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.Folge 37: Von Sozialarbeitern, schwarzem Humor und Männerbekanntschaften
David Weisz: Seit einem Jahr verbringe ich über 90 Prozent meines Lebens alleine in meiner Wohnung. Was auf den ersten Blick für einen passionierten Stubenhocker, wie mich, klingt wie die Erreichung aller Lebensziele, steht auf dem zweiten, eine doch sehr ungeahnte Herausforderung dar.
Denn es war leider schon immer so, dass meine Gedanken mehr das Sagen über mich gehabt haben, wie umgekehrt. Und deswegen fange ich jetzt an, vor lauter Freizeit, mit meinen 36 Jahren, mein Leben zu reflektieren. Man muss sagen, ich war der erste Sohn einer jungen Mutter. Also das erste Kind einer jungen Mutter. Und das hat uns vor diverse Schwierigkeiten gestellt. Sie hat noch nicht gewusst, wie man ein Kind auf die Welt bringt. Ich bin noch nicht auf die Welt gekommen. Insofern war die Kombination suboptimal.
Und deswegen hat mich, auf gut Deutsch, letztendlich bei der Geburt der Schlag getroffen. Also ich habe einen Schlaganfall gehabt. Was dazu geführt hat, dass mein Bewegungsapparat in seiner Mobilität ein bisschen eingeschränkt ist. Und durch die Muskelkontraktionen, durch das Verspannt sein, klingt meine Stimme auch immer ein bisschen … #00:02:24#. Und wie wirkt sich diese Kombination auf meinen Alltag aus? Naja, wenn man es auf den Punkt bringt, ich habe ein recht verzerrtes (?Gangbild), was mir durchaus ein sehr eigenes Antlitz verleiht.
Das jetzt zu beschreiben im Podcast ist vielleicht ein bisschen schwierig. Aber da ich, wenn ich ehrlich bin, auch nicht unbedingt die schlankeste Kerze auf der Torte bin, ist man nicht weit weg von der Realität, wenn man sich einen Bären vorstellt, der watschelt … #00:02:53#. Ein Problem, das ich auch kontinuierlich habe, ist, dass ich selten zur passenden Gelegenheit die richtigen Schuhe anhabe, weil ich immer Therapieschuhe anhabe. Meistens sind es offene. Das heißt, ich renne im Winter mit Sandalen rum, weil ich zu faul bin, mir andere Schuhe zu holen.
Sandra Knopp: Wie schwer ist es eigentlich, auch einen Sketch über sich selbst zu schreiben, oder über seine eigene Behinderung? Wie schwierig ist das?
David Weisz: Das ist mir eigentlich nie so wirklich schwergefallen, weil ich meine Behinderung nie so ernstgenommen habe. Ich habe meine Behinderung immer als Teil von mir gesehen. Und ich kann über meine Behinderung genauso lachen, wie über meine Haare, die kreuz und quer stehen, teilweise. Und das habe ich schon von klein auf gehabt. Das schwierige war, beim Kabarettschreiben für mich oft gar nicht das über mich selber lustig machen, sondern das selbst reflektieren.
Also wo ist meine Behinderung zum Beispiel wirklich im Weg und wo ist meine Behinderung vielleicht eine Ausrede, damit ich mich verstecken kann dahinter. Das ist etwas, wo ich mir wesentlich schwerer tue, wie über mich selbst zu lachen. Weil dieser Humor, das habe ich einfach gelernt, wenn du über dich selbst lachen kannst, dann tust du dir in vielen Situationen einfacher leichter. Auch mit den Menschen, die gemein oder abwertend sind, wenn du da ein bisschen schlagfertig bist und mit Humor antworten kannst, dann tut man die, die einen auslachen, sozusagen entwaffnen.
Sandra Knopp: Du nimmst ihnen die Waffe, indem du ihnen einfach einen Spiegel vorhältst.
David Weisz: Genau.
Sandra Knopp: Das ist dir nämlich ja auch sehr wichtig. Du hast einmal gesagt, dir ist es wichtig, dass die Leute nicht nur lachen und einen lustigen Abend haben, sondern dass sie von dem Abend auch ein bisschen was mitnehmen, oder?
