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Rubrik: Leichter Lesen
12. Oktober 2008

Behindert und selbstbestimmt leben – als Mann und als Frau

von Franz Hoffmann, Gerhard Wagner

In einer Freak-Radio-Sendung im Oktober 2008 geht es um ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderung durch Persönliche Assistenz. Außerdem stellt Freak-Radio die schwierige Sitation von Frauen mit Behinderungen vor, die doppelt benachteiligt werden.

Gabriele Poehacker

 

Persönliche Assistenz macht Arbeit möglich...

Zunächst spricht Christoph Dirnbacher, der Leiter der Assistenzgenossenschaft (WAG) Niederösterreich: Mit persönlicher Assistenz haben behinderte Menschen mehr Selbstbestimmung. Nach ihren Anweisungen machen die Assistenten oder Assistentinnen genau das, was die behinderten Menschen brauchen.

Damit wird ihnen ermöglicht, sich ihr Leben zurückzuerobern. Denn mit Assistenz leben sie freier. In Niederösterreich sind es 29 Leute, die persönliche Assistenz haben. Besonders wichtig ist die persönliche Assistenz am Arbeitsplatz. Diese wird vom Bundessozialamt finanziert. Die persönlichen Assistenten und Assistentinnen bringt die behinderten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur Arbeit. Und sie unterstützen sie bei ihrer Arbeit am Arbeitsplatz.

Markus Fritsch

Nach Matura und Studium hat er eine gute Ausbildung. Weil er Rollstuhlfahrer ist, bekommt er aber keinen Arbeitsplatz. Er hat aber die persönliche Eignung dafür. Die persönliche Assistenz hilft ihm jetzt prinzipiell beim Anziehen, oder sie hält ihm in der Arbeit den Stift oder das Telefon oder hilft beim Schreiben. Persönliche Assistenten und Assistentinnen tun, was behinderte Menschen selbst nicht können.

Sie holen auch etwas zum Trinken und halten das Glas oder geben einen Strohalm hinein. Denn manche tun sich schwer beim Schlucken.

Nicht nur die WAG, auch andere Organisationen wie „Miteinander Leben“ in Oberösterreich bieten solche Dienste an.

Markus Fritsch beschreibt, wie er zu den Assistenten kommt: Zunächst gibt es Vorstellungsgespräche und er sucht sich die für ihn richtigen Leute aus. Dann gibt es eine Probezeit. Bezahlt werden sie ganz normal wie andere Angestellte. Die behinderten Menschen sind Arbeitgeber (oder Arbeitgeberinnen). Sie haben daher auch die Pflicht, die Aufgaben für die Assistentinnen und Assistenten genau festzulegen.

Markus Fritsch hat seine persönliche Assistenz nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch zuhause. Sobald etwa die Assistentin Silvia Kehrer die Türe aufsperrt, zahlt das Land Oberösterreich - und nicht mehr das Bundessozialamt. Dieses zahlt die Assistenz am Arbeitsplatz.

Markus Fritsch sagt: Es ist wichtig zu wissen, dass es ein Arbeitsverhältnis ist. Ich muss also immer die Distanz wahren. Freundschaftlicher Umgang ist möglich. Aber es ist eben eine Arbeit, die hier gemacht wird. Bei Freundschaft gibt man keine Anweisungen.

Persönliche Assistenz in Europa

Ein internationaler Experte vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in München sagt: Persönliche Assistenz ist der Schlüssel zur Selbstbestimmung. Es ist wichtig, dass der ganze Staat für Persönliche Assistenz garantiert und nicht nur irgendein Bundesland oder eine Stadt.

In München funktioniert Persönliche Assistenz gut, auf dem Land schlecht. In Italien oder Griechenland gibt es wenig persönliche Assistenz. Auch in Osteuropa gab es Projekte durch die Europäische Union (EU). Die einzelnen Staaten haben aber oft nicht fortgesetzt, was die Europäische Union begonnen hat. Vorbildlich in Europa ist Schweden: Dort gibt es gute Möglichkeiten für Persönliche Assistenz.

Wer sich jedoch persönliche Assistenz nicht leisten kann, muss dann oft ins Heim. Das ist teuer und schließt behinderte Bürger von der Gesellschaft aus. Christoph Dirnbacher fordert: Dass behinderte Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, das muss möglich sein. Und mit persönliche Assistenz ist das möglich. Die Menschen mit Behinderung werden dann für alle sichtbar.

Benachteiligte behinderte Frauen

Behinderte Frauen werden doppelt diskriminiert – als Mensch mit Behinderung und als Frau. Es gibt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung aus Salzburg. Diese zeigt, dass Frauen mit Behinderung schon in der Ausbildung benachteiligt werden. Dagmar Stranzinger, die Expertin, zeigt auf: Viele junge Frauen können nicht die Ausbildung machen, die sie eigentlich machen können und wollen.

Das Land Salzburg wollte wissen, ob und wie es die Situation von behinderten Frauen verbessern kann. Dabei hat sich gezeigt, dass es zu wenige Untersuchungen gegeben hat. Also haben jetzt Forscherinnen mit Betroffenen in Interviews (=wissenschaftlichen Gesprächen) wichtige Dinge festgestellt.

Benachteiligung beginnt schon in der Schule

Dass behinderte Mädchen schon in die Schule in andere Bundesländer gehen mussten, war der Beginn der Benachteiligung. Später mussten dann behinderte Frauen böse Reden über sie erdulden, also haben Mobbing erlebt. Oder sie haben Gewalt und auch sexuelle Gewalt erlebt. Eine blinde Frau berichtet, das sie und die anderen Mädchen sich im Waschraum nackt waschen mussten. Der Direktor wohnte im gleichen Stock. Dazwischen war nur eine Glastüre.

Auch Briefe wurden damals geöffnet. Niemand hat sich getraut, etwas dagegen zu tun.

Deshalb ist es wichtig, dass auch behinderte Menschen wirklich alle Frauen Beratungseinrichtungen besuchen können. Diese müssen daher zugänglich sein. Über die Bedürfnisse behinderter Frauen weiß kaum jemand etwas. Daher sollen behinderte Expertinnen unbedingt in der Frauenarbeit eingebunden werden.

Ernst genommen werden

Magistra Gabriele Pöhacker, die Behindertenreferentin der katholischen Kirche in Salzburg, hat bei dieser Studie mitgemacht.

Sie findet es gut, dass sich Salzburg intensiv mit behinderten Frauen beschäftigt. Genauso wichtig ist es aber auch, dass behinderte Frauen selbst mehr zusammenarbeiten. So können sie gemeinsam mehr erreichen.

Viele Frauen schämen sich sogar für ihre Behinderung und haben dann nur mehr wenig Kraft, sich zusammen zu tun. Das ist jetzt ein weiteres wichtiges Ziel.

Gabriele Pöhacker wollte sie zuerst gar nicht mitmachen. Sie hat sich erwartet, dass es hauptsächlich Akten geben wird, aber keine Verbesserungen. Wichtig war, dass die Forscherinnen die Frauen mit Behinderungen ernst und wichtig genommen haben.

Auch die Wissenschaftlerin Birgit Buchinger nimmt sehr viel an Eindrücken aus dieser Studie mit. Es gab so viele kompetente und zielgerichtete Frauen. Diese haben gelernt, mit den Barrieren im Alltag umzugehen.


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