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.Dorothea Brozek - Ein Freak - Menschenbild
Weil es dort aber keine Hauptschule gab, nur eine Unterstufe, ging ich in die Waldschule bei Wiener Neustadt. Dort habe ich die Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang gemacht. Das Internat war notwendig, weil meine Mutter alleinerziehend und berufstätig war. Auf der persönlichen Ebene war es grundsätzlich das Beste für mich, was passieren konnte, weil ich Kontakt zu Gleichaltrigen hatte und mich von Mamas Schürze besser lösen konnte, was einem Einzelkind ja nicht immer leicht fällt. Das war absolut wichtig, gut. Das erste Internat habe ich sehr schlecht in Erinnerung. Das war sehr streng, sehr rigid.
Ich kann mich auch erinnern, dass ich als Ausländerkind von einer Schwester sehr schlecht behandelt worden bin. Auf der anderen Seite gab es auch viel Schönes. Dadurch, dass ich Klassenbeste war, bin ich zum Aushängeschild geworden: »Unsere kleine Polin kann so gut deutsch.« Ich war letztendlich sehr froh, dass ich dieses Internat verlassen konnte. Im Internat der Waldschule war es viel lockerer. Auf der persönlichen Ebene war es sehr gut. Rückblickend sage ich, dass Sondereinrichtungen für behinderte Kinder sicher nicht das Beste sind. Es ist gut, wenn man mit nicht behinderten Kindern in die Schule gehen kann. Was aber wichtig war für mich, dass ich mit anderen behinderten Kindern Kontakt hatte, sozusagen als Vergleich und Identifikation, es gibt auch andere Kinder. Bei aller integrativer Beschulung ist es dennoch wichtig, andere behinderte Kinder kennen zu lernen.
Ich war auch in der Hauptschule eine sehr gute Schülerin. Einmal ein Befriedigend in Physik im Halbjahreszeugnis war ein Drama. Die Lehrer haben immer gesagt, ich soll unbedingt studieren. Dann kam diese obligate Berufsberatung. Und dann kam die böse Überraschung, denn die Berufsberaterin, die mich zum ersten Mal gesehen hat - ich weiß ihren Namen bis heute und ich weiß auch noch, wie sie ausgesehen hat und wie sie gesprochen hat -, hat gemeint: Aufgrund der Tests, die vorliegen, bin ich so schlecht und aufgrund der Behinderung viel zu schwach und zu kränklich, dass ich nach der vierten Klasse das Poly machen und mich handwerklich in einer Werkstätte betätigen soll. Für mich und meine Mutter ist eine Welt zusammen gebrochen, denn wir haben uns überhaupt nicht mehr ausgekannt. Einerseits waren die Lehrer, die sagten, ich solle studieren, und andererseits eine sogenannte Expertin, die diese negative Meinung hatte.