David Weisz: Genau. Deswegen ist ja, also mein Kabarett, sehr kontextbasiert. Also ich glaube, dass viele … #00:04:51#, nicht funktionieren würden, wenn man nicht den Kontext der Geschichte hat. Weil meine (?Späße) zum Teil sehr, sehr, sehr schwarz sind. Und wie ich angefangen habe, Kabarett zu spielen, war ich jetzt erst eher so ein Stand-up-Comedian, unter Anführungszeichen, weil mit dem Aufstehen tue ich mich schwer.
Aber ich habe halt gemerkt, ich möchte den Leuten was mitgeben. Dass sie nicht nur lachen, sondern reflektieren, das, was ich sage. Und ich bin halt darauf gekommen, dass das hauptsächlich damit geht, wenn man den Leuten ein bisschen vor den Kopf stößt. Also, wenn man sie aus der Komfortzone rausholt, dann bleibt das, was man sagt … #00:05:33#. Haha, ich habe jetzt gelacht. Oh, hoppala, ist das überhaupt in Ordnung, dass ich lache? Dann denken die Leute drüber nach. Und das finde ich zum Beispiel cool.
Sandra Knopp: Hast du so ein Beispiel? Also wie stößt du zum Beispiel vor den Kopf? Gibt es da so einen ganz kurzen Ausschnitt?
David Weisz: Es gibt einen, im meinem ersten Kabarett. Das heißt (?Mal-Kabarett). Da gibt es eine Stelle, da geht es darum, da erzähle ich, ich trete zum ersten Mal bei einem Kabarett auf, ja, und möchte die Leute eben zum Nachdenken bringen. Aber habe das Problem, dass ich noch nicht weiß, diese feine Klinge aus Humor und Empathie, die hat mir noch gefehlt in dem Kontext.
Also im Stück jetzt. Und da reiße ich einen Schmäh, damit ich die Stimmung breche). Ich gehe motiviert auf die Bühne, will die Leute bewegen, zum Nachdenken bringen. Und sage so, zum Einstieg „Was ist schwarz und sitzt in der Ecke? Ein gehbehinderter nach einem Wohnungsbrand.“. Jetzt muss man aber wissen, ich bin selber gehbehindert und erzähle aus meiner Perspektive.
Und das ist ja der Schmäh, wo ich gemerkt habe, dass sich die Leute schwertun, damit, ja. Aber, und das ist ja das Amüsante, eher die Leute ohne Behinderung. Menschen mit Behinderungen können eher darüber lachen, weil die wissen das, was ich meine. Aber das ist halt so ein Witz, wo die Leute dann zum Nachdenken anfangen. Und da ist Kontext ganz, ganz, ganz wichtig. Wenn da der Kontext in der Geschichte nicht war, dass ich noch kein Gespür habe für das, was ich tue, dann wäre das ein ganz furchtbarer Witz. Aber im Kontext der Geschichte macht dieser Witz durchaus Sinn.
Sandra Knopp: Der 36-jährige hatte eine kaufmännische Lehre beim Magistrat Wiener Neustadt absolviert, und arbeitet seit rund zehn Jahren in der Verwaltung des Landespflegeheims Wiener Neustadt. Ehrenamtlich ist er zudem als Behindertenbeauftragter der Stadt tätig. Wie es dazu kam, und was das mit dem Kabarett zu tun, dazu kommen wir etwas später. Jedenfalls hat Dave durch seine Arbeit viele Menschen kennengelernt.
Dazu zählt Stephan Trenker, der seit über 20 Jahren im Sozialbereich arbeitet und seinen Humor teilt. Mehr noch, er hat Dave angeboten, als Gast bei seinem eigenen Kabarett-Programm, das den Schwerpunkt auf Sozialarbeit legt, aufzutreten. Gemeinsam mit Alois Huber, hat Trenker das Sozialkabarett HOMO @ SOCIALIS ins Leben gerufen.
Stephan Trenker: Diese unglaubliche Fülle, ich bin auch schon jetzt 20 Jahre in dem Bereich, Erfahrungen an Verrücktheiten, an eben Klischees, an Reflektionen zur Rolle, wenn ich die dann in so einem Seminarkabarett mache. … #00:08:05#. Und der Alois ist ja, obwohl er sich jetzt so Understatement-mäßig gibt, eine ziemliche Nummer in dem Bereich. (?Und haben wir dann doch immer gleich einen Star als Partner).
