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Rubrik: Freak Aktuell
20. August 2007

Beispiele für bauliche Barrieren & Belästigung - Barrieren per Gesetz abbauen (Teil 4)

von Katharina Zabransky und Gerhard Wagner

Interview mit Dr. Hansjörg Hofer (Sozialministerium) und Mag. Dietmar Hillbrand (Bundessozialamt). Vierter Teil: Praktische Beispiele - Bauliche Barrieren und Belästigung

Freak-Radio: Wir haben nun einige Fallbeispiele:
Ein neues Lokal wird eröffnet, ein Rollstuhlfahrer kann nicht hinein, weil es zwei Stufen gibt. Was kann ich als Rollstuhlfahrer tun? Was nützt mir jetzt das Gesetz, was kann man machen?

Dr. Hansjörg Hofer: Das ist nicht leicht zu beantworten, weil sich nämlich die Frage stellen würde, ob das Lokal neu ist, in einem bestehenden Gebäude oder ob das Gebäude neu errichtet wurde, das das Lokal beherbergt.

Freak-Radio: Es ist kein neues Gebäude, aber ein neues Restaurant, wo vorher ein anderes war.

Dr. Hansjörg Hofer: Also man muss folgendes beachten: dass es sehr viele Gebäude gibt, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits Bestand hatten, zum Großteil auch schon seit Jahrzehnten oder seit Jahrhunderten Bestand hatten. Es ist klar, dass nicht alle bestehenden Gebäude innerhalb von kurzer Zeit zur Gänze umgebaut werden können, daher sieht das Gesetz eine Übergangsvorschrift vor, die sich auf bauliche Barrieren bezieht, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens Bestand hatten.

Und zwar ist das so gestaltet, dass bis längstens, 31.12. 2015 alle Gebäude, auch schon bestehende Gebäude, grundsätzlich barrierefrei zu sein haben, ansonsten hätte man einen Anspruch auf Schadenersatz.

Freak-Radio: Nehmen wir jetzt zwei Beispiele: Wenn diese Rollstuhlfahrerin jetzt im Jahr 2007 vor einem Lokal steht, das gerade umgebaut worden ist, aber in einem alten Gebäude. Was kann sie jetzt tun. Und die zweite Frage wäre: Was kann sie 2015 tun?

Dr. Hansjörg Hofer: Sie kann jetzt natürlich trotzdem den Lokalbesitzer, den Lokalbetreiber darauf aufmerksam machen, dass es eigentlich bei Neueröffnung nicht sehr sinnvoll erscheint, dass er Barrieren baut und dass vielleicht eine Möglichkeit bestünde, diese auch zu beseitigen. Wenn es um eine Maßnahme geht, die relativ kostengünstig möglich wäre, nämlich um 1000 Euro möglich wäre, dann würde sogar jetzt schon ein Anspruch darauf bestehen, diese Barriere zu beseitigen, mit dem höchstens 1000 Euro großen Aufwand. Ansonsten ist es rechtlich derzeit noch nicht möglich, gegen diesen Lokalbetreiber gerichtliche Schritte einzuleiten.

Ab dem Jahre 2016 ist es dann auf jeden Fall möglich, den Lokalbetreiber grundsätzlich, theoretisch auch vor Gericht zu bringen, und auf einer Diskriminierung zu beharren und zu sagen: »Dafür möchte ich einen Schadenersatz, weil ich durch die zwei Stufen, die da im Wege sind, schlechter behandelt wurde als andere Menschen.«

Freak-Radio: Was kann ich jetzt tun, wenn es ein bestehendes Lokal gibt, und da gibt's einen Seiteneingang, der ist barrierefrei, aber das ist eben nur ein Seiteneingang?

Mag. Dietmar Hillbrand: Grundsätzlich ist dazu einmal zu sagen, dass man versuchen sollte, den Besitzer des Lokals auf die Umstände aufmerksam zu machen. Es hat sich herausgestellt, dass beim Reden, wie man so schön sagt, die Leute zusammen kommen. Und auf diesem Weg sehr viel geregelt werden kann. Das einmal zum Grundsätzlichen.

Die Seiteneingänge, wenn sie durch Kisten verstellt sind, wenn sie verschlossen sind - es gibt sogar Notausgänge, die verschlossen sind, was ja auch vom Gesetz her nicht vorgesehen ist - da ist es so, dass sie dann einfach nicht barrierefrei sind. Die Sache ist die, dass man dann, wenn jetzt schon ein Seiteneingang existiert, grundsätzlich schon einen Schlichtungsantrag beim BSB stellen kann und ein Schlichtungsverfahren einleiten kann.

Freak-Radio: Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, wenn das Reden nichts gebracht hat, und man kommt zu Ihnen. Was passiert dann?

Mag. Dietmar Hillbrand: Beim BSB ist ja das Schlichtungsverfahren vorgesehen, wir versuchen, in diesen Schlichtungsverfahren eine Einigung herbeizuführen, mit dem mutmaßlichen Diskriminierer. In diesen Gesprächen werden noch einmal die Probleme aufgeworfen. Es ist ein Verfahren, das auf Freiwilligkeit beruht und die Situation der Betroffenen noch einmal klar zu machen versucht. Und es wird auch versucht gemeinsam Lösungen zu finden, in diesem Verfahren.

