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.Die neue Ethikkommission
Freak-Radio: Vielleicht darf ich hier ergänzen, was die Diagnostik betrifft: In Deutschland gibt es eine ähnliche Organisation wie in Österreich, nämlich den Bioethikrat, und da hat die Soziologin, Theresia Neuer-Mierbach, die diesem Rat angehört, kritisiert, dass es in der Präimplantatsdiagnostik eine Art genetische Qualitätskontrolle geben soll, denn das ist ja auch eine Frage der Selektion, denn wenn ich bestimme, dann sage ich: Diejenigen nicht, und andere schon. Ist solch ein Thema auch Gegenstand der Diskussionen im österreichischen Bioethikrat?
Univ-Prof. Gerhard Luv: Ja, die Frage der Implantantionsdiagnostik wird sicher auch eine wesentliche Frage sein, womit sich diese Ethikkommission beim Bundeskanzleramt zu beschäftigen hat, und das ist eine sehr wichtige und schwierige Herausforderung: Bei der Prae-Implantations-Diagnostik geht es ja darum, dass im Zusammenhang mit eier In-vitro-Fertilisation dieser Embryo mit bestimmten Methoden untersucht werden soll. Daraufhin stellt wird festgestellt, ob bestimmte erbliche Belastungen, etwa schwere Erbkrankheiten gegeben sind, und dann stellt sich die Frage, ob dieser Embryo nun implantiert wird - und allenfalls eben nicht. Da gibt es sehr unterschiedliche Positionen: Die einen sagen aus individualethischer Sicht: Solch eine Implantation ist doch eine aufwändige Angelegenheit, da wollen wir sicher gehen, dass das auch in Ordnung ist. Aber von den Kritikern, und ich würde mich meinerseits diesen eher anschließen, wird immer wieder darauf verwiesen, dass gerade bei dieser Präimplantationsdiagnostik die selektive Komponente eine wichtige Rolle spielt: Dass man gerade um bestimmter Kriterien willen verwirft oder nicht verwirft.
Freak-Radio: Ist das nicht ein Thema, das bei sehr vielen anderen Problematiken auch stellt: Nämlich die Frage der Selektion des Arztes. In der öffentlichen Meinung ist der Arzt einer, der heilt. Aber in sehr vielen Fragen, die sie auch in der Ethik-Kommission beschäftigen werden, ist der Arzt nicht ein Heiler, sondern der Arzt ist ein Entscheidungsträger über Leben oder Tod, über bestimmte Eingriffe oder Nicht-Eingriffe: Dass der Arzt über Existenz oder Nicht-Existenz entscheidet, ist eigentlich eine Rolle, bei der man sich fragen kann, ist das wirklich nur Aufgabe des Arztes? Ist es nicht eine Aufgabe, bei der er quasi Gott spielen muss, mutet man da dem Beruf des Arztes etwas viel zu?
Univ-Prof. Gerhard Luv: Das ist eine sehr wichtige Frage: Wenn Sie von einer Ethik des Heilens ausgehen, lasten man dem Arzt zum Beispiel in der Implantantionsdiagnostik und bei vielen anderen Sachen auch, Entscheidungen auf, die den Aspekt des Heilens natürlich überschreiten: Bleiben wir beim Beispiel der Implantantionsdiagnostik, da spielt es eine Rolle im Hinblick auf diese Form von Selektion, wobei man auch immer die Befürchtungen artikuliert, dass das ein Schritt in Richtung Eugenik sein könnte, zum Kind nach Maß: Dann weiß man ja nicht nur über Behinderungen Bescheid, sondern auch zunehmend über Eigenschaften relativ. Da wird immer wieder die Angst formuliert, und ich finde, die hat einiges für sich, dass dies das Einfallstor für eine eugenisch motivierte Selektion wird.