Sandra Knopp:Stefan Trenker und Alois Huber haben sich als Lektoren auf der FH Eisenstadt kennengelernt. Stefan unterrichtet dort im Lehrgang Soziale Arbeit, das Fach kreatives Projektmanagement. Alois unterrichtet zudem im Studiengang Soziale Arbeit, auf der Fachhochschule St. Pölten und moderiert auch am Campus und City-Radio der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Auch er ist überzeugt davon, dass sich theoretische Inhalte mit einem Augenzwinkern leichter vermitteln lassen.
Alois Huber: Und ganz wichtige Themen, (?auch der soziale Berg zum Beispiel), Dokumentationen, wo da nie wer zuhört, ich unterrichte sowas auch, das kommt nicht vor. Und das ist aber fast das wichtigste und das Problematischste. Und das war da möglich, in drei Minuten einzupacken, in einer humoristischen Art und Weise. Und ich habe das Gefühl, dass da viel mehr Inhalte transportiert werden können als wie wenn man das in einem (?straighten) Seminar machen würde.
Sandra Knopp:Beim Schreiben des Programms wurden die beiden Freunde von der Gegenwart rascher eingeholt als erwartet.
Alois Huber: Also wo ist die Sozialarbeit im Jahr 2039? So fast, wie Science-Fiction. Und wir haben da angefangen, mit Sozialarbeiter wird durch Avatar ersetzt. Und die Realität hat uns dann sehr schnell eingeholt gehabt, weil das Programm, das für 2039 konzipiert war, hat plötzlich eine Aktualität gekriegt. Also wo wir es nicht 2039, sondern jetzt 2021 nennen müssen. Also alle Dystopien, also negative Utopien, die da gekommen sind, haben wir heute geschehmäßig in einem Programm verarbeitet.
Sandra Knopp: Sucht man im Internet nach Klischees über Sozialarbeit und Sozialarbeiterinnen, stößt man unweigerlich auf ein Bild aus den 1980er; Latzhose, Wollpulli und die sogenannten Jesuslatschen. Diesen Klischees kann Alois nichts abgewinnen.
Alois Huber: Ich muss sagen, das ist schon wirklich ein Klischee. Also, wenn ich die jungen Sozialarbeiterinnen mir jetzt anschaue, also du hast vom Super-Style, bis zum total tätowierten Menschen, wirklich dieses Diverse einfach auch drinnen. Aber für mich trifft nicht mehr diese Wollpullover zu, sondern wirklich ein Sakko. Eine fast Dienstkleidung, würde ich sagen.
Es geht um mehr in dem Ganzen. Man muss überall schauen, wo man nicht nur sein Ego raushängen lässt, sondern wirklich da versucht, für die Leute das Beste zu geben. Da musst du dich auch nicht verkleiden oder in Rollen schlüpfen. Und das ist auch das Schöne an der Sozialarbeit, dass man da, vom Generaldirektor, bis zum einfachsten Arbeiter, alles haben kannst. Und ich denke mal, es ist Mainstream gerade. Gerade durch Corona, et cetera, et cetera.
Sandra Knopp: Dave hat viele Sozialarbeiter in seinem Freundeskreis. Wie würde er sie humoristisch beschreiben?
David Weisz: Die meisten Sozialarbeiter, die ich kenne, sind alle sehr alternativ. Also ich habe noch nie einen konservativen Sozialarbeiter kennengelernt. Sie neigen dazu, vieles zu überinterpretieren. Und sie sind halt alle sehr einfühlsam. Und sehen halt auch Probleme, wo vielleicht keine sind. Aber damit sie sich gut fühlen, steige ich halt drauf ein.
Stephan Trenker:Jetzt hat er es uns gegeben. Das finde ich echt cool. Damit sie sich gut fühlen, steige ich drauf ein. Das finde ich klasse.
Alois Huber: Ja, also das nennt man Konsumer-orientiert. Das sind die Nutzer und Nutzerinnen, die auch mal zu Wort kommen. Ich würde noch drei draufsetzen. Sie sind immer zu spät. Sie sind (?schlampig), und haben natürlich ein empathisches Helfersyndrom. Und sind eigentlich auf der Seite der Macht.