Ihr konkretes Beispiel wäre wahrscheinlich so zu lösen, dass man sagt: Na ja, wie sieht´s denn aus, kann man nicht den Eingang frei machen, ihn nicht ordentlich beschildern? Sie verzichten ja auch auf einen Teil Ihrer Kunden, der das Lokal sonst nicht betreten kann. Sich auf diesem Weg, im Rahmen einer allparteilichen Information einem Ziel zu nähern, das ist unsere Aufgabe in dem Schlichtungsverfahren.

Freak-Radio: Wenn heraus kommt... und der Diskriminierer so »unvorsichtig« ist, um zu sagen: »Na, wir legen aber eh keinen Wert drauf, dass behinderte Menschen in unserem Lokal sind.«
Was kann man dann tun?

Mag. Dietmar Hillbrand: Ich würde einmal sagen, man muss aufpassen, wie das Gericht, oder jeder Richter solche Sachen beurteilen würde. Das kann ich von diesem Standpunkt hier nicht sagen. Die Sache ist die, dass man davon ausgehen könnte, dass diese Aussage eine Diskriminierung darstellt. Aber, wie gesagt, das haben die Gerichte zu beurteilen. Auf alle Fälle steht es auch in diesem Fall jedem frei, im Rahmen einer so genannten Belästigung des Gesetzes - Tatbestand der Belästigung - gegen diese Aussage vor zu gehen.

Freak-Radio: Können Sie uns das auch in einem Satz sagen, dass es auch klar wird, wenn Sie es sagen: Wenn jemand belästigt wird oder Ähnliches, was bedeutet das? Also wenn jemand sagt: »Wir sind gar nicht interessiert an behinderten Menschen«, dann kann man das und das machen.

Mag. Dietmar Hillbrand: Die Abwägung, wie gesagt, haben die Gerichte vorzunehmen. Was man dagegen machen kann ist:
Gehen Sie in diesem Fall erstens einmal zum mutmaßlichen Diskriminierer, weisen Sie ihn darauf hin, wie er zu dieser Aussage steht. Lassen Sie sich beim BSB beraten, um eventuell einen Schlichtungsantrag beim BSB einzubringen.

Freak-Radio: Sie sind um Hilfe gebeten worden.

Dr. Hansjörg Hofer: Also ich glaube nicht, dass es eine Belästigung ist, in dem Sinne, in dem es das Gesetz meint. Ich würde aber zunächst einmal sagen: dieser Geschäftsmann, die Geschäftsfrau die eine solche Äußerung täte, wäre zunächst einmal wirtschaftlich ungeschickt unterwegs. Weil der Kreis der behinderten Menschen in Österreich sind ca. 400 000 Menschen, in Österreich sind etwa 400 000 bis 800 000 Menschen behindert, in der einen oder anderen Form. Wir gehen davon aus, dass ca. 10% der Bevölkerung, also 800 000 Personen eine Behinderung haben. Einen solch großen Kreis von vorneherein ausschließen zu wollen, ist für einen Geschäftsinhaber ökonomisch nicht sonderlich sinnvoll.

Ich glaube, man muss bedenken, dass auch Menschen mit Behinderung Konsumenten sind, Konsumenten mit einer gewissen Kaufkraft, die zu nützen - aus wirtschaftlicher Sicht - durchaus nicht unzweckmäßig erscheint.
Das zweite ist aber die Frage der Belästigung, wenn Sie mich darauf ansprechen.

Eine Belästigung wäre jedenfalls, wenn ich jemand, der behindert ist, nachhaltig, also des Öfteren, als Krüppel bezeichnen oder mit irgendwie beleidigenden Ausdrücken versehen würde. Oder natürlich auch, was sicher häufig vorkommen wird, wo es in Richtung Mobbing geht - wo also Mitarbeiter mit Behinderungen, Kollegen mit Behinderungen, ständig belästigt, gehänselt, auf wienerisch gesagt »sekkiert« werden, wegen der Behinderung.
Das kann die Form eines Mobbing annehmen, ist aber sicher auch als eine Belästigung in dem Sinne zu verstehen, wie das Gesetz das meint. Ob ein bloßes Desinteresse dafür schon reicht, werden die Gerichte zu entscheiden haben. Ich persönlich glaube es eher nicht.

Freak-Radio: Was kann man dann tun, wenn das passiert, was Sie gerade gesagt haben, das Mobbing, das Hänseln?

Dr. Hansjörg Hofer: Das kann man wirksam bekämpfen, da hat man den Anspruch auf Nicht-Diskriminierung, auf Gleichbehandlung. Der Weg dazu wäre, zunächst einmal zum BSB zu gehen, dort ein Schlichtungsverfahren zu begehren, und dann, wenn das erfolglos enden sollte, kann man diesen Anspruch - auf Schadenersatz nämlich- auch vor Gericht einklagen, und wird dafür sicher Recht bekommen.

Freak-Radio: Und was bekommt man dann für diesen Schadenersatz. Mit wie viel kann man dann rechnen? Ist das dann nachhaltig, sodass es dann aufhört?

Dr. Hansjörg Hofer: Wenn das Verhalten neuerlich gesetzt würde, kann man einen neuerlichen Anspruch geltend machen. Insofern ist es schon nachhaltig. Die Höhe des Schadensersatzes kann ich ihnen nicht sagen, das Gesetz gibt darüber nur in der Form Auskunft, dass Belästigung mindestens 400 Euro Schadenersatz nach sich ziehen muss. Nach oben hat der Richter aber einen großen Spielraum.


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