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Rubrik: Lesen statt Hören
19. Dezember 1998

Bildung und Ausbildung

von Gerhard Wagner, Katharina Irsa, Petra Pich

Gerhard Wagner: Na, der Direktor sagt: »Das überlass ich Ihnen, Frau Kollegin!«

Studentin: Pff, kommt darauf an, ob ich eine Ausbildung habe oder nicht und ob ich dami umgehen kann, das weiß ich ja jetzt noch nicht.

Gerhard Wagner: Du würdest im Fall des Falles, je nach Schwere der Behinderung, vor allem bei geistiger Behinderung, eine Sonderschullehrerin oder einen Sonderschullehrer bekommen. Und im Fall eines körperbehinderten Kindes nicht.

Studentin: Ein körperbehindertes Kind würde ich auf jeden Fall nehmen!

Gerhard Wagner: Nehmen wir an, dass es einmal darum geht, aber dann muss man halt darauf schauen, dass es die räumlichen Zugänge gibt.

Studentin: Wir haben in der Schule zum Beispiel eine Kollegin gehabt, die hat auf einer Sprachreise einen Unfall gehabt, und sie ist jetzt auch gelähmt, und da hat die Schule dann einen Aufzug gebaut.

Moderation, Petra Pich: Für Dorothea Brozek gab es auch in der Oberstufe keine zugängliche AHS, daher ging sie dann in die Handelsakademie in Wiener Neustadt.

Mag. Dorothea Brozek: Die HAK in Wiener Neustadt, die hat das, finde ich sehr gut managen können. Es gab da ungefähr tausend Schüler, davon hatten meistens ungefähr zehn Schüler eine Behinderung. Die haben sich damals nicht groß das Integrationsmascherl umgehängt, sie haben wirklich ganz einfach Integration gelebt und das Beste für alle Schüler gemacht.
Praktisch hat das so ausgesehen, dass ich bei Wandertagen immer mitgehen konnte. Wir haben es so abgestimmt, dass wir nicht in die Berge zum Klettern gegangen, sondern etwa in die Weinberge, sodass ich da auch mitfahren konnte.
Ich habe natürlich auch von mir viel hergeben müssen: Am Anfang musste ich viel zugehen und viel erklären, und am Anfang gab es auf beiden Seiten Berührungsängste, aber das ist ganz gut gegangen.

Studentin: Das Gespräch mit der Dorothea hat mich insofern beeindruckt, weil ich mich davor mit Behindertenintagration nicht eingehend beschäftigt habe. Ich habe das immer so abgetan. Ich bin jetzt immer noch nicht ganz überzeugt von dem Ganzen, aber sie hat mich in ihrer Art beeindruckt und auch, dass man es auch aus ihrer Sichtweise sieht und die Probleme, die eigentlich schon zum Nachdenken sind, weil man immer denkt, man wird nie damit konfrontiert, weil man selbst sowieso nicht behindert ist...

Moderation, Katharina Irsa: Dorothea Brozek setzt sich für Integration von behinderten Kindern ein:

Mag. Dorothea Brozek: Naja, man könnte ja meinen: Die Welt ist so grausam und Kinder sind so grausam und die spotten dann die behinderte Kollegin aus oder schließen sie nicht ein. Deshalb, so sagen manche, wäre es ja viel besser, wenn sie geschützt sind, solange es geht, und dass sie unter sich sind mit anderen behinderten Kindern.
Das ist eine Meinung, die ich nicht nicht vertrete. Denn was man von Kindheit an nicht lernt, lernt man dann später viel, viel schwerer oder gar nicht mehr.
Wenn jetzt Kinder gemeinsam in die Schule gehen können, dann haben alle etwas davon, denn irgendwann bleibt es ihnen sowieso nicht erspart.Denn ist ja absurd, wie es früher war: Neun Schuljahre sind wir getrennt, und dann fänft das große Dilemma an...
Ich weiß ja, wie das gelaufen ist. Irgendwann war die Aufregung da, jetzt geht es hinaus, in die große weite Welt und jetzt muss man dann auf einmal alles lernen, wie das zusammen mit nicht behinderten Menschen ist, und wie es ist, selbständig zu sein... und jetzt aufeinmal - nach neun Jahren geschützter Glocke!
Es ist ja wirklich fast absurd - und dann stürzen sich alle Experten auf die behinderten Jugendlichen und wollen sie eingliedern. Dieses System erscheint mir nicht effizient! Es ist viel effizienter, wirklich von Geburt an mit den Unterstützungsmöglichkeiten, die man braucht, in der Gesellschaft leben zu können oder auch gemeinsam in die Schule gehen zu können.
Es wird viel weniger Berührungsängste geben und das Thema wird einfach nicht mehr so ein Thema sein wie jetzt.
Damit das aber natürlich gut abläuft, müssen die notwendigen Rahmenbedingungen in den Schulen passen! Da ist es natürlich nicht damit getan, dass man einfach vier Kinder mit Behinderungen in die Klasse setzt - und fertig! Also es wird Kinder geben, die zusätzliche Lehrer brauchen und sonstige Unterstützung.


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