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Rubrik: Freak-Science
10. Dezember 2008

Berufliche Aus- und Fortbildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich – Angebote und Erfahrungen.

von von Tobias Buchner & Wolfgang Orehounig

Tobias Buchner:  Danke schön. Herr Orehounig hat kurz skizziert, wie allgemeine gesellschaftliche Bilder und Vorstellungen im Bezug auf Karriere aussehen. Er hat auch herausgearbeitet, dass das Ganze mit sozialem Aufstieg, Erfolg, der Anhäufung von Qualifikationen und von mehr Gehalt verbunden ist. Wir werden nun untersuchen: Wie sehen diese Karrieremöglichkeiten von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich aus? Dabei möchte ich zuerst den Bereich der Arbeitsangebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich betrachten. Prinzipiell lassen sich zwei große Arbeitsbereiche für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich unterscheiden. Der erste Bereich sind Werkstätten, oder »Beschäftigungstherapien«, wie sie in Ostösterreich genannt werden. Der zweite, wenn man so will, ist der Bereich der beruflichen Integration von Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Zum ersten Bereich, den »Werkstätten und Beschäftigungstherapien«: In der Beschäftigungstherapie sind die zur Verfügung stehenden Tätigkeitsfelder häufig sehr eingeschränkt. Viele Tätigkeiten werden von den in einer Werkstatt beschäftigten Personen als sehr eingeschränkt empfunden. So beschreibt zum Beispiel ein Mitglied der inklusiven Forschungsgruppe an der Universität die dortigen Tätigkeiten als sehr monoton und »immer das Gleiche«. In einigen Werkstätten für Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt es zudem in Bezug auf die angebotenen Tätigkeitsfelder nur sehr wenig Auswahl. Holzgruppe, »Industriearbeitsgruppe« und so genannte Kreativgruppen. Bei der populären Industriearbeit existieren relativ simple Aufgabenstellungen - das Abzählen von einzelnen Schrauben, Schlüsseln und das »Einsackerln« von Gegenständen. Das muss nicht immer so sein, doch es besteht die Gefahr, dass sich Angebote auf recht monotone Tätigkeiten reduzieren. Besonders problematisch ist unserer Ansicht nach die Entlohnung der geleisteten Arbeit: In Beschäftigungstherapien haben wir immer noch Taschengeld statt Lohn. Wenn davon die Rede ist, sind das Beträge von 40 bis maximal 90 Euro. Wenn ich nun den Blick zurück auf die von Herrn Orehounig angeführten Karrierebilder lenke, sind diese größtenteils für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich sehr begrenzt. Taschengeld statt Lohn stärkt auch meiner Meinung nach nicht gerade die gesellschaftliche Anerkennung für die Arbeit und der tatsächliche Betrag, der letztlich den betroffenen Personen ausgezahlt wird, überhaupt nicht. Zudem ist nach der jetzigen Gesetzgebung in Beschäftigungstherapien beziehungsweise Werkstätten keine Sozialversicherung möglich. Aber dieser erste Bereich, diese erste Arbeitswelt der Werkstätten birgt noch weitere problematische Felder. Ich möchte es so formulieren: Wenn Sie erst einmal in diesem System von Werkstätten gelandet sind, ist es aufgrund verschiedener Faktoren sehr schwer, wieder herauszukommen. Und diese Einrichtungen haben sich im Laufe der Jahre in ihrer Beschaffenheit nicht besonders verändert. Viele Dienstleistungsanbieter der Behindertenhilfe sprechen zwar heute in ihren Leitbildern von Inklusion, Partizipation und Selbstbestimmung. Aber ihre Angebote haben sich nicht so geändert, dass sie in der Realität diesen Ansprüchen auch wirklich Rechnung tragen. Mein Kollege Schädler von der Universität Siegen in Deutschland nennt das »institutionelle Beharrlichkeit.« Zudem zeigt sich eine wesentliche Problematik bezüglich der Durchlässigkeit verschiedener Angebote im Bereich Arbeit von einigen Trägerorganisationen. Allzu häufig bedeutet die mangelnde Durchlässigkeit von der Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt oder etwaige Zwischenschritte: »Einmal Werkstatt, immer Werkstatt.« Die gesetzlichen Rahmenbedingungen fördern eine Durchlässigkeit auch nicht, was unter anderem bizarr anmutende Phänomene wie die viel zitierte »Beihilfenfalle« nach sich zieht. Wenn wir uns auch an dieser Stelle noch einmal eine der Begrifflichkeiten des Tagungstitels heranziehen, die »Karriere«, so wird in Bezug auf - nicht nur, aber auch - die Arbeitswelten von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Werkstätten von »Exklusionskarrieren« gesprochen. Unter dem Begriff »Exklusionskarrieren« ist zu verstehen, dass Werkstätten und Beschäftigungstherapien in der Regel Sondereinrichtungen sind. Hier findet keine Durchmischung mit Menschen ohne Behinderung statt, höchstens durch BetreuerInnen. Das Ganze bleibt eher eine Sondermaßnahme, wodurch die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausbleibt. So viel zur Skizzierung der Arbeitswelt Werkstatt und einiger der damit verbundenen Problemfelder.


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