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.Folge 51: Thomas William Shakespeare
Thomas William Shakespeare ist ein britischer Soziologe, Bioethiker und Aktivist für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Shakespeare nutzt selbst einen Rollstuhl und ist Professor für Behindertenforschung an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Im Interview mit Udo Seelhofer spricht Shakespeare darüber, wie ein Bild von Inklusion für ihn aussieht und warum Menschen mit Behinderung der Motor hinter vielen Innovationen und Erfindungen sind.
Udo Seelhofer: Wenn Sie ein Bild zum Thema „Inklusion“ zeichnen bzw. malen müssten, wie würde das aussehen?
Tom Shakespeare:Ich glaube, ich würde einen Kreis zeichnen, so einfach ist das. Denn das ist eine klare einfache Form, und wir wollen drinnen sein. Menschen mit Behinderungen waren viel zu lange vom Alltagsleben ausgeschlossen, aber wir wollen an allem teilhaben, wie alle anderen auch.
Udo Seelhofer: Warum hat es so lange gedauert, bis Menschen das realisiert haben?
Tom Shakespeare: Ich denke es gab die geschichtlich gewachsene Idee, dass Menschen mit Behinderungen unfähig sind, und dass die Rolle Nichtbehinderter sei, sich um sie zu kümmern und gut zu ihnen zu sein. Und wir wissen, es gibt viel Liebenswürdigkeit/Fürsorglichkeit gegenüber Menschen mit Behinderungen, aber eigentlich sind es Rechte, die diese verdienen und verlangen – wie jeder andere auch, Und wenn uns klar wird, wie oft wir der Inklusion Behinderter im Wege stehen, dann realisieren wir, dass es nicht um Wohltätigkeitgeht, sondern darum, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu respektieren.
Udo Seelhofer: Ich denke auch dass es ein wenig herablassend ist, zu glauben, liebenswürdig/nett zu ihnen sein zu müssen?
Tom Shakespeare: Ich finde die Österreicher_innen, die Menschen aus anderen Ländern in Europa sind sehr zuvorkommend, und das ist – wir sind nicht undankbar, aber wir wollen eigentlich, dass ihr uns nicht im Weg steht, dass ihr eure U-Bahnen, euer Gesundheitssystem zugänglich macht, Inklusion und Ausbildung uns so weiter, und dann können wir sein wir ihr, das ist es, was wir wollen. Hoffentlich sind wir alle zuvorkommend/liebenswürdig zu einander, aber im Endeffekt sind es Rechte, die wir wollen.
Udo Seelhofer: In Ihrem Vortrag im Österreichischen Parlament haben Sie angemerkt, dass Inklusion und Barrierefreiheit zwei der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein werden - warum ist das so?
Tom Shakespeare:Nun, denken wir darüber nach, wie das Leben auf der Welt funktioniert, wie in afrikanischen Ländern wie Mosambik, Uganda, Äthiopien, die werden sich nicht „entwickeln“ ohne Menschen mit Behinderungen zu inkludieren.
Wir wollen Ausbildung für alle, medizinische Versorgung für alle, Beschäftigung für alle, aber natürlich machen Behinderte 15% der Bevölkerung aus, wie können wir das alles erreichen, ohne dass wir inkludiert sind? Und das gilt für die Ziele nachhaltiger Entwicklung. Wie lässt sich Gewalt gegen Frauen reduzieren wenn man nicht bedenkt, dass Frauen mit Behinderungen noch wahrscheinlicher Gewalt erfahren. Durch unsere Inklusion kann somit Gerechtigkeit für alle gefördert werden.
Udo Seelhofer: Wie können wir - als Gesellschaft - diese Herausforderungen meistern?
Tom Shakespeare:Nun, denken wir an Österreich, ein wundervolles Land, wie ich auch gestern in meiner Rede angemerkt habe, aber ihr habt Einrichtungen, in denen viele Menschen mit Behinderungen leben, ihr habt eine spezielle (sonder)schulische Ausbildung, wo viele Kinder mit Behinderungen unterrichtet werden, und ihr habt geschützte Werkstätten.
Ich denke, im Sinne der Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, sollte Österreich, wie Großbritannien, wie unsere afrikanischen Freunde, nach einer inklusiven Gesellschaft streben, in der Kinder mit Behinderungen an der Seite von nicht-behinderten Kindern unterrichtet werden, und wissen Sie, warum? Es wäre besser für beide, und wo Menschen neben anderen leben wäre es besser für beide, und schließlich auch am Arbeitsplatz, sei es eine Radiostation, eine Universität, oder sogar ein Geschäft – Menschen mit Behinderungen sollten Teil der Belegschaft sein.
Udo Seelhofer: Sie haben Bildung in Österreich erwähnt, auch gestern in Ihrer Rede, als sie davon sprachen, dass viele österreichische Kinder mit Behinderungen immer noch in Sonderschulen gehen. Warum sehen Sie das als problematisch an?
