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.Damit Dein Tod nicht umsonst war ...
Wir berichten über den "Fredi", der in einer Wohngemeinschaft gelebt hat. Zu Weihnachten 2003 ist er plötzlich an einer leichten Grippe gestorben. Was waren die Gründe für seinen Tod? Und was erzählen die Leute über ihn, die ihn gekannt haben?
»Jeder hat sich gefreut, wenn er da war«
Die Kolleginnen in der Werkstätte denken sehr gerne an ihn: »Ich habe ihn nur sehr flüchtig gekannt, aber was ich so von ihm gehört habe, war er eigentlich ein netter Bursch. Er ist sehr gerne essen gegangen.«
»Ich finde auch, dass der Alfred ein sehr lieber Mensch war. Und das hat mich auch sehr getroffen, dass er nicht mehr da ist. Ich habe ihn recht lieb gefunden.« »Der Alfred war ein total lieber und umgänglicher Mensch. Man hat sofort gewusst, wenn er da ist – er war einfach da, es hat jeder im Haus gewusst, wenn er da war und es hat sich ein jeder gefreut. Denn der Alfred war einfach der Alfred.
»Das Essen hat für ihn eine sehr große Bedeutung gehabt«, berichtet der Koch: »Die erste Frage, wenn wir uns gesehen haben, war immer: Was gibt´s heute zu essen? Ja, und wenn es ihm geschmeckt hat, hat er mich umarmt, hat mich gedrückt und hat sich gefreut. Also ich kann wirklich nur das Beste über ihn sagen: ein sehr, sehr lieber Kerl – und es ist schade, dass er nicht mehr bei uns ist!
Fredis Kindheit
Der Mutter fällt es sehr schwer, nur wenige Tage nach seinem Begräbnis von ihm zu erzählen. Immer wieder muss sie weinen:
Ich hab den Fredi sehr gern gehabt, er war mein Alles! Und er hat mich auch sehr gern gehabt!
Sie erzählt, dass er bei ihr und der Großmutter gelebt hat, bis er sechs Jahre alt war. Dann sind alle nach Wien gekommen. Im Kindergarten wurde festgestellt, er wird behindert sein – und so ist er in ein Heim gekommen.
Als er über 20 Jahre alt war, hat ihn auch eine Freundin der Mutter kennen gelernt. Sie berichtet davon, dass er groß war, aber einen ungepflegten Eindruck gemacht hat: mit zotteligen Haaren und schmutziger Kleidung. Er hat gerne junge Frauen geneckt (mit Schabernack), und er hat gelacht, wenn sie reagiert haben. Die anderen hat er in Ruhe gelassen. – Und wenn er zu essen bekommen hat, war er glücklich.
In der Wohngemeinschaft ist er oft vor seiner Wohnung gestanden: Er hat geschaut, wer geht da ein, wer geht da aus. Er war sehr freundlich und hat immer wieder nette Bemerkungen gemacht. »Es geht mir gut«, hat er oft gesagt. Oder wenn man ihn gefragt hat, ob er schon etwas gegessen hat, hat er immer wieder gelächelt. Jeder weiß, dass er sehr gerne gegessen hat. Also das war das Lieblingsthema.
Essen: am liebsten viel
Am Schluss hat Alfred Kous, also der »Fredi«, 172 Kilo gewogen. Das hat natürlich auch zu seinem Herztod beigetragen.
Hat denn niemand versucht, ihn vom Essen abzubringen, damit er abnimmt?
Die Nachbarn der Umgebung haben eine einfache Erklärung: Sowohl die Wohngemeinschaft als auch die Mutter wollten, dass der Fredi weniger isst. Aber er hat sich offenbar die Mahlzeiten selbst organisiert.
Eine Verkäuferin berichtet: »Er ist in unser Geschäft und auch zu anderen gekommen und hat überall Nähe gesucht: »Hast was zum Essen, hast was zum Trinken?«
Da hat man ihm natürlich immer etwas gegeben. Bis eines Tages jemand vom Heim gekommen ist und gesagt hat, wir dürfen ihm nichts mehr geben!
