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Rubrik: Leichter Lesen
05. Februar 2004

Das österreichische Heimgesetz 2004

von Franz Hoffmann und Gerhard Wagner

Seit 2004 gibt es ein Heimgesetz, das in ganz Österreich gilt. Früher hat jedes Bundesland eigene Regeln gehabt. Durch ein Urteil des Höchstgerichts ist jetzt klar: Es gelten nicht die Gesetze der Bundesländer. Was wurde nun im neuen Gesetz beschlossen?

Universitätsprofessor Dr. (Doktor) Michael Ganner von der Universität Innsbruck hat schon viel Wissenschaftliches geschrieben. Ein Buch hat geheißen: »Alter, Recht und Gesellschaft«. Darin hat er untersucht, wie es im Jahr 2000 in Österreich ausgesehen hat. Professor Ganner hat gefunden, dass es in Heimen viel zu ändern gibt.

Frau Gerda Ressl, die Vorsitzende des Vereins Behinderten-Ombudsmann (Vertrauensperson) berichtet, dass sie immer wieder von Leuten angesprochen wird, die sich Sorgen um Angehörige im Heim machen.

Frau Susanne Sklenicka hat eigene Erfahrungen: Ihr Bruder ist im Heim. Sie ist selbst für behinderte Menschen tätig.

Waltraud Wiesinger lebt seit ihrem 6. Lebensjahr in Heimen: »Aber wohlgefühlt habe ich mich nie«, sagt sie. Sie hat es jetzt geschafft, ihr eigenes Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Für den eigenen Lebensraum

Es gibt viele verschiedene Heime: für alte Leute, für psychisch behinderte Menschen oder Leute mit Lernbehinderungen.

Waltraud Wiesinger beschwert sich, dass sie sich nicht wohl gefühlt hat, weil sie immer in Gruppen weggehen musste. Dann ist es besser geworden. Jetzt steht sie auf eigenen Beinen und lebt mit ihrem Lebensgefährten zusammen.

Gerda Ressl spricht von Menschen, die nicht mehr zurückfinden, oder die sich im Verkehr verirren würden. Da ist es sehr schwierig. Einerseits dürfen sie nicht eingesperrt werden. Auf der anderen Seite muss man verhindern, dass sie einen Unfall haben.

"Wie die Viecher im Tiergarten"

Frau Sklenicka hat einmal in einem Heim etwas Schreckliches gesehen: Sie wollte nach einer Krankenschwester suchen. Da ist sie in hintere Räume gekommen. Sie hat 18 Gitterkäfige gesehen.
Drinnen waren Kinder, die »wie die Viecher in Schönbrunn an Stangen gehangen sind oder mit den Köpfen dagegen geschlagen haben.? Das war in den späten 70er-Jahren.

Sie selbst ist jetzt auch Betreuerin und weiß, dass es sehr schwierig ist, für wenig Geld gute Arbeit zu machen. Die Mittel sind zu wenige, deshalb wird es einem schwer gemacht.

Heimvertrag und Sicherheit im Heim

Es gibt zwei neue Gesetze: Die bestimmen, wie man mit Heimbewohnern umgehen soll:
Es gibt das Konsumenten-Schutz-Gesetz:
Ein Konsument ist Kunde. Der Kunde hat Rechte. Früher hat es geheißen: Der Kunde ist König. Jetzt regeln das Gesetze. Auch Heimbewohner sind Kunden. Im Konsumentenschutzgesetz steht, dass Kunden gleichberechtigte Vertragspartner sind.

Dann gibt es das Heim-Aufenthalts-Gesetz:
Im Einzelfall muss entschieden werden, was die Bewohner besser schützt: Sicherheit oder Freiheit.
Die Wissenschaft hat erwiesen, dass Menschen, die eingesperrt sind, sogar sterben können. Auf der anderen Seite kann es auch lebensbedrohlich sein, wenn es keine Sicherung gibt. Das hat Freak-Radio kurz davor gezeigt. (Siehe ?Damit dein Tod nicht umsonst war? )

Wie gut ist das neue Heimgesetz?

