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.Bildungsstopp und Urlaubssperre - Neue PAA-Richtlinie benachteiligt Assistenznehmer?
Seit dem 1. Jänner 2008 ist eine neue Richtlinie zur Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) in Kraft. Demnach wird Persönliche Assistenz für Schulausbildungen nicht mehr gewährt. Ist das tatsächlich das Aus für bildungshungrige Jugendliche mit „hohem“ Assistenzbedarf? Freak-Radio im Gespräch mit Dorothea Brozek…
Alles wird schlechter?
Bereits vor der Überarbeitung der Richtlinie hat das Netzwerk Persönliche Assistenz eine Expertise verfasst und diese dem Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) zugesandt. Im Netzwerk Persönliche Assistenz des Bundesverbandes Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ) sind alle relevanten Anbieter von Persönlicher Assistenz in Österreich vertreten.
Bislang gab es leider keinerlei Reaktionen auf das SLIÖ Schreiben. Die Kernpunkte des Papiers seien bei der Richtlinienüberarbeitung kaum berücksichtigt worden, meint die Sprecherin des Netzwerks Dorothea Brozek.
Nach Erscheinen der überarbeiteten Richtlinie habe das Netzwerk Persönliche Assistenz Minister Erwin Buchinger um einen Gesprächstermin gebeten, um eine weitere Anpassung bzw. Korrektur der Richtlinie zur PAA anzuregen.
Die Kritik des Netzwerks Persönliche Assistenz an der Richtlinienänderung bezieht sich zum einen auf die Verschlechterung der Situation von SchülerInnen ab der 9. Schulstufe und zum anderen auf die halbherzige Regelung von Persönlicher Assistenz während dienstfreier Zeiten, wie etwa Urlaub, Krankenstand und Reha.
PAA für SchülerInnen gestrichen
Der vorherigen Richtlinienfassung folgend konnte die PAA auch in berufsbildenden und höheren Schulen für behinderte Menschen eingesetzt werden. Diese Leistung ermöglichte somit vor allem jungen Frauen und Männern mit höherem Assistenzbedarf den Besuch einer weiterführenden Schule.
Mit 1. Jänner 2008 kam es zu einer Richtlinienänderung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz (PAA). Diese regelt, dass der Schulbereich nicht in die Kompetenz des BM für Soziales und Konsumentenschutz fällt. Deshalb seien Förderungen für Persönliche Assistenz zur Absolvierung einer Schulausbildung nicht länger zu gewähren. Bestehende Förderungen für SchülerInnen können bis zum Abschluss der Schulausbildung weiter gewährt werden.
Da es im Schulbereich keine alternativen Unterstützungsleistungen für Jugendliche mit erhöhtem Assistenzbedarf gäbe, bleibt zu befürchten, dass jenen SchülerInnen künftig eine weiterführende Ausbildung verwehrt bleibt, sorgt sich Dorothea Brozek. Dies würde nach Ansicht der Behindertenaktivistin einen massiven Rückschritt für die schulische Integration bedeuten. Es wäre eine offenkundige Benachteiligung und Diskriminierung von Jugendlichen mit Behinderung und eine massive Beeinträchtigung ihrer Berufschancen.
Die Richtlinienänderung schränkt die Wahlfreiheit zwischen Lehre und/oder berufsbildender bzw. höherer Schul(aus)bildung ein. Außerdem wird durch diese Änderung das Ablegen der Matura unnötig erschwert, was das weiterführende Studium und damit den beruflichen Aufstieg bremst.
Die vollzogene Änderung widerspricht dem eigentlichen Ziel der Richtlinie, die ausdrücklich festhält, dass durch die PAA die Absolvierung einer Ausbildung sichergestellt werden soll.
Nach derzeitigem Stand müssen AssistenzServiceStellen SchülerInnen mit Behinderung und deren Eltern darauf hinweisen, dass die Absolvierung einer Schulausbildung aufgrund fehlender Persönlicher Assistenz im Schulbereich nicht (mehr) sichergestellt ist.
Krank in die Arbeit?
Husten, Schnupfen, Cholera – Assistenz ist nicht mehr da. So könnte nach Meinung der AssistenzServiceStellen das Horrorszenario lauten, mit dem sich AssistenznehmerInnen künftig konfrontiert sehen. Die neu geschaffene Förderung von Assistenzstunden in dienstfreien Zeiten, wie Krankenstand, Urlaub und Reha, sei grundsätzlich zu begrüßen, sagt Brozek. Laut überarbeiteter Richtlinie sind für derartige Situationen jedoch nur 4 Wochen jährlich vorgesehen. Dies wird wohl nicht reichen, haben doch ArbeitnehmerInnen Anspruch auf 5 Wochen Urlaub im Jahr. Für Krankenstand und Reha bliebe dann nichts mehr übrig. Dies diskriminiere behinderte ArbeitnehmerInnen, meint die Netzwerksprecherin.
Forderungen des Netzwerks für Persönliche Assistenz
In seiner Stellungnahme fordert das Netzwerk Persönliche Assistenz des Bundesverbandes Selbstbestimmt Leben Österreich – SLIÖ daher:
- Die SchülerInnen ab der 9. Schulstufe sind wieder in die RL der PAA aufzunehmen.
- Durchgängige Förderung von PAA auch für dienstfreie Zeiten wie Krankenstand, Reha, Urlaub die während eines Arbeitsjahres anfallen (können).
- Kompetenzstreitigkeiten dürfen nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden. Im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichen Assistenz braucht es eine PAA-Richtlinie, die für die AssistenznehmerInnen mit den jeweiligen Länderfinanzierungen vereinbar ist.
- One-Stop-Lösungen: Künftig muss es nur noch einen Ansprechpartner für Persönliche Assistenz geben, egal ob für Arbeit/Ausbildung oder für den Alltag.
Es brauche daher dringend eine bundeseinheitliche Regelung für Persönliche Assistenz, die von ihrem Grundverständnis her ALLE Lebensbereiche umfassen muss und sich an skandinavischen Modellen orientiere.
Die AssistenzServiceStellen, die im Netzwerk Persönliche Assistenz organisiert sind, sowie jene VertreterInnen von Selbstbestimmt Leben Österreich müßten als ExpertInnen in eigener Sache in die weitere Entwicklung und Optimierung der Persönlichen Assistenz mit ein bezogen werden.
Das Netzwerk Persönliche Assistenz zeigt sich zwar erfreut über die nun in Kürze stattfindenden Gespräche im Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz. Gespräche auf allen Ebenen seien wichtig. Bundesminister Erwin Buchinger werde an seinen Taten gemessen, dann werden wir sehen, ob die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung mehr wert ist, als ein Stück Papier, welches unterschrieben wurde, betont Dorothea Brozek, Sprecherin des Netzwerkes Persönliche Assistenz im Freak-Radio Interview.