Doch er hat überall etwas bekommen. Er ist dann mit den Krapfen vom Mann-Brot gekommen ... vom Würstelstand hat er dann Pommes oder Würstel mitgebracht. Dann hat er auch Geld geschnorrt (gebettelt), damit er sich etwas kaufen kann. Auch die Mutter hat erklärt: Wir dürfen ihm nichts mehr zum Essen geben, weil er schon so dick ist! Naja, er ist ja wirklich sehr dick geworden!«
Selbstbestimmt oder ungepflegt?
Es war für alle Betroffenen nicht leicht. Die Mutter wollte ihrem Sohn etwas geben, was er gebraucht hat: Wenn sie ihm also die Haare gekämmt hat, dann hat die Heimleitung gesagt, dass das der Fredi selbst machen kann. Aber die Mutter beklagt sich, dass niemand darauf geschaut hat, ob er sich dann auch wirklich kämmt. So hat es viel Streit zwischen der Mutter und dem Heim gegeben und der »Fredi« war dazwischen.
Wenn jemand anderer dabei war, berichtet die Mutter, hat er zwar oft gesagt: »Es geht mir gut«, aber wenn nur sie bei ihm war, hat er immer wieder gesagt: »Mama, das Leben ist schwer!«
Im Hundekot
Auch seine Ausflüge hat Alfred Kous meist ohne Begleitung unternommen: Die Verkäuferin schildert, dass er sich auf der Straße gewälzt hat, »und zwar auf der Quellenstraße, direkt, wo die Straßenbahnen fahren! Und auch zwischen den Parkplätzen!« Die Verkäuferin hat ihn in einer Hundezone vor ihrem Geschäft beobachtet: »Dann hat er das Ganze in die Hände genommen und hat es sich auch zum Mund zugeführt.« Das könnte ein Grund sein, warum der Alfred Kous sehr krank an seiner Leber geworden ist. Hätte man vermeiden können, dass der »Fredi« so dick geworden ist und den Kot von der Hundezone isst?
Die Verkäuferin ist sich ganz sicher: »Ja! Wenn irgend jemand mitgegangen wäre! Man hätte ja nur irgendeinen Betreuer mitschicken müssen, der ihn in die Arbeit gebracht hätte. Und jemand hätte ihn von der Arbeit wieder holen und heimbringen müssen! Daheim hätte man ihn halt nur mit Betreuung spazieren gehen lassen dürfen! Dann hätte er sich nicht ständig Essen organisiert!«
In der Kälte nicht genug angezogen
Vielleicht war an seinem Tod auch schuld, dass er zu wenig anhatte: Kurz vor Weihnachten 2003 war der Alfred Kous zum letzten Mal im Geschäft, berichtet die Verkäuferin: Er war schmutzig und zum Essen durfte er schon lange nichts bekommen. Daher hat ihn die Verkäuferin wieder weggeschickt: »Er war wieder sehr schmutzig. Und ich muss sagen: Er hatte keine Jacke an. Er hatte einen dünnen Pulli und eine Latzhose – und es war saukalt draußen!«
Ein paar Tage später ist Alfred Kous an einer Erkältung gestorben. Er hat hohes Fieber gehabt und sein Herz ist einfach stehen geblieben. Das war für alle eine schreckliche Überraschung: Für die Heimleitung, für die Nachbarn, für die Bekannten, selbst der Arzt hat niemals damit gerechnet. Aber am schrecklichsten war der Tod für die Mutter: Denn sie wollte ihrem Sohn in der Früh eigentlich die Weihnachtsgeschenke bringen. Aber dann wurde sie beiseite genommen: Sie war schon sehr aufgeregt, und dann hat sie erfahren, dass ihr Sohn tot ist.
»Ich hab dich auch lieb«
Noch am letzten Tag war sie bei ihm: »Er hat gesagt, Mama, mir tut der Kopf so weh! Er hat ganz rote Augen gehabt.« Dann hat er gefragt: »Hast du mich lieb?« »Natürlich hab ich dich lieb!« »Ich dich auch!« Und das war sein letztes Wort, erzählt die Mutter weinend.
Was nun wirklich der Grund für seinen Tod war, werden wir wahrscheinlich niemals genau wissen.