Tom Shakespeare:Nun, denken Sie an das nicht-behinderte Kind, das nie ein behindertes Kind zu Gesicht bekam, das glaubt, die sind besonders oder abgesondert oder erscheinen ihm anders. Wenn sie aber nebeneinander unterrichtet werden, dann wird ihm klar, dass die Gesellschaft Kinder mit Behinderungen zu inkludieren hat.
Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich war in einer Schweizer Schuleund habe über ein Buch gesprochen, dass gerade gelesen wurde, es war „The Dog in the Night-Time“ (dt. Titel: „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“, Anm. der Redaktion), das berühmte Buch von Mark Haddon, und in der Mitte meines Vortrags sprang eines der Kinder auf und ich dachte, „meine Güte, das (Kind) ist (ja) nicht sehr erfreut“, aber ich hab gemerkt, wie jeder es igoriert hat, all die anderen Kindern haben es ignoriert, und die Lehrer_innen haben es ignoriert, und (erst) dann war es mir angenehm, es (ebenfalls) zu ignorieren.
Mir wurde klar, dass dieses Kind neurodivers ist und manchmal aufsprang, was unvorhersehbares Verhalten ist, aber es ist in Ordnung! Und es hat am Regelschulunterricht teilgenommen. Und auf die selbe Weise, wie – offensichtlich – alle Kinder unterschiedlich sind, können wir Kinder inkludieren die sehr anders sind.
Und eine fundamentale Sache, die alle Kinder brauchen, ist Bildung, und es ist egal, ob diese eine Behinderung haben oder nicht, sie brauchen Bildung.
Als ich mir dieses Themenfeld das erste Mal angesehen hab, hat ein Elternteil zu mir gesagt, „Sagen Sie ihnen, dass sie sich nicht um die Kluft sorgen sollen“, und ich sagte „was meinen Sie (damit)?“, Sie sagte: „In der Schule/im Bildungswesen sind die Leute immer so besorgt um die Kluft zwischen einem Kind mit beispielsweise Down-Syndrom und allen anderen.“ "Die Lücke" ist egal, das Kind mit mentalen Behinderungen wird nie aufholen, wird möglicherweise nie aufholen, aber es wird profitieren, es wird Fortschritte machen. Wird sein Sprechen besser, versteht es mehr von dem Gelesenen, dann erfährt es Bildung und das ist was wir erreichen wollen.
Udo Seelhofer: Ein weiteres Problem, über das ich nachgedacht habe, ist, dass nicht-behinderte Kinder später nicht wissen, wie sie auf Menschen mit Behinderungen reagieren sollen, wenn sie vorher noch nicht/nie in Kontakt mit solchen gekommen sind…
Tom Shakespeare: Genau! Und ich sage Ihnen, ich ging in eine Sonderschule, in einem gewissen Sinn, es war eine Privatschule in England, und es war eine reine Bubenschule, keine Frauen, keine Mädchen, und als wir mit 18 den Schulabschluss gemacht haben wussten wir nicht, wie man mit Mädchen spricht, wie man sich ihnen annähert.
Ich ging (dann) auf die Universität, oh du meine Güte!, Unzählig Mädchen, so wie es sein soll, aber es ist sehr kurios, geschlechtergetrennten Unterricht zu haben, und es ist (aber) auch sehr befremdend, dass wir behinderte Kinder ausschließen, denn, wie ich schon gesagt habe, grundlegend brauchen sie dasselbe, nämlich guten Unterricht.
Und ich hoffe, dass wir in einer gewöhnlichen Schule psychologisch-psychiatrische Betreuung haben, ich hoffe dass wir andere Formen der Unterstützung für Kinder, die es brauchen, haben, in einer gewöhnlichen Schule, und es kann sein, dass wir die Spezialisierung, die man in der Sonderschule hat, auch hier benötigt. Aber wir können das auch in einer Regelschule anbieten, sodass alle davon profitieren.
Udo Seelhofer: Ihre Rede im Österreichischen Parlament war über einen Livestream zugänglich, was vor ein paar Jahren noch nicht üblich gewesen wäre. Wie können diese modernen Technologien zu Lösungen beitragen?
Tom Shakespeare: Das ist sehr interessant, denn wir sind hier bei den „Zero Projects“ und lernen so viele spannende Projekte kennen, die (moderne) Technologien verwenden. Gestern haben wir von einem Start Up aus Israel erfahren, das verzerrtes Sprechenoder Sprachstörungen in klare/deutliche Sprache umwandeln wird. Und das ist großartig für alle mit einer Sprechbehinderung. Denn auf einmal können sie sich mit Schulkolleg_innen, ihren Familien, in Geschäften deutlich unterhalten. Und was vielleicht noch wichtiger ist: sie können Alexa mitteilen, was sie wollen, sie können sich mir der ganzen elektronischen Welt, die wir nun haben, durch diese Technologie unterhalten.
