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Rubrik: Lesen statt Hören
23. April 2000

Der Flirt

von Mag. Dorothea Brozek

Freak-Radio: Hier könnte man die Behinderung als Joker bezeichnen, denn Du hast gesehen, dass er mit seinen Händen nicht gut greifen kann. Somit hast Du ihm die Schnitte neckend in den Mund gesteckt. Würdest Du das, Behinderung als Joker einsetzen, bezeichnen?

Katharina: Nicht gerne, aber ja.

Freak-Radio: Wie ist das bei Dir, Walter? Kennst Du solche Situationen, wo man vielleicht auch mit der Behinderung spielt, um Kontakt aufzunehmen?

Walter: Ich denke schon. Es ist aber so, dass Flirten immer gleich mit einer näheren Kontaktaufnahme gleichgesetzt ist. Nachdem Kathi weniger gerne spricht, hätte sie Probleme, mit mir anzubandeln, weil ich erst dann weiß, das sie da ist, wenn sie mit mir redet. Es könnte also eine Schwierigkeit werden, diese Barriere zu überwinden. Wenn sie es aber geschafft hat, funktioniert das ganz gut, oder?

Katharina: Ja. Wir könnten schon loslegen.

Freak-Radio: Gut, dann machen wir Pause mit Musik.

Musik

Freak-Radio, Dorothea Brozek: Sie hören Freak-Radio auf Mittelwelle 1476, heute aus dem Radiocafé in Wien. Im Duden fand ich zum Stichwort »Flirt«: Spielerische Form der erotischen Werbung, Liebesgeplänkel, harmlose, erotische Kontaktaufnahme. Wir haben einen Herrn aus dem Publikum, der dazu etwas sagen möchte.

Gast 2: Grüß Gott, mein Name ist Hubert. Da fielen Worte, wie: »Ich kann nicht Kontakt aufnehmen, weil ich blind bin«, »Ich kann nicht Kontakt aufnehmen, weil ich im Rollstuhl sitze.« Ich glaube, dass eine Behinderung viele Vorteile bietet. Warum? Ich darf auf Peter Sallas zurückgreifen, der sagte: »Ein Flirt ist wie ein Zug ohne Fahrplan.« Wenn man irgendwie behindert ist, kann man eigentlich relativ unverschämt flirten, weil Niemand das Resultat einfordert. Man weiß ja: Um Gottes Willen, der ist behindert, der ist krank.

Ich beispielsweise habe MS. Ich kenne die Statistiken, die es über männliche MS-Kranke gibt. Das bedeutet: Ich gehe in einen Flirt relativ unbeschwert hinein. Ich denke mir: Wer wird sich für einen 59jährigen interessieren? Und daher flirte ich ganz unverschämt. Es wird Niemand das einfädeln, was ich da andeute. Ich stehe allerdings da, wenn Irgendeine einmal »ja« sagt. Das wird mir hoffentlich nie passieren. Ich wollte nur sagen: Behinderung jeder Art bietet eine ganze Menge von Vorteilen. Man kann unbeschwert flirten.


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