Sandra Knopp: Auf die Frage, warum er so viele Menschen aus Sozialberufen zu seinen Freunden zählt, sagt Dave:
David Weisz: Das ist eine gute Frage. Zum einen, weiß ich nicht, ich glaube, ich ziehe das irgendwie an. Ich bin so ein bisschen ein Magnet für Sozialarbeiter, eben Helfersyndrom und so. (Lachen) Zum anderen liegt es daran, dass ich selber viel mache, das mit Sozialarbeit zu tun hat. Auch, wenn mir das gar nicht so bewusst ist. Ich war vor kurzem beim Stefen in der FH und habe einen Gastvortrag gehalten. Und da habe ich mit den Studenten geredet, und dabei noch so erzählt, was ich mache. Und die haben mir dann gesagt, dass ich quasi eigentlich schon Sozialarbeit mache, nur dass ich halt nicht in diese Richtung ausgebildet bin.
Ich habe jetzt auch durch meinen Weg viele Sozialarbeiter kennengelernt. Eben die (?Eichner Eva), das ist eine Dame, die mein Weltbild sehr geprägt hat, weil die hat Menschen geholfen, egal in welcher Situation sie waren, egal woher sie gekommen sind, oder Vergangenheit sie gehabt haben. Sie hat einfach nur den Menschen gesehen und das Potential und hat diesem Menschen … #00:12:42# gegeben, und Verständnis.
Und manchmal auch einen liebevollen Arschtritt in die richtige Richtung.Und vielleicht hat sich dadurch das alles entwickelt. Viele meiner Freunde sind auch Behindertenbetreuer. Aber sie haben nicht mich betreut. Das ist seltsam irgendwie. Man sucht sich seine Freunde aus, aber irgendwie sind meine Freunde alle zu mir gekommen. Eben Helfersyndrom, wahrscheinlich.
Sandra Knopp: Apropos Freundeskreis und soziale Aktivitäten: Darüber spricht Dave im zweiten Teil seines Sketchs.
David Weisz: Wenn ich meinen Freunden sage, sie sollen bitte nicht so schnell sein, bekomme ich meistens die Antwort, dass es ihnen leidtut, aber sie können nicht mehr langsamer stehen. Und einmal beim (?Fortgehen) haben sie mir ein … #00:13:25# in die Hand gedrückt, und dass ich sie gefragt habe „Für was?“. Haben sie gesagt, naja, damit ich wenigstens irgendwas aufreiße.
Jetzt muss ich aber zur Verteidigung meiner Freunde sagen, dass die Tatsache, dass ich noch nie so die ultrakrasse Flirtmaschine war, nicht an meiner Behinderung liegt, sondern an meiner Art, an meinem Wesen. Ich habe noch nie ein wirklich gutes Gespür für Situationen gehabt. Einmal, da bin ich mit einer Schulfreundin, auf die ich mal sehr gestanden habe, auf einen Ball gegangen. Und sie hat mich gefragt, (?wie sie ausschaut in den Kleidern). … #00:14:02# und habe mich danach gewundert, dass sie drei Wochen nicht mit mir geredet hat.
Dabei, wenn ich heute so drüber nachdenke, war der Fehler in der Kommunikation von meiner Seite. Weil aus meiner Perspektive war sie immer schon schön. Nur in der Situation halt ganz besonders. Nur habe ich das halt (?blöd) formuliert. Oder als ich 17 war, muss ich sagen, habe ich sehr hart die Emo-Welle geritten, ja. Das heißt, meine Haare waren schwarz gefärbt, mein Gesicht war weiß geschminkt und ich habe immer ein viel zu enges … #00:14:40# getragen.
Also muss ich ganz in aller Bescheidenheit sagen, aus meiner Perspektive habe ich ausgeschaut wie der härteste Rocker seit David Hasselhoff. Aus der Perspektive der anderen habe ich, dank meines Körpervolumens und den viel zu engen … #00:14:57#, ausgeschaut wie ein depressiver … #00:14:59#. Und das hat sich leider bis heute nicht geändert. Aber ich schwöre euch, ich werde was ändern heute. Also heute, morgen eventuell, ja. Das Stubenhockertum hat ab morgen, beziehungsweise übermorgen ein Ende.
Weil momentan scheint die Sonne eher nicht so. Aber in Zukunft, wenn die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, dann werde ich nurmehr mit offenem Fenster, Play Station spielen. Ich werde mir Orte anschauen, die ich noch nie gesehen habe. Wie zum Beispiel das unterste Regal in meinem Kühlschrank. Und ich will zukünftig auf meine Ernährung schauen. Das heißt, ich gehe jetzt nicht zum Burger King, sondern werde mir eine Pizza bestellen.
