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.Berufseinstieg: Der lange Weg des Martin Schöck
Martin Schöck will keinen Status als begünstigter Behinderter haben. Weil es seine Jobchancen noch mehr reduzieren würde. Dreieinhalb Jahre verbrachte er mit Beschäftigungstraining, Computertraining, Warten auf ein Praktikum und Jobsuche. Nun hat er endlich seinen Job: im Fuhrparkmanagement von Raiffeisen-Leasing in Wien. Schöck hat zerebrale Tetraparese und benötigt einen Rollstuhl.
Vor wenigen Tagen begann für Martin Schöck das wirkliche Berufsleben. Im Fuhrparkmanagement von Raiffeisen-Leasing in Wien. Zwar ist er noch in der Probezeit, aber erstmals ist es kein Schnuppern und kein Praktikum mit Ablaufdatum, sondern ein Angestelltenverhältnis mit Perspektiven. Begonnen hatte als vom AMS geförderter Praktikant der Personalabteilung.
Das Ende einer Odyssee
Dreieinhalb Jahre hatte Martin Schöck Arbeit gesucht, unterbrochen von einem halbjährigen Beschäftigungstraining und einem Computertraining, das er mit dem europäischen Computerführerschein abgeschlossen hat. Monatelang hatte er auf ein Praktikum beziehungsweise eine Jobchance gewartet, was sich dann doch wieder in Luft aufgelöst hat.
Martin Schöck gilt als schwer vermittelbar. Er hat seit seiner Geburt zerebrale Tetraparese und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Nach der AHS-Matura am Gymnasium Karajangasse in Wien begann er ein Geschichtestudium an der Universität Wien, verzweifelte aber an den baulichen Barrieren des alten Unigebäudes. Die protzigen Stiegenhäuser und verwinkelten Treppen erschwerten ihm als Rollstuhlfahrer bereits die pure Anwesenheit bei Vorlesungen und Seminaren erheblich. Er hätte viel länger für das Studium gebraucht als vorgesehen und sah auch keine beruflichen Perspektiven als Historiker.
Die Tür zu einem Job wurde schließlich – ganz österreichisch – geöffnet, als Schöcks Stiefvater einem ehemaligen Schulkollegen über den Weg lief, der bei Raiffeisen arbeitet. Der setzte sich dafür ein, dass Schöck eine Chance auf ein Praktikum erhielt. Und Kurt Vogl, Personalleiter von Raiffeisen-Leasing, machte in seiner Abteilung einen Schreibtisch frei. Seit 15. Februar gab Schöck Personaldaten in ein Personalverrechnungssystem ein – und bewährte sich dabei in jeder Hinsicht. „Ich bin froh, wie gut sich der Martin im Haus entwickelt hat“, sagt Vogl. Die Kollegen vom Fuhrparkmanagement wollten ihn darauf gerne fix engagieren. „Wenn diese Eingliederung funktioniert, ist es ein toller Erfolg.“
Kaum Bewerbungen
Dass Raiffeisen-Leasing sich so einer Herausforderung bisher gar nicht stellen musste, liege auch an fehlenden Bewerbungen von Menschen mit körperlichen Handicaps, sagt Vogl. Von den rund 340 Personen, die bei Raiffeisen-Leasing in Österreich beschäftigt sind, haben drei eine Behinderung – darunter fallen auch die äußerlich unsichtbaren Behinderungen wie Diabetes.
Kurt Vogl ist seit 2007 Personalleiter bei Raiffeisen-Leasing, vorher arbeitete er bei zwei anderen Unternehmen in einer ähnlichen Position und davor bei einem Personalberater. In seiner rund zehnjährigen Tätigkeit im Human Ressources-Bereich habe er kaum mehr als drei Bewerbungen von Menschen mit – sichtbaren – Behinderungen erhalten. Vielleicht, so Vogls Mutmaßung, weil sich Menschen, die gemäß Behinderteneinstellungsgesetz zum Kreis der begünstigten Behinderten zählen, gar nicht in genügendem Maße bewerben. Vielleicht aus Angst, sowieso keine Chance auf einen Job zu haben. Denn für Unternehmen sei es wegen des erhöhten Kündigungsschutzes von Menschen mit Behinderungen tatsächlich schwer, ihnen eine Anstellung anzubieten.
Status-Verweigerer
Auf so ein Risiko hat sich Martin Schöck gar nicht erst eingelassen. Trotz seiner schweren Behinderung hat er sich nicht um den Status eines begünstigten Behinderten bemüht. „Weil ich das nicht möchte“, sagt er. „Denn dann wäre es mir fast unmöglich, einen Job zu bekommen, da die Firma mich quasi ewig behalten müsste.“
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.