Franz Josef Huainigg, der Behindertensprecher der ÖVP, meint: Nur dann, wenn Menschen sich selbst oder andere gefährden und vielleicht verletzen können, dann soll die Freiheit eingeschränkt sein. Jedenfalls ist der persönliche Freiraum der Menschen zu beachten. Damit darf es nicht mehr passieren, dass Menschen wegen Überlastung der Krankenpfleger in Netzbetten gefangen oder an Sessel gefesselt werden. Dafür soll es auch einen Bewohnervertreter geben. Der soll die Interessen der Betroffenen vertreten.

Die ebenfalls behinderte Abgeordnete der Grünen, Theresia Haidlmayr, hat sich gewünscht, dass ein Richter entscheiden soll, ob Leute eingesperrt werden oder nicht. Denn sie fürchtet, dass das in den Heimen zum Schaden der Menschen ausgenutzt wird.

Der Universitätsprofessor Ganner aus Innsbruck meint, dass es sehr viele Leute gibt, denen das passieren kann. Deshalb hat man beschlossen, Richter nur auf Vorschlag der Bewohnervertreter einzuschalten.

Universitätsprofessor Ernst Berger aus Wien findet, dass die Lebensgestaltung erstmals in Gesetzen erwähnt wird. Die individuelle Freiheit und die notwendige Unterstützung sind beide wichtig. Er findet, dass das im Gesetz gut gelöst ist.

Es muss Gründe für die Einschränkung der Freiheit geben. Außerdem müssen das Leute beurteilen, die sich auskennen. Das muss aber zeitlich befristet sein.

Was tun, wenn Leute weglaufen?

Frau Sklenicka hat auch in einem Altersheim gearbeitet. Man durfte nicht zusperren, obwohl 10 bis 15 Leute durch das Zentrum gelaufen sind. Deshalb musste die Türe ständig beobachtet werden. Die Leute mussten immer wieder eingefangen werden.

Gerda Ressl schlägt eine Art »Piepserl« vor, damit man weiß, wo die Leute sind.

Professor Ganner sagt: Wenn Leute weglaufen, wenn sie gegen andere gewalttätig werden oder wenn sie Dinge tun, die niemand mag, dann hat das einen Grund. Wenn man den kennt, weiß man leichter, wie man das vielleicht verändern kann. Aber oft gibt es zu wenig Betreuung. Und das führt zu diesen Gefahren. Auch er stimmt zu, dass es Systeme geben soll, durch die die Leute leichter gefunden werden.

Bewohnervertreter

Die Bewohnervertreter werden beim Verein für Sachwalterschaft aktiv tätig. Dieser ist der einzige Vertreter, es gibt keine andere Einrichtung, die Vertreter bestimmen kann oder die das kontrollieren kann.

Jeder kann eine Vertrauensperson wählen, auch Angehörige. Diese können sich an verschiedene Stellen wenden, wenn sie der Meinung sind, es gibt Miss-Stände.

Gerda Ressl vom Verein Behindertenombudsmann möchte eine zentrale Stelle, an die man sich wenden kann. Sie hofft auf einen Klagsverband, damit sich etwas tut. Denn lange war niemand zuständig, obwohl es Verantwortungen gab.

Muster-Heimverträge

Im neuen Heimvertragsgesetz wird geregelt: Es muss klar sein, welche Leistungen man bekommen muss und wie viel es kosten darf. Wenn die Leistung nicht erbracht wird, kann man auch Geld zurück verlangen. Wer kündigen will, muss einen wichtigen Grund nennen, damit die Leute nicht auf der Straße stehen.

Frau Sklenicka hat das Gefühl, dass es ein gutes Gesetz geben wird, dass aber das Geld vielleicht fehlen wird. Wozu ist es dann gut? Was hilft es mir in der Praxis, wenn ich nur klagen kann?

Auch Gerda Ressl findet, dass Praxis und Theorie verschiedene Dinge sind. Der Professor aus Innsbruck, Michael Ganner, ist sicher, dass sich etwas verbessern wird. Die Vertretung der Menschen durch Verbandsklage würde Professor auch begrüßen. Eine Verbandsklage gibt es erst durch das Gleichstellungsgesetz 2006.

Sendungsverantwortlich: Gerhard Wagner


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