Sandra Knopp: Dave Weisz hat zwei Kabarettprogramme, die aufeinander aufbauen. … #00:15:44# und Liebesbrief.
David Weisz: Ja, ich erzähle aus der Ich-Perspektive. Aber zum Teil, also passieren da ein paar Erfahrungen, die ich gemacht habe. Aber die Geschichten, die ich erzähle, sind fiktiv. Da geht es mehr um die Message, beziehungsweise Situation (?anders aufgebaut). Weil sonst könnte ich das nicht so erzählen, ja. Die einzige Gegebenheit, die eins zu eins so passiert ist, ist ironischerweise die Einzige, die mir die Leute nicht glauben, dass das so passiert ist.
Das war in der Vorschule und da haben wir einen gehabt, der hat eine (?Flickflack-Uhr) gehabt. Da waren wir so sechs Jahre alt. Der hat an seinen (?Flickflack-Uhren) jeden … #00:16:25#, nur mich nicht. Und wie ich ihn gefragt habe, warum, hat er gesagt zu mir „Weil Behinderte sterben, hat der Papa gesagt, wenn … #00:16:32#.“. Die war sechs Jahre alt.
(?Wir haben alles geglaubt) … #00:16:35#. Das ist die abstruseste Geschichte in meinem Kabarett, aber die einzige Situation, die eins zu eins so passiert ist. Die anderen Geschichten sind so-, sind zwar auch in gewisser Weise passiert, aber ich habe es ein bisschen umstrukturiert, damit es im Kontext der Geschichte mehr Sinn macht.
I3: Lieber Dave, ich habe gehört, du bist ein Fan von Josef Hader?
David Weisz: Ja. Im Humor hat mich der Josef Hader insofern geprägt, weil da gibt es ja dieses Hader Privat. Und da gibt es eine Stelle, da erzählt vom Kaiser von Afrika, oder König von Afrika. Und erzählt halt über das Leid, über die Situation in Afrika, und baut das immer mehr auf.
Und du fühlst dich als Zuhörer schon irrsinnig schlecht, weil … #00:17:21#. Und dann hat er einen Joke, und reist diese Kurve, die er (?aufgedruckt hat, wieder ab). Und da habe ich gewusst, sowas will ich auch machen. Nur habe ich halt diese feine Klinge, die der Hader hat, lange gebraucht, bis ich das halbwegs geschafft habe. Aber ich hoffe, dass ich eines Tages mal genauso gut bin.
Sandra Knopp: Auch sein Erzieher im Internat hat ihn humoristisch sehr geprägt, erzählt David.
David Weisz: Ich bin in der Waldschule in Wiener Neustadt aufgewachsen. Das ist eine Schule für mehrfach behinderte Kinder. Ich war zu einer Zeit dort, wo schon mehr geistig behinderte Kinder, wie rein körperbehinderte Kinder waren. Also ich war einer der letzten. Und ich habe dort im Internat gelebt, weil meine Familie, meine Familienstruktur ein bisschen schwierig ist.
Und mein Erzieher hat eben unsere Behinderung, hat uns zu kümmern, wie wir sind, hat halt immer so auch sehr schwarzhumorige Witze gerissen. Und das hat mich sehr geprägt. Und das war vielleicht dieser Start, der mir geholfen hat, mein Handicap nicht so ernst zu nehmen.
Sandra Knopp: Das Kabarett hat für ihn einiges verändert. Er hat dadurch eine neue Aufgabe bekommen. Denn bei einer Veranstaltung saß der Wiener Neustädter Bürgermeister, Peter Schneeberger, im Publikum. Dieser hat, aufgrund einer Kinderlähmung, selbst eine Behinderung. Schneeberger fragte Dave, ob er sich vorstellen könnte, als ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter der Stadt zu arbeiten.
David Weisz: Er hat gesagt, er findet gut, was ich mache und er hätte gerne, dass ich das eben für die Stadt umsetze. Und das hat mich sehr beeindruckt, dass er da keinen Druck gemacht hat, sondern mich so genommen hat, wie ich bin. Und dann bin ich Behindertenbeauftragter geworden, ehrenamtlicher, mit dem Ziel, Menschen die Wege abzukürzen.
