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Rubrik: Lesen statt Hören
09. November 2004

Behindert sein gestern, heute, morgen

von Walter Lindner

Walter Lindner (Moderation):Bleiben wir noch etwas in der Vergangenheit. Früher hat man
doch auch Behinderung sehr oft mit Betteln, mit unwertem Leben in einen Zusammenhang gesetzt. Da war ja auch das dritte Reich, wo behinderte Menschen mehr oder weniger als unwert oder als zu vernichten preis gegeben worden sind. Kann da jemand etwas dazu sagen, Herr Doktor :Dr. Günther Schuster: vielleicht?

Dr. Günther Schuster: Ich denke, dass das natürlich das dritte Reich neben den furchtbaren
Verbrechen, die sich in diesem Zusammenhang abgespielt haben natürlich auch auf die jetzige Situation noch hinwirken. Dass es ganz einfach bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft nicht gibt. Ich denke da etwa an alte Menschen mit Lernbehinderungen, die in unserer Gesellschaft - im Gegensatz zu anderen, westlichen Demokratien -derzeit nicht präsent sind. Insofern es auch uns in der Gegenwart gar nicht möglich ist, diese Erfahrungen zu machen und insofern wirken diese Verbrechen der Vergangenheit
noch durch auf die gegenwärtige Situation.

Walter Lindner (Moderation):Früher haben ja die behinderten Menschen ihr Brot mehr oder weniger nur durch Betteln verdient, kann man eigentlich sagen, seit wann ein leichtes Umdenken in der Gesellschaft das mehr oder weniger abgelegt hat, dieses Betteltum, denn wenn man sich manchmal so durch die Straßen begibt und einen Blinden sieht, glaubt man ja unbedingt, der muss Betteln und der kann gar nicht arbeiten oder so. Gibt es da Aufzeichnungen, die sagen, seit einer gewissen Zeit ist es jetzt besser geworden oder wie kann man da irgendwas dazu sagen?

Dr. Günther Schuster: Ich glaube schon, dass diese Entwicklung sehr unmittelbar mit der Entwicklung unserer Republik in Verbindung steht und ich würde meinen, dass gerade das Kriegsopferversorgungsgesetz ein ganz wesentlicher Eckpfeiler dieser Entwicklung war, weil es eben einen Versorgungsanspruch und - wenn man so will auch eine Grundsicherung für Menschen, die aufgrund der Kriegsereignisse krank oder behindert waren, vorgesehen hat. Und dann denke ich, war ein sehr wichtiger Schritt etwa Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als das Sozialwesen, das so genannte Armenwesen, aus der Zuständigkeit des Innenministeriums damals in die Zuständigkeit des
Sozialministeriums gekommen ist. Und das zeigt den Wechsel des Standpunktes. Denn die Zuständigkeit des Innenministeriums hat auch bedeutet, dass die Gesellschaft bis zu diesem Zeitpunkt durch die Kompetenzverteilung Armut noch immer als Sicherheitsrisiko gesehen hat und nicht als soziale Frage. Und ich denke ab diesem Zeitpunkt ist in dem System, für das ich sprechen kann, also im System der öffentlichen Verwaltung, das Bewusstsein, dass wir es hier mit einer sozialen Frage zu tun haben, ständig gewachsen und hat sich weiterentwickelt.


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