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.Durchblick mit Sehbehinderung - Porträt eines Managers
Wenn ich heute ein Projekt habe - es gelingen ja auch bei uns etliche Projekte nicht - sage ich halt: »Okay! Das geht jetzt so nicht, aber was können wir aus dieser Situation machen? Was lernen wir daraus? Wie können wir anders damit umgehen? Welche andere »Opportunities«, welche anderen Chancen bietet uns die Tatsache, dass wir diesen einen Weg jetzt nicht gehen können?« Nicht in eine Krisendepression zu verfallen, wenn Dinge gerade nicht funktionieren. Ich wurde beim Land Tirol in den Landesdienst aufgenommen, weil ich zum Landesrat für Personal gegangen bin und gesagt habe: »Sie, ich habe eine Idee« - damals war gerade der AKH-Skandal - »Wir brauchen nicht nur deutsche und Schweizer BeraterInnen im Spitals- und Gesundheitsbereich. Bilden wir doch eigene ExpertInnen aus. Ich würde das gerne machen.« Damals gab es noch keine Ausbildungen dafür. Ich habe gesagt: »Wenn Sie mir im Land Tirol die Möglichkeiten schaffen, dann verspreche ich Ihnen, dass ich hart dafür arbeiten werde.« Mir ist Vertrauen geschenkt worden. Auch ein wichtiger Punkt in der Arbeitswelt: dass ArbeitgeberInnen einem Menschen mit einer Behinderung das Vertrauen schenken.
Ich erinnere mich noch gut an meine Einstellungsuntersuchung. Dass ich nicht viel lesen konnte, hatte sich davor schon herumgesprochen. Dann hat man versucht, diesen Rot-Grün-Test zu machen und das war natürlich für mich aufgrund des Sehvermögens schon von vorneherein nicht möglich, diese grünen Punkte zu erkennen. Der Amtsarzt hat dann gemeint: »Er sieht nichts, eine Rot-Grün-Schwäche hat er auch noch, aber zumindest hören tut er.« Trotzdem wurde ich genommen. Ich denke, ich habe meinen Job dort gut gemacht. Ich war Projektleiter für die Ausgliederung der TILAG – der Tiroler Landeskrankenanstalten Gesellschaft. Die Landesspitäler wurden in eine eigene GmbH überführt. Ich hatte das Glück, dass ich damals von meinem Landesrat in die ganze Welt geschickt wurde, um dort andere Projekte, also »Best Practice«-Modelle, kennen zu lernen. Als dann die Ausgliederung vollzogen war, ging ich dort nicht in die Geschäftsleitung hinein, sondern nach Wien. Ich wurde eingeladen, eine Firma mit zu begründen, die »Humanomed Management«. Einige Jahre später habe ich gemeinsam mit Partnern die »Humanocare« gegründet. Die »Humanomed Management« ist ein Unternehmen mit heute 120 Millionen Euro Umsatz und gehört heute den großen Versicherungen UNIQA und Merkur. Die »Humanocare« ist eine Gesellschaft, die SeniorInnenbetreuungseinrichtungen und Behinderteneinrichtungen führt - derzeit elf an der Zahl in ganz Österreich. Dort bin ich Mehrheitseigentümer. Wir machen in Summe etwas über 140 Millionen Euro Umsatz. Als Geschäftsführer in beiden Unternehmen habe ich etwa 1.600 MitarbeiterInnen im gesamten Unternehmensbereich. Wir sind, denke ich, in Österreich ein wichtiger Mitspieler in der Gesundheitsbranche. Ich selber bin noch Fachverbandsobmann der Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer Österreich, also der quasi oberste gesetzliche Interessensvertreter für Gesundheitsbetriebe, Klinken, Rehabilitationseinrichtungen. Ich mache auch immer noch Sport.
Ich bin mir sicher, dass ich ohne meine Behinderung das nicht erreicht hätte, was ich heute erreicht habe. Ich kann mich noch an meine Studienzeit erinnern. Meine Vision war damals: Ich könnte es einmal schaffen, dass ich Filialleiter einer Bank in Innsbruck werde. Ich habe mir gedacht: »Da verdienst du so um die 70.000 Schilling!« Also 5.000 Euro. »Mensch! Das wäre super, wenn ich einmal 5.000 Euro verdienen könnte. Damit kann ich mir einmal ein Haus irgendwo bauen und das wird super. Deine Frau ist Ärztin, damit kannst du gut leben, da in Tirol ist es auch nett ...« Na ja, und heute verdiene ich vielleicht zwei, drei Euro mehr und lebe ein ganz anderes Leben. Nämlich gut integriert in die Gesellschaft. Ich kann mir den Luxus leisten, bei vielen Veranstaltungen nicht teilnehmen zu müssen. Leiste mir auch gerne den Luxus, wie heute hier zu sein und mir die Zeit für ein Thema zu nehmen, dass mir wichtig ist - nämlich die Integration von behinderten Menschen in die Umwelt und in das Arbeitsleben. Ich habe, indem ich mich mit der eigenen Behinderung und mit Behinderungen anderer Menschen befasst habe, sehr viel gelernt und ich denke, dass das auch eine Chance für die unter Anführungszeichen »nicht behinderten« Menschen ist: In Zusammenarbeit mit uns, oder in dem Sehen, wie behinderte Menschen ihr Leben meistern können, für sich etwas zu gewinnen. Wenn ich sehe, wie meine Sportkollegen, die querschnittsgelähmt sind, früher Schirennläufer gewesen sind und heute mit 120 km/h in diesen »Monococks« Schipisten hinunterrasen... In Sestriere sind wir bei den »Paralympics« die gleiche Abfahrtsstrecke gefahren wie die Herren. Auf dieser sehr schnellen Rennstrecke sind Bode Miller, Maier und Co. gefahren und wir waren drei Wochen später dort. Zugegeben, eine Kante haben sie heraus genommen, weil da die Monos vierzig bis fünfzig Meter gesprungen wären, und wenn die nach so einem Sprung aufkommen, zerreisst es sie. Aber die Geschwindigkeiten liegen auch bei 120 km/h - und das ist nicht gerade wenig. Man sieht, mit welcher Lebensfreude diese Sportler - sozusagen - ihr Leben bewältigen. Sie haben natürlich auch ihre Kompensationsmechanismen gefunden, um ihr Leben zu meistern. Aber das tun sie in einem hohem Maße mit großer Freude, mit einer irrsinnigen Zuversicht, und ich glaube, dass ist das, was wir oft weitergeben können: Die Zuversicht, die wir haben. Ich meine, nicht jeder von uns mit einer Behinderung schafft das, und nicht jedem ist es auch gegeben, diese Zuversicht zu entwickeln. Aber vielen ist es gelungen. Und ich glaube, es ist wichtig, Perspektiven zu schaffen.