Also, wenn sich bei mir die Leute melden, das ist zum Beispiel … #00:19:15# anrufen müssen, bis sie mal dort sind, wo sie die Informationen brauchen, sondern direkt weiterleiten kann, an die richtigen Stellen. Oder, dass ich mich mit Jugendlichen hinsetze, im behinderten Bereich, die Arbeit suchen und schon sehr verzweifelt sind, und mit denen rede.
Was stellst du dir vor? Was für Kompromisse kannst du eingehen? Und zu zeigen, man kann die Ziele erreichen. Es ist zwar nicht leicht, aber man kann die Ziele erreichen.
Sandra Knopp: An eines musste er sich in seiner Tätigkeit aber erst gewöhnen: Nicht die Probleme anderer mit nach Hause zu nehmen.
David Weisz: Ich meine, ich finde oft eine Lösung, aber leider nicht für jeden. Und da ich selber in so ähnlichen Situationen war, kann ich mich gut reinfühlen in die Leute. Habe aber oft das Problem, dass ich mich dann nicht abgrenzen kann. Das heißt, wenn ich wem nicht helfen kann, nehme ich das mit heim, und das belastet mich irrsinnig. Und das ist die Challenge an meiner Sache. Also ich habe aber mit der Stadtpolitik nichts zu tun.
Also ich tue nicht politisch irgendwas. Das hat der Herr Schneeberger auch noch nie von mir verlangt, das muss ich echt sagen. Und er hat immer ein offenes Ohr. Und deswegen habe ich mich auch entschlossen, dass ich das mache. Weil dadurch, dass er selbst eine Behinderung hat, hat das ja mal einen ganz anderen Stellenwert wie für jemanden, der keine hat. Und deswegen habe ich das entschlossen zu tun und mache das jetzt auch schon seit sechs Jahren.
Sandra Knopp: Mit welchen Anliegen kommen die Menschen zu ihm?
David Weisz: Viele also rufen mich an, weil sie alleine sind, isoliert, und dringend wen zum Reden brauchen. Und das ist … #00:21:01#. Und da versuche ich dann halt auch zu sagen, ja, da gibt es den und den Therapeuten, den man vielleicht online erreichen könnte, und so weiter und sofort, ja. Ich habe so viele verschiedene Sachen schon gehabt. Ich habe Leute gehabt, die zu mir gekommen sind, wegen irgendwelchen Barriere-Sachen.
Ich habe Leute, die zu mir gekommen sind, wegen Inklusion. Ich habe schon Fälle gehabt, wo ich den Leuten erklären habe müssen, dass vielleicht nicht jeder Mensch mit Behinderung überall inkludiert werden kann, weil das Spektrum an Behinderungen so breit ist. Ja, man kann vielleicht aufgrund seiner Behinderung die Welt ein bisschen anders wahrnehmen, wie (?wir das tun). Und da machst du einem Menschen vielleicht nicht (?unbedingt den Gefallen, den wir hätten, wenn man mit einer Klasse sitzt, mit 20 anderen Kindern), weil das einfach zu laut ist für die, aufgrund der Behinderung.
Also ich mache sehr viel Aufklärung. Weil für Menschen ohne Behinderungen gibt es scheinbar nur zwei Arten von Behinderung. Entweder du bist geistig behindert, oder du sitzt im Rollstuhl. Ich habe das Problem, wenn man mich sieht, man schätzt mich ur-selten als behindert ein. Man glaubt in der Regel, dass ich angesoffen bin. Das passiert mir recht oft, ja. Und da versuche ich halt die Menschen aufzuklären, dass es eben keine Stereotypen gibt und dass Inklusion echt super ist. Und ich bin dafür, dass man jeden inkludiert, den man inkludieren kann.
Aber man muss auch Rücksicht nehmen, dass vielleicht zum Beispiel Menschen mit autistischer Neigung, dass die keinen Gefallen haben, wenn man die in einen Raum mit 30 anderen Kindern setzt. Und das versuche ich den Menschen zu erklären. Und das ist etwas, was ich eben auch durch die Waldschule gelernt habe, dass es eben viele verschiedene Sachen gibt, ja.
Sandra Knopp: David Weisz wurde im Mai 1985 geboren. Seit einem Schlagfanfall bei seiner Geburt ist er rechtsseitig gelähmt und hat dadurch Beeinträchtigungen beim Gehen, sowie in der Feinmotorik. In einem Interview hat er einmal erzählt, dass er ein Jahr die Volksschule in seinem Heimatort besucht hat. Er hat ein gutes Auffassungsvermögen, konnte schon früh lesen, doch bei der Feinmotorik haperte es. Das war in den 1990ern Grund genug, nicht ins Regelschulwesen zu passen.