Und ich denke, das ist ein Beispiel, wie wir Barrieren mit Technologie überwinden können. Heutzutage treffen wir uns alle via Zoom, wir treffen uns via Teams, und das inkludiert Menschen mit Behinderungen, und überwindet Hürden. Es ist egal, ob du blind bist, ob du gehörlos bist, solange es Untertitelung gibt, ob du vielleicht autistisch bist, oder neurodivers, du kannst interagieren, indem du Teams, Zoom und den ganzen Rest verwendest.
Somit bietet das den behinderten Menschen sehr wohl viel Potenzial. Das war eine schlimme Zeit, die Corona-Pandemie, und viele behinderte Menschen sind verstorben, aber so lange wir nicht vergessen, was wir (währenddessen) gelernt haben, könnten wir danach eine bessere Welt haben.
Udo Seelhofer: Sie finden also, dass die Pandemie die Entwicklung der Digitalisierung beschleunigt hat?
Tom Shakespeare: Ja, ich meine das ist das erste Mal seit fast drei Jahren, dass ich im Ausland bin, und ja, in der Zwischenzeit, seit damals und bis jetzt, war ich auf Zoom, auf Teams, ich habe im ganzen Vereinten Königreich zu den Auswirkungen von Corona geforscht, ich habe mit (Forschungs)Teams in Zimbabwe, Malawi, Sierra Leone, Nigeria, Uganda, Bangladesch geforscht.
Jetzt wissen Sie, wovon ich bei Zoom und Teams spreche. Vor zwei Jahren wussten Sie das nicht, oder vielleicht schon, aber unser Zuhörer_innen hätten nicht gewusst, worüber wir sprechen. Und nun shoppen sie, plaudern, machen Tests, hören sich Kulturelles an, alles über das Internet.
Solange man Internet hat, ist es befreiend, aber wir dürfen nicht vergessen, dass behinderte Menschen 50% wahrscheinlicher kein Internet haben, wie eine Studie im Vereinten Königreich herausgefunden hat. Wir müssen also die digitale Spaltung („digital divide“) überwinden.
Udo Seelhofer: Warum ist das so?
Tom Shakespeare: Ich denke, die Hälfte aller behinderter Menschen sind ältere Menschen, das könnte somit erklären warum manche Menschen nicht online sind, obwohl ich viele ältere Menschen kenne, die (sehr wohl auch) online sind, nicht alle, ich denke, es geht auch um Armut, denn wenn du nicht genug Geld hast, kannst du nicht online gehen, du kannst dir buchstäblich keinen Laptop leisten, oder wenn du von Bildung oder Beschäftigung ausgeschlossen bist, dann hast du möglicherweise nicht die Übung für den Umgang mit dieser Technologie.
Es gibt also eine Menge solcher Faktoren, und wir können diese überwinden. Sehr interessant war im Vereinten Königreich, als die Pandemie einschlug, haben manche der NGOs ihre Förderungenvon Live Events in Notebooks, Laptops und so weiter gesteckt, und diese dann behinderten Menschen gegeben, damit diese teilnehmen konnten. Und wir müssen sicherstellen, dass jede_r teilnehmen kann.
Udo Seelhofer: Glauben Sie, dass die Digitalisierung Menschen mit Behinderungen neue Chancen am Arbeitsmarkt bietet bzw. bringt?
Tom Shakespeare: Ja, ich denke, dass die Digitalisierung neue Chancen bietet. Wenn du in der Wissensökonomie arbeitest, kannst du von zu Hause aus arbeiten, du musst nicht verreisen, somit kannst du Barrieren überwinden, wenn du hauptsächlich einen Computer verwendest, du kannst sehbehindert sein und die Software JAWS verwenden, diese wandelt alle Dinge die wir sehen in Dinge die wir hören können um, somit wissen wir, dass viele Blinde online sehr aktiv waren.
Und das gleiche gilt, wenn du neurodivers bist und vielleicht nicht mit 50 Leuten in einem Büro sein möchtest, dann kannst du in einem Büro mit einer Person oder von zuhause aus arbeiten, du musst nicht mit diesen Zeiten in Berührung kommen, die dich verstören oder stressen. Beispielsweise Hauptverkehrszeiten, Stoßzeiten, in den Zügen und so weiter.
Ich denke also, dass es viele Wege gibt, um das zu überwinden, und nun spreche ich nur von ganz grundlegenden Dingen, und dann gibt es da natürlich, wir haben in dieser Woche im Zuge der „zero project conference“ Sachen kennengelernt, da gibt es zum Beispiel eine Technologie , mit Namen „Be my Eyes“, die ist für sehbehinderte Menschen gedacht. Wenn ihnen etwas begegnet, was sie nicht sehen können, dann verbinden sie sich mit einem Freiwilligen, der sehen kann, und es ihnen beschreibt bzw. erklärt.
