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.Behindert sein gestern, heute, morgen
Walter Lindner (Moderation):Herr Doktor, Sie haben das Thema Armut angesprochen, so wie die Frau Srb-Rössler. Es ist natürlich die Frage, wie kann man gegen die landläufige Meinung, wie die Frau Srb-Rössler erzählt hat, dagegenwirken, so ungefähr: Ihr raucht die Zigarette um mein Geld. Also, wie kann man versuchen, der Bevölkerung mitzuteilen, dass sehr viele behinderte Menschen erstens einmal einer Arbeit nachgehen und zweitens die Unterstützung, die sie bekommen, nicht sozusagen als hinausgeworfenes Geld ist, sondern weil sie das wirklich brauchen, was kann man da dagegen tun eventuell?
Dr. Günther Schuster: Also, ich denke, dass das Erkennen von Bedürfnissen, das Erkennen von Situationen noch immer davon abhängig ist, wie weit man Begegnungen im Alltag hat und aus meiner eigenen Lebensgeschichte weiß ich, dass ich bis zu meinem beruflichen Eintritt in das damaligen Landesinvalidenamt eigentlich keine Kontakte
zu behinderten Menschen hatte. Ich bin in einer Schule in Niederösterreich in eine Volksschule und dann in ein Gymnasium gegangen. Ich hatte keinen Mitschüler mit Behinderung, das heißt, mir waren die Lebenssituationen fremd und meine Erfahrung ist, dass all jene Menschen, die entweder durch berufliche Situation oder durch privates Erleben tatsächlich Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen kennen lernen, sehr rasch, in dem Sinne umdenken, sehr rasch oft sehr ungute und stereotype Vorurteile ablegen können. Und ich denke, es gilt diese Normalität im Alltag herbeizuführen. Wenn ich da an die schulische Integration denke, dann glaube ich, dass es auch hier eine gewisse Entwicklung gibt, die
vielleicht nicht jetzt wirkt, aber die vielleicht in Zukunft helfen kann.
Walter Lindner (Moderation): Sind Sie auch dieser Meinung, Frau Srb-Rössler?
Annemarie Srb-Rössler: Das denke ich doch auch. Normalerweise, wenn mich jemand anspricht und mir so etwas sagt, dann diskutiere ich auch darüber und sage, dass das einfach anders ist, aber in der Situation gerade: Ich hatte sehr viele Termine an dem Tag, auch berufliche Termine, auf die ich mich schon geistig vorbereitet hatte und ich wollte einfach jetzt zu dieser Zeit mit dieser Frau nicht diskutieren, aber normalerweise denke ich doch auch, wenn man über unsere Lebenssituation spricht, wenn man sagt, dass jemand, der zum Beispiel auch keine Arbeit hat, nicht selbst Schuld ist, dass er keine Arbeit hat, sondern einfach, ich weiß es aus meiner eigenen Laufbahn, dass es nicht Nichtkönnen ist, sondern auch, dass es die Toleranz der anderen ist, dass man sein Können überhaupt erst beweisen darf und dass man es zeigen darf, dass man wo genommen wird, wenn man die Aufnahmsprüfung schafft und dann, man sieht, man ist behindert, und wenn man dann genommen wird, seine Fähigkeiten zeigen darf oder dann, das ist nicht nur Können. Viele glauben, wenn man sich bemüht, dann findet man eine Arbeit. Ich kenne sehr sehr viele Leute, die sich bemühen, behinderte Menschen, und trotzdem keine Arbeit findet, trotz behindert, trotz persönliche Assistenz am Arbeitsplatz oder so, sie finden einfach keine Arbeit, weil es einfach zu wenig gibt, auch für diskutieren einiges verändern kann.
Weil vieles passiert wider besseres Wissen.