David Weisz: Ich bin inzwischen 35 Jahre, und ich bin 1992, mit sieben Jahre in die Volksschule gekommen in … #00:23:29#. Und da hat es das Thema Inklusion noch nicht gegeben. Ich habe gut gelernt. Ich habe gut gelesen. Aber ich war im Schreiben sehr, sehr langsam, und bin deswegen dann, und auch ein bisschen wegen meiner Familienstruktur, in die Waldschule gekommen, in Wiener Neustadt. Und da war ich neun Jahre lang.
Ich habe dort Volksschule gemacht, ich habe dort Hauptschule gemacht, und war dort mit überwiegend geistig behinderten Kindern. Also ich war wirklich eins der letzten Kinder ohne geistige Behinderung. Nur körperlich. Und ich muss echt sagen, ich habe mich sehr wohlgefühlt dort.
Ich habe mich sehr geborgen gefühlt und zuhause. Dass ich vielleicht nicht hingepasst habe, habe ich erst gemerkt, wie ich aus der Waldschule rausgekommen bin, und mit anderen Jugendlichen in meinem Alter zu tun gehabt habe. Aber Inklusion, das war, du musst dir denken, 1993, das ist noch gar nicht so lange her, war damals noch gar kein Thema.
Sandra Knopp: Stefan Trenker arbeitet als Projektleiter im Beriech Job-Coaching für eine NGO in Niederösterreich. Job-Coaching unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen oder anderen Vermittlungseinschränkungen dabei, beruflich Fuß zu fassen.
Stephan Trenker: Also meinen Tagesjob, den mache ich jeden Tag, da ist so die größte Freude, dass ich doch in Situationen komme, wo ich Menschen treffe, die halt extreme Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, oder wo ewig nichts passiert ist. Und wo ich, weil ich halt irgendwie ein … #00:24:50# Typ bin, es sehr oft schaffe, diesen Menschen zumindest ein Praktikum zu (?schicken), oder irgendwie eine Aussicht auf einen Job.
Also so das Unmögliche ein bisschen wieder in den Möglichkeits-, ein bisschen weiter einzubringen, in das Ganze. Sozialkabarett, also da freue ich mich, glaube ich, was ich so wirklich genieße, … #00:25:06# für das, was einfach extremviele Menschen fühlen. Ich habe einen Song geschrieben über unser Digitalisierungsprogramm.
Einen eigenen Song über das. Wie registrieren wir die Teilnehmer. Und das (?sind ein paar Zeilen), die mir auch gelungen sind, darf ich sagen. Wo ich, wenn ich das spiele am Klavier, … #00:25:24#. Das ist einfach aus der Seele dieser Sozialarbeiterinnen heraus, geschrieben.
Sandra Knopp: Auch, wenn Stefan Trenker heute viele Leitungsaufgaben innehat, weiß er genau, wie es in der Praxis laufen kann. Das haben er und Alois Huber in einem Sketch verarbeitet. Darin geht es um das Jugend-Coaching. Also jenen Bereich, der sich schwerpunktmäßig um den Übergang von Schule zu Beruf kümmert. Da kann es in Zeiten der Pandemie schon mal schwierig werden, die Klienten und Klientinnen zu erreichen.
Alois Huber: Wer sind Sie?
Stephan Trenker: Hallo Daniel, ich bin dein Jugend-Coach. Freut mich, dich zu hören, sehen und ein stückweit auch spüren. Freut mich total.
Alois Huber: Sie haben ur-oft angerufen bei mir. 37 Anrufe.
Stephan Trenker: Ja, ich habe versucht, dich zu erreichen. Es war ja nicht so einfach in dieser Zeit jetzt. Aber es ist gelungen.
Alois Huber: Mein Akku war leer. Mein Akku war leer.
Stephan Trenker: Ja, es macht mir gar nichts aus. Wir sehen uns jetzt. Könntest du vielleicht noch ein bisschen nach oben rücken? Ein bisschen.
Alois Huber: So?
Stephan Trenker: Ja, super. Super, wir kommunizieren ja auch mit den Augen. Daniel, darf ich dich fragen, was hat sich seit dem letzten Mal denn verändert?