Das ist eine sehr kurze – das muss nur eine sehr kurze Interaktion sein, aber sie können sagen, „okay“, „ich kann hier drei Knöpfe sehen, die sind mit x, y und z gekennzeichnet, und mir scheint du sollst diesen Knopf drücken“, und so geht’s. Die Person, die uns das gestern im Österreichischen Parlament präsentiert hat, erzählte von einem Vorfall, ich glaube in Ungarn, wo jemand aus dem Bus herausgelassen wurde, eine blinde Person, mitten in der Nacht, in einer ihr unbekannten Gegend, sehr gefährlich, aber mit dieser „Be my Eyes“-Software war sie mit jemanden verbunden, der sie beraten konnte, und (sogar) ein Ungar der irgendwo in Nordamerika war und mit ihr online verbunden blieb, mehrere Stunden lang, glaub ich, bis sie zurückfand und ihr Ziel erreichte.
Somit denke ich, ja, das ist Technologie, die Menschen zusammenbringt, und ich finde, diese Technologie zu nutzen um Menschen zusammenzubringen und Barrieren zu überwinden, ist wirklich spannend.
Udo Seelhofer:Ich denke, es ist wichtig zu ergänzen, dass diese Technologien nicht als Ausreden vom Arbeitgeber genutzt werden sollen.
Tom Shakespeare: Absolut! Ich glaube nicht dass das bedeutet, dass zukünftige Generationen behinderter Menschen nur zuhause sitzen brauchen, weil das Zuhause barrierefrei ist. Nun, überhaupt nicht, ich glaube nicht, dass es ein Vorwand der Stadt oder des Arbeitgebers sein sollte, um keine behindertengerechten Arbeitsplätze, barrierefreie Verkehrsmittel, keinen zugänglichen öffentlichen Raum gestalten zu müssen, natürlich nicht, aber es könnte für die zusätzliche Produktivität von allen beitragen.
Ich arbeite an der Universität, und, wie ich schon gesagt habe, war ich die letzten paar Jahre zuhause, aber wenn wir uns von Angesicht zu Angesicht treffen und Sie mir in die Augen schauen können, haben wir ein Interview von höherer Qualität als wenn wir es über Zoom abhalten würden, da bin ich mir sicher, es wird daher nie Face-to-Face ersetzen.
Wir hatten gestern ein Board-Meeting von „Licht für die Welt“, und mit Menschen im selben Raum interagieren zu können war sehr hilfreich, und wir sind auch schneller zu einer Einigung gekommen, wir haben schneller verstanden, und ich denke, für Face-to-Face gibt es keinen Ersatz. Trotzdem hat diese „vermittelte“ Kommunikation einigen Nutzen.
An meinem Arbeitsplatz, kommen wir zurück ins Büro, fantastisch! Und die Erwartung von unserem Arbeitgeber ist, dass wir nicht 5 Tage die Woche dort sein sollen, sondern es werden 2 Tage erwartet, wenn wir Vollzeit arbeiten, und wir müssen dafür sorgen, dass sich alle Meetings ausgehen, damit wir einander von Angesicht zu Angesicht, also Maske zu Maske, begegnen können.
Also im selben Gebäude, oder Büro und dass wir dort auch die Barrierefreiheit verbessern. Ich glaube das wird interessant denn wir werden, so nehme ich an, wir werden auch flexible Arbeitsplätzen und Büroräume haben.
Wenn wir ein privates Meeting haben, werden wir einen Raum haben für uns, wie wir ihn hier haben, in einen ruhigen Bereich des UN-Gebäudes, und den Rest der Zeit werden wir flexibel arbeiten.
Ich denke, alles was ich gesagt habe ist relevant für Menschen, die in der Wissensökonomie leben und arbeite. Es ist komplizierter, aber auf keinen Fall unmöglich, wenn man in der Landwirtschaft arbeitet, oder in anderen Bereichen.
Eines der quasi Spin-Offs von „Licht für die Welt“ präsentiert barrierefreie Landwirtschaft, und die strukturieren Kambodscha um, welches, wenn man so will, im Alleingang aufgebrochenist und wir wünschen alles Gute.
Sie waren Teil der „Licht [für die Welt]“-Familie und nun werden sie unabhängig aus eigener Kraft, und sie versuchen zu gewährleisten, dass behinderte Menschen an Landwirtschaft teilhaben können. Sie werden Lösungen haben, darauf freue ich mich.
Udo Seelhofer: Wie ist generell die Lage am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen?
Tom Shakespeare: Ich denke, dass in Österreich die Beschäftigung von behinderten Menschen abnimmt.
Udo Seelhofer: Warum?
Tom Shakespeare: Ich weiß nicht warum, denn ich kenne den österreichischen Arbeitsmarkt nicht gut genug. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es in Großbritannien wirklich schwer ist, die richtige Person für den Job zu finden. Ich weiß, dass es in Österreich genauso ist, weil wir mit einer Krise konfrontiert sind.
Qualifizierte Leute können wählen und sich’s aussuchen, sie können gehaltsmäßig und sonst mehr erwarten, dann müssen wir uns an die behinderten Menschen wenden, denn die haben die Fähigkeiten, die wollen den Job, also warum sie nicht anstellen? Und ich denke das trifft (auch) auf Österreich zu, auf das Vereinte Königreich und auch offen gesagt auf Afrika.
Udo Seelhofer: Das erinnert mich an einen anderen Teil Ihrer Rede, wo Sie meinten, dass behinderte Menschen oft der Motor von Innovationen seien, die treibende Kraft dahinter, und Sie haben den Scooter erwähnt, quasi als Beispiel -
Tom Shakespeare: Ja! Nur als Beispiel, wissen Sie, zuhause habe ich für meinen Rollstuhl einen elektrischen Zusatzmotor, der mir in der Stadt ermöglicht, ca. 10km zu flitzen, bevor ich ihn wieder aufladen muss. Jetzt hatte ich ihn schon ein paar Jahre bis ich bemerkt habe, dass London voller E-Scooter ist, jeder hat einen, und sie sausen herum, und alle Lieferservicefahrer_innen haben E-Räder, und ich denk mir, „Moment mal, wir haben damit angefangen“, es waren die Benutzer_innen motorisch angetriebener Rollstühle, und ich meine Leute mit zusätzlichem Antrieb, alles Lithium-Batterien mit einer dazupassenden Technologie, die sie nun verwenden, und die wir uns als erste haben einfallen lassen.
Wir waren der erste Absatzmarkt. Ich hab gemerkt, dass ich auf meinem Telefon auch Hörbücher konsumieren, und so viele Leute hören ihre Bücher auf ihren Geräten. Wo ist das hergekommen? Nun, es waren blinde Menschen, alte Menschen, die begonnen haben, Bücher von Aufnahmebändern zu hören bzw. zu lesen, und plötzlich hatten sind alle auf den Geschmack gekommen, jeder wollte das benutzen, und nun ist es eine weit verbreitete Technologie für alle. Mein gestriges Argument war daher, dass tatsächlich oft alle davon profitieren, wenn nach Lösungen für behinderte Menschen gesucht wird.
Udo Seelhofer: Das ist Fortschritt, in der Technologie und in vielen anderen Bereichen…
Tom Shakespeare:Genau! Ich denke aber, Technologie bewegt sich nicht immer vorwärts. Ich kann ihnen sagen, viele Ihrer Zuhörer_innen werden Touchscreen auf ihren Telephonen verwenden, die sind (aber) richtig schwierig für blinde Menschen.
Sie können es sich denken: wenn Sie von Tasten zu Touchscreens übergehen wissen blinde Menschen plötzlich nicht mehr, wo sie ihre Finger hintun sollen. Sagen sie bei den städtischen Infrastrukturen „oh, wir werden eine Mischnutzung unseres Umfelds für Autos, Fahrräder, Scooter, Fußgänger_innen haben, die werden aufeinander Rücksicht nehmen.
"Wir brauchen keine (geregelten) Straßenkreuzungen (mehr)“ – Moment mal, was ist mit blinden Menschen? Diese wissen nicht, dass sie nicht vor ein Fahrrad treten sollten, diese wissen nicht, wo sie die Straße überqueren, wir müssen daher sicherstellen, dass alle unsere inklusiven Lösungen auch wirklich für alle inklusiv sind, mit unseren verschiedenen physischen Bedürfnissen.
Udo Seelhofer: Wenn ich das aus dem Blickwinkel des Arbeitgebers aus betrachte, wäre ich sehr, nun, dumm, um ehrlich zu sein, wenn es sich bei wem um einen Vordenker handelt und ich ihn nicht einstellen würde…
Tom Shakespeare: Ja, ich meine, wir profitieren alle davon. Wir haben übers Internet gesprochen, wer hat es erfunden? Sie wissen eh, wenn Sie nach Silicon Valley fahren, wie viele neurodiverse LeuteSie dort finden werden? Eine Menge! Bill Gates, glaube ich, ist Autist, und viele Menschen, die wirklich gute Ingenieur_innen sind, wirklich gute Technologie-Leute, wirklich gute Leute für das Internet oder Webdesign, sind selber behindert, auf die eine oder andere Weise.
Es geht darum aufzuzeigen, dass wir wirklich alle Begabungen all dieser Leute brauchen, und dass wir in Diversität eher einen Vorteil sehen als in Behinderungen ein Problem. Dann werden einige Probleme wie die Erderwärmung, oder die technische Revolution, sich als leichter lösbar herausstellen.
Udo Seelhofer:Ein weiteres Problem, das oft auftritt, und zwar bei jedem, ist, dass Menschen, die auf Jobsuche sind, Kompromisse eingehen müssen, um der Jobbeschreibung zu entsprechen und vielleicht eine Chance auf den Job zu haben, während der Job bzw. der Arbeitgeber das überhaupt nicht macht. Wie kann das korrigiert werden?
Tom Shakespeare: Ich denke, sobald der Arbeitsmarkt eng ist, wenn jeder gebraucht wird, dann sind plötzlich Frauen auch im gebährfähigen Alter, oder behinderte Menschen oder ältere Leute viel attraktiver für Arbeitgeber, denn sie müssen delegieren, aber wenn sie Vorurteile haben, werden sie nicht alle Leute als dazu fähig ansehen.
Aber Studien zeigen, dass behinderte Menschen wirklich gute Arbeitnehmer_innen sind, sie sind sehr loyal, sie arbeiten sehr hart, und sie wollen den Job (wirklich), und es ist (ja auch) viel schwieriger für behinderte Menschen, sich um andere Jobs umzusehen und (vielleicht) festzustellen, „Oh, ich will den Job, diesen Job will ich nicht!“, wenn der Arbeitgber also flexibel sein kann, wird die behinderte Person das (auch) honorieren, aber wenn man sagt, „ah, das ist unzumutbar, man kann nicht von Arbeitgeber_innen erwarten, dass sie behinderte Personen integrieren, dann müssen wir erstens sagen, dass behinderte Menschen Profit bringen werden, aber wir müssen auch sagen, schau, gar nicht so lange her und man hat Frauen auch integrieren müssen, und es ist dir auch zugute gekommen.
Es ist die Flexibilität, wir wollen (doch) nicht, dass alle weiß, männlich, able-bodied sind, nicht? Österreicher_innen, oder Brit_innen, wir brauchen die Diversität, denn da kommt unser Nutzen her, dann sieht erstens unser Arbeitsplatz (auch) wie die Welt da draußen aus, aber unsere Arbeitswelt hat dann auch alle Fähigkeiten um die Probleme von heute anzugehen und zu lösen.
Udo Seelhofer: Ich sehe (noch) einen Vorteil von behinderten Arbeiter_innen in der eigenen Firma, nämlich, dass sie auch eine neue Perspektive in Bezug auf behinderte Kund_innen hereinbringen, oder?
Tom Shakespeare: Genau! Ich denke, behinderte Menschen als Mitarbeiter zu haben heißt nicht nur, dass du vermutlich Probleme innerhalb deines Business lösen wirst, sondern auch, mehr Einblick in die Bandbreite von Menschen zu haben, die dein Service nutzen wollen, deine Produkte kaufen oder in deinem Bereich mitarbeiten.
Und ich denke, das kann Fehler verhindern. Eine Studie hat herausgefunden, dass Voraussetzungen schaffen und Services barrierefrei machen – und man würde annehmen , dass das teuer ist, und es ist teuer im Hinblick auf was wir retro fit nennen, nämlich Anpassungen (erst) später zu machen. Aber wenn wir von Anfang an inklusive designen, dann fügt das höchstens ein Prozent oder ein halbes an Kosten hinzu.
Aber in Wirklichkeit eröffnet dir das einen viel größeren Markt an Leuten, die deine Dienste in Anspruch nehmen wollen. Wie Sie wissen,bin ich 55, Ich verstehe junge Leute nicht (mehr), es wäre somit sehr dummvon mir, keine jungen Leute in meiner Belegschaft zu haben , denn ich würde sonst nie junge Leute verstehen.
Die können sagen „nein, das wird nicht funktionieren, versuch es erneut, das ist nichts anderes als ein und dasselbe, geh anders auf die Leute zu“, und ich darauf danke, das ist wirklich hilfreich, du hast mir einen Einblick gegeben, den ich anderenfalls nicht hätte!“.
Das gleiche passiert mit behinderten Menschen, die werden sagen“ nein, das klingt bevormundend, formuliere das neu, das wird funktionieren, für diese Leute“, und auf diese Weise kann dein Markt wachsen, und irgendjemand liefert, und am Ende des Tages ist es (genau) das, worum‘s im Business geht.
Udo Seelhofer: Von einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt betrachtet könnte man sagen, dass es (eigentlich) ziemlich schlau ist, behinderte Menschen anzustellen, weil der potenzielle Gewinn durch sie die Kosten weit übersteigt.
Tom Shakespeare: Das würde ich so sagen, und die Schlussfolgerungen meines Vortrags gestern im österreichischen Parlament…. Ich bin ja Brite, wie Sie wissen, und ich verbringe meine ganze Zeit damit, die Werke von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert zu hören, sie füllen mein Leben mit Freude! Sie alle hatten Behinderungen, wir wissen von Beethovens Gehörlosigkeit.
Viele Musiker_innen haben irgendeine Art Behinderung die ihr Leben in gewisser Weise einschränkt, aber sie bringen uns Freude! Meine Botschaft war, hört auf alle Fälle Musik! Meine Aussage war: hört auf behinderte Menschen, den sie werden Freude in euer Leben bringen, weil sie eure Vorstellung, was möglich ist, erweitern werden, weil sie wundervolle Arbeiten kreieren werden, von denen ihr profitieren werdet, und wenn ihr eine diverse Belegschaft habt, eine diverse Öffentlichkeit, diverse kreative Künste, dann werdet ihr wirklich von all diesen unterschiedlichen Beiträgen profitieren.
Udo Seelhofer: Nachdem Sie klassische Musik erwähnt haben: wie würde das Lied der Inklusion klingen?
Tom Shakespeare: Einer unserer „Zero Project“-Preisträger_innen hat über Musik gesprochen, die von Menschen kreiert wird, die nur ihre Augen bewegen können, und es wurde dieses tolle musikalische Interface präsentiert, und all diese Kinder und jungen Menschen, die Musik nützen und vorher nie dabei sein hätten können, sie haben darauf gespielt. Und es war wirklich bemerkenswert.
Nun wissen wir (ja), dass vielleicht nur 10 Prozent der Menschheit überhaut richtig gut in Musik ist, aber warum sollte Behinderung dabei eine Hürde sein? Der Klang der Behinderung/en würde diese Menschen so mit einschließen, würde die Menschen mit einer Hand oder gar keinen Händen einschließen, würde auch die Stimmen anderer unterschiedlicher Menschen dabei haben, die alle etwas beizutragen haben, es wäre ein wundervoller Chor, indem die Talente aller verschmelzen. Also ja, das ist Inklusion, es ist ein Kreis, das ist die Botschaft.
Udo Seelhofer: Sie waren nun schon einige Male in Wien – leistet die Stadt gute Arbeit in Bezug auf Inklusion?
Tom Shakespeare: Ich finde es überhaupt nicht schlecht, ich meine, ich habe mich zu meinem Kollegen gewandt und gesagt, „ Ich möchte zum Kunsthistorischen Museum, ich nehme die U1, wird das barrierefreisein?“, und er sagte „ja, ist sehr gut!“, und ich hab (ja) meinen elektronischen Stadtplan von Wien, ich werde (also) zum Kunsthistorischen Museum fahren, mein Lieblingsort, und ich werde mir Arbeiten von Bruegel ansehen, einer meiner Lieblingskünstler, nach Kaffe und Kuchen in einem Kaffeehaus, auf sehr traditionelle Wiener Art und Weise.
Ich denke also, Wien hat‘s (durchaus) verstanden, Ich finde (aber) es braucht mehr in Österreich um sicherzustellen, dass behinderte Menschen völlig inkludiert sind, das ist auch, was ich im Parlament gesagt habe, aber niemand ist zu mir gekommen und hat gemeint „Wie können Sie es wagen?!“, (sondern) man kam auf mich zu und bedankte sich, man kam auf mich zu und sagte „Ja, Sie haben Recht, wir müssen diese Hindernisse ansprechen und alles inklusiver gestalten“. Wir sind wohl alle auf der selben Reise, und Österreich setzt einige wirklich wichtige Schritte, und ich liebe Österreich, ich hoffe sehr, dass wir alle zusammenfinden.
Udo Seelhofer:Was ist Ihre Meinung zur Repräsentation von Menschen mit Behinderungen in der britischen Mediendarstellung?
Tom Shakespeare:Ich fand es grundsätzlich schlimm, wenn nicht behinderte Schauspieler Behinderte spielten, oder wennWitze auf Kosten von behinderten Menschen gemacht wurden, aber nun hat man realisiert, dass behinderte Menschen nicht nur tragisch, super, wundervoll, verkrüppelt sind…ja, sie sind (ganz) gewöhnliche Menschen, wir haben facettenreichere Darstellungen, und wir haben außerdem einige wirklich gute Schauspieler_innen.
Ich denke dabei zum Beispiel an Liz Carr in „Silent Witness“, ich denke an Mat Fraser in vielen vielen Produktionen, ich denke dabei an – natürlich kennen wir alle Peter Dinklage in „Game of Thrones“ und „Cyrano“.
Also, wenn du geeignete Schauspieler_innen hast, dann hast du alle Fähigkeiten die alle anderen auch haben, jeder weiß wer sie sind und dass sie genauso gut einen Film „tragen“ können. Dann bewegst du dich in die richtige Richtung, und es ist dasselbe mit schwarzen Schauspieler_inne, mit queeren Schauspieler_innen oder wem auch immer, es ist eine üppigere Pallette wenn du die Diversität der Menschen berücksichtigst.
Und davon abgesehen, leben behinderte Menschen ihre Leben wie alle anderen auch – wirklich, sie verlieben sich, ihre Herzen werden gebrochen, sie können wundervoll sein, sie können erbärmlich sein, oder was auch immer, aber sie sollten nie stereotypisiert werden. Und traditionelle Darstellungen waren sehr stereotyp und haben die reichhaltige Bandbreite nicht erfasst.
Udo Seelhofer: Wie könnte man das verbessern?
Tom Shakespeare: Ich denke eine Verbesserung wäre, wenn wir behinderte Menschen als Autor_innen, als Schauspieler_innen, als Regisseur_innen hätten, hinter der Kamera und vor der Kamera.
So wird klar, wir können es besser, wir können wirklich die Geschichten erzählen, die die Berührendsten sind, die Lustigsten. So können wir die Kluft überbrücken, die zwischen behinderten Menschen und anderen Menschen besteht. Alles was zählt ist, dass wir Menschen sind.
Und dass behinderte Menschen alles andere genauso machen, also warum sie nicht neben nicht behinderten Menschen zeigen? Neulich kam ein Herr, ein Rollstuhlfahrer auf mich zu um mich zum Thema Eugenik zu interviewen, und während wir sprachen stellte sich heraus, dass er einer der Autor_innen von „Coronation Street“ war, eine berühmte Fernsehserie in Großbritannien. Und hier war er, ein Rollstuhlfahrer, und einer der Autor_innen für „Coronation Street-".
Das ist genau das. was wir wollen: wir wollen Leute wie dich, um Skripte zu verfassen, von denen alle etwas haben, und es ist dasselbe für einen Film. Wir haben Kabarett-Shows/Serien im TV-Hauptprogramm,da gibt es eine die „The Last Leg“ heißt, mit einem Haufen behinderter Menschen, und die sind sehr lustig, und so sollte es sein
Udo Seelhofer:Warum ist die Arbeit von „Licht für die Welt“ so wichtig, Ihrer Meinung nach?
Tom Shakespeare: Ich denke, wir müssen (auf jeden Fall) Solidarität ausbauen, zwischen den nördlichen Ländern und den südlichen, und zwischen nicht behinderten und behinderten Menschen. Wir haben noch immer einen langen Weg vor uns, wie wir wissen, bis Länder wie Äthiopien, und Süd-Sudan, und Mosambik, Uganda, Burkina Faso wirklich gleich sind. Daher stehen wir nach wie vor Schulter an Schulter mit unseren Freund_innen im globalen Süden, wir müssen nach wie vor mitarbeiten, damit sie mehr und bessere augenärztliche Versorgung bekommen, bessere Bildung, bessere Berufsaussichten.
Eines Tages werden wir nicht mehr, wie bisher, in unsere eigene Tasche greifen müssen, aber in der Zwischenzeit können wir es nicht den Regierungen überlassen, wir müssen solidarisch sein, und das ist, warum „Licht für die Welt“ versucht, alle Spenden unserer österreichischen, britischen, deutschen, schweizer, niederländischen, belgischen Freund_innen - welche auch immer- in wirklich gute Projekte fließen zu lassen.
Und was wir im globalen Süden versuchen ist eben nicht nur Kosmetik, sondern Transformation bzw. grundlegende Veränderung. Deshalb arbeiten wir an einer Systemveränderung, damit sichergestellt wird, dass zum Beispiel Kinder eine Ausbildung bzw. Unterricht bekommen. Im globalen Süden gibt es Kinder, die nicht zur Schule gehen, und von diesen Kindern hat jedes dritte Kind eine Behinderung. Das ist untragbar.
Ich hab vorhin schon gesagt, dass wir in einer Wissensökonomie leben. Wenn Kinder mit Behinderungen keinen Zugang zu Bildung erhalten, haben sie keine Chance in der Wissensökonomie.
Sie sind nicht geförderte Talente quasi ungenutzes Potenzialoder ungeschliffene Diamanten. Was wir also zu gewährleisten versuchen, ist, dass sie eine Bildung erfahren, die sie konkurrenzfähigmach. Auch die Beschäftigungszahlen zeigen, dass ihnen das ermöglicht, eine Arbeit zu bekommen. Wir haben wunderbare Inklusionbotschafter_innen, ein tolles starkes Modell in Kenia und in Uganda, und wir versuchen es auf weitere Länder auszudehnen.
Dabei bringen wir jungen behinderten Menschen bei, andere zum Thema beseitigbare Barrieren und Inklusion zu beraten. Und das Tollste ist, es funktioniert! Wir wollen, dass andere Menschen davon erfahren, und das ist, warum wir anderen unsere Geschichte erzählen.
Udo Seelhofer: Was müssen wir als Gesellschaft in Bezug auf Inklusion (noch) lernen?
Tom Shakespeare: Ich glaube, wir müssen behinderten Menschen (einfach) zuhören. Sie sind die Menschen, die mit Barrieren konfrontiert sind. Wenn wir also beginnen, auf eine bescheidene Art und Weise zuzuhören, werden wir verstehen, wo die Probleme liegen. Und wenn wir dann zusammenarbeiten können um die Barrieren zu entfernen.
Ein Beispiel: Ich bin in Cambridge in eine Schule gegangen, wo es keine Frauen gab, in dem Jahr, bevor ich dort anfing, und plötzlich gab es Frauen, und sie mussten (nun), wie es eben ist, alle Menschen gleichwertig behandeln. Heutzutage finden wir es merkwürdig, dass irgendein Bildungsweg nicht für Frauen offen war, und ich denke in den kommenden Jahren werden wir es ungewöhnlich finden, dass die breite Masse/der Mainstream für behinderte Menschen nicht offen/zugänglich war. Und wir werden unseren Glückssternen danken, dass behinderte Menschen endlich all das tun können, was auch alle anderen tun wollen.
Udo Seelhofer: Was kann ich, als Individuum, tun, um das voranzubringen?
Tom Shakespeare: Nun, ