehsteigabschrägungen an Wiener Kreuzungen zu vermessen und im Internet zugänglich zu machen. Die Stadt Wien reagiert einstweilen reserviert.
In den 80er-Jahren begann die Stadt Wien unter Bürgermeister Zilk, für die Absenkung der Gehsteigkanten zu sorgen, sodass Rollstuhlfahrer/innen barrierefrei und ohne fremde Hilfe Kreuzungen überqueren können. Auch für ältere und gehbehinderte Personen, Kinderwagen-Schieber/innen ist diese Bauweise eine wesentliche Erleichterung.
Noch viel zu tun...
Viel ist seither geschehen, wenngleich noch lange nicht alles: Immer wieder gibt es Gehsteige zu entdecken, die überhaupt nicht abgeschrägt sind, oder sie sind es an der falschen Stelle (Beispiel Kreuzung Schulgasse/Währinger Gürtel, wo der Poller mitten im abgeschrägten Teil montiert ist, sodass Rollstuhlfahrer/innen erst recht nicht ohne Barrieren über eine abgesenkte Kante können, sondern schief fahren müssen oder Beispiel Kreuzung Modecenterstraße/Döblerhofstraße in Wien 3, wo Rollstuhlfahrer/innen nicht überall beim Zebrastreifen hinunterfahren können). Deren Beispiele gibt es viele, etwa im 2. und 9. Bezirk. (Siehe Beispiele im Kasten rechts: Zur Großansicht auf die kleinen Bilder klicken!)
Seit Anfang 2005 werden nun alle Gehsteige in Wien per Computer erfasst, doch, zur Verwunderung vieler, die Gehsteighöhe/Abschrägungen nicht.
Interessante Initiative zur Erfassung barrierefreier Gehsteige
Pepo Meia, Musiker und Behindertenaktivist, hat immer wieder Abschrägungen angeregt. Nun hat er der Stadt Wien einen innovativen Vorschlag unterbreitet: Da die Magistratsabteilung 41 ohnehin Vermessungen anstellt und die Situation der Gehsteige alle drei Jahre aktualisiert, sollten Kommissionen unter Einbeziehung von betroffenen Personen auch die Gehsteighöhe vermessen und in den Plänen erfassen, da dies bis jetzt noch nicht geschehen ist. Auch die Eintragung der Firma (Bauaufsicht) könnte eine Kontrolle über die richtige Bauweise bewirken, damit auch die Maximalhöhe von 3 cm Gehsteighöhe eingehalten wird.
Wenn diese Pläne weiters öffentlich zugänglich gemacht würden, könnte dies die Planung einer Fahrtstrecke für Rollstuhlfahrer/innen wesentlich erleichtern, da es immer wieder unüberwindliche Hindernisse gibt, die Menschen im Rollstuhl zu beachtlichen Umwegen zwingen.
Auch falsch oder gar nicht abgeschrägte Gehsteige könnten so rasch erfasst werden. Nach Meias Konzeption müsste diese Erfassung in zwei Jahren vollständig abgeschlossen sein. Diese Anregung hat viel Zustimmung erhalten.
Doch wie reagiert die Stadt Wien?
Für den Bürgermeister antwortet der Büroleiter Edwin Kovacs der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung und Verkehr. Für ihn ist die Erfassung aller Gehsteigabsenkungen in dieser Form nicht sinnvoll - weil zu teuer. Ausreichend wäre ein kartographischer Hinweis im Straßeninformationssystem bzw. eine Negativerfassung, wo das Fehlen einer behindertengerechten Gehsteigabsenkung eingezeichnet ist. Die Stadt Wien ist der Meinung, dass bereits 90% aller Gehsteige behindertengerecht abgeschrägt sind. Herr Meia vermutet, dass es mehr ist, weil viele bereits abgesenkte Gehsteige noch immer zu hoch sind.
Doch wenn nicht genau gemessen wird, fallen dann Schlampereien, wie den Poller mitten in der Abschrägung oder die Abschrägung an der falschen Stelle, überhaupt auf? Den Menschen, die nicht im Rollstuhl fahren, vermutlich nicht. Sehr wahrscheinlich würde nur oberflächlich geschaut, ein Strich oder Kreuz an der vorhandenen Stelle gemacht und es würde gar nicht erkannt, dass gegen die Ö-Norm verstoßen wird und die als barrierefrei eingestuften Kreuzungen gar nicht barrierefrei sind!
Denn die maximale Gehsteighöhe sollte ja 3 cm nicht übersteigen.
Auch Herr Meia ist mit der Vorgangsweise nicht zufrieden und verweist darauf, dass es immer wieder vorkommt, dass nach Aufgrabungen lediglich auf einer Seite einer Kreuzung die Gehsteigabschrägung erfolgt: "Auf der anderen Seite kann man als Rollstuhlfahrer NICHT auf den Gehsteig!"
Verkehrs-Stadtrat Schicker hat nun die zuständige Fachabteilung ersucht, die Idee der "Negativdarstellung" - das heißt die Erfassung und Darstellung aller noch nicht hergestellten Absenkungen - weiterzuverfolgen.
Vernunft ist gefragt
Für viele Menschen, die von Gehsteigabschrägungen profitieren, wäre es wünschenswert, dass die Idee der Erfassung nicht in einer Schublade verschwindet, sondern dass zumindest ein Pilot-Projekt gestartet wird, und mit der statistischen Erfassung aller Gehsteige begonnen wird.
Pepo Meia selbst erwartet jedenfalls die Teilnahme von behinderten Expert/innen und die stichprobenartige Überprüfung auch von jenen Teilen, die bereits als barrierefrei gelten. Die zuständigen Magistratsbeamte würden sich wundern, wenn sie mit einem Rollstuhl durch Wien fahren würden.
Wer weiß, vielleicht findet der Vorschlag doch noch Gehör bei den zuständigen Stadtpolitiker/innen, sodass Mittel bereitgestellt werden, damit schon in nächster Zeit betroffene Aktivist/innen gemeinsam mit den Bezirken, der Stadt Wien und dem zuständigen Bundessozialamt ein Projekt auf die Beine stellen können, welches zeigt, wie es gehen könnte. Auf ähnliche Weise gibt es seit einiger Zeit in einigen Bezirken Pläne für blinde Wiener/innen, warum auch nicht für Rollstuhlfahrer/innen?