Alois Huber: Was soll sich verändert haben?
Stephan Trenker: Naja, vielleicht in Richtung Berufswunsch, oder irgendein Job, irgendein Interesse, das sich aufgetan hätte?
Alois Huber: Nein, ich weiß nicht. Ich kann meine Mama fragen.
Stephan Trenker: Ja, die Mama, das wäre vielleicht gut, wenn du sie fragen würdest. Ich denke, vielleicht brauchst du meine Unterstützung. Dass ich dich unterstütze, beim Job suchen, beim Lehrstellen suchen. Ich bin wirklich bereit dazu.
Alois Huber: Ja, was meinen Sie?
Stephan Trenker: Ah, darin-. Ich würde sagen, wir sprechen einfach wieder, gleich morgen, so mit diesem Setting, wie wir es heute jetzt gehabt haben. Das funktioniert blendend und super. Und dann könnten wir Berufswünsche, Möglichkeiten, die sich von der Wirtschaft her anbieten, mehr oder weniger gleich überlegen und gleich schauen, dass wir mit einer Bewerbung loslegen könnten. So richtig zack, zack, zack.
Alois Huber: Ich habe leider kein Guthaben, aber ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag.
Stephan Trenker: Okay. Daniel, warte noch.
Alois Huber: Warten Sie, meine Mama sagt, das Essen ist fertig. Auf Wiedersehen.
Sandra Knopp: Alois Huber gibt zu bedenken, dass der persönliche Kontakt zu Klienten und Klientinnen, wegen Corona, lange Zeit nur eingeschränkt funktionierte. Die Beziehungsarbeit selbst muss aber nicht darunter leiden. Vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen passen.
Alois Huber: ES ist zumindest ein Kontakt möglich. Man stelle sich vor, diese ganze Geschichte wäre vor zehn Jahren, dann hätten wir Bandbreiten-Probleme, … #00:27:51# Kraftwerk, (?Robot-mäßig pur). Also das ist sozusagen ein minimierter Kontakt, ja, aber das ist nicht das tatsächlich klassische, was wir gewöhnt waren noch. Und man kann sehr viel (?soziale Arbeit) machen, auch in diesem distanzierten Kontakt. Also, ja.
Stephan Trenker: Wenn die Klienten die notwendige Ausstattung haben. … #00:28:11# Das ist halt in vielen Fällen nicht vorhanden. Ich gebe dir schon recht, also das wäre vor zehn Jahren überhaupt nicht möglich gewesen.
Sandra Knopp: Dave wird an einer Lehrveranstaltung von Stefen Trenker als Referent teilnehmen. Als Teil des Lektoren-Teams wird er für die Belange von Menschen mit Behinderungen sensibilisieren. Eine gehörige Portion schwarzer Humor wird dabei wohl auch dabei sein. Auch mit manchen Begrifflichkeiten will der Niederösterreicher brechen.
David Weisz: Ich sage zum Beispiel Behinderungen, weil ich denke mir, eine Behinderung ist ein Hindernis ein bisschen in meinem Leben. Aber viele Menschen legen Wert darauf, zu sagen, es ist ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen. Und bei allem Respekt, ich habe noch nie so eine blöde Bezeichnung gehört für uns, wie die. Weil wir haben keine besonderen Bedürfnisse.
Wir haben Hunger. Wir haben Durst. … #00:28:57#. Wir haben nur das Problem, wir kommen schwerer dazu, vielleicht, eventuell. Wir können diese Bedürfnisse schwerer stillen. Aber im Grunde haben wir genau dieselben. Und deswegen finde ich so eine Bezeichnung, wie Menschen mit besondere Bedürfnisse, komplett Banane.
Christoph Dirnbacher: Das war Freak Casters für heute. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, erzählen Sie Ihren Familien, Freunden und Bekannten davon. Wir würden uns über eine Empfehlung freuen. Unsere Folgen gibt es auch auf freakcasters(.)simplecast(.)com zum Nachhören. Mehr über Menschen, Geschichten und ihre Leidenschaften erfahren Sie auch auf Instagram oder Facebook. Und wer uns einen Themenvorschlag schicken möchte, kann dies gerne an freakcasters(@)gmx(.)at senden. Auf Wiederhören, bis zum nächsten Mal, sagt Christoph Dirnbacher.