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.Der deutsche Innenminister im Rollstuhl
Seit dem 22. November 2005 hat Deutschland nicht nur die erste Bundeskanzlerin, eine Frau aus Ostdeutschland, nämlich Angela Merkel. - Sie hat auch einen Innenminister, der den Rollstuhl benutzt, nämlich Wolfgang Schäuble. Doch ist das eine Sensation?
Als 1997 David Blunkett in Großbritannien zum Erziehungsminister im ersten Kabinett Blair geworden war, da gab es in der Tat eine Sensation: Ein blinder Minister! Für Freak-Radio hat am 29.5.1997 übrigens der derzeitige österreichische Nationalratsabgeordnete Franz Josef Huainigg darüber berichtet. Mittlerweile ist der glücklose Blunkett vor wenigen Tagen bereits zum zweiten Mal wegen zweifelhafter Vorgehensweisen aus dem Minister-Amt gedrängt worden.
Doch nun kommt Wolfgang Schäuble als Innenminister in Deutschland. Dieses Kommen ist jedoch keineswegs so spektakulär, keineswegs so Aufsehen erregend. Warum?
Zum einen war Wolfgang Schäuble schon einmal Innenminister, nämlich von 1989 bis 1991 unter Helmut Kohl. Damals war er unter anderem für den Einigungsvertrag mit der damaligen DDR zuständig, der zur Wiedervereinigung führte. Und just in diese Zeit fiel auch ein großer Einschnitt in Schäubles Leben, ein Attentat, das 1990 zur Lähmung ab dem 3. Brustwirbel geführt hat. Eine Tatsache übrigens, die im Text seiner offiziellen Biographie nicht erwähnt wird. Nur auf den Bildern seiner Homepage sieht man, dass Wolfgang Schäuble seitdem den Rollstuhl benutzt.
Doch auch dieses Attentat eines psychisch behinderten Fanatikers konnte die Karriere des in Freiburg im Breisgau geborenen Juristen Schäuble, der seit 1972 für die CDU im Deutschen Bundestag sitzt, nicht unterbrechen: 1991 wird er Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; 1998, nach dem Ausscheiden Helmut Kohls auch CDU-Vorsitzender.
Und das mag einer der Gründe sein, warum man vielleicht das jetzige Ministeramt als weniger spektakulär empfindet: Immerhin durfte sich Schäuble damals, als Oppositionsführer gegen den neuen Bundeskanzler Schröder, gute Chancen ausrechnen, der erste Bundeskanzler Deutschlands zu sein, der das Land vom Rollstuhl aus managt.
Doch es kam anders: Ein Parteispendenskandal der Ära Kohl kostete Schäuble den Vorsitz in Partei und Fraktion. Der Rest ist bekannt: Angela Merkel kam - zunächst als CDU-Vorsitzende, dann als Fraktions-Chefin und nun als Bundeskanzlerin.
Kein spektakulärer Antritt des Innenministers Schäuble also, keine Vorschusslorbeeren, so wenig für ihn so wie auch für die in Deutschland ungeliebte große Koalition. Aber das ist vielleicht kein schlechter Anfang.
Es bleibt abzuwarten, ob die Tatsache, dass es im Deutschen Kabinett einen Rollstuhlfahrer gibt, auch Auswirkungen auf die Politik für Menschen mit Behinderungen hat. Wobei man diesen Hoffnungen angesichts der herrschenden Spargesinnung wenig Chancen gibt.
Also wohl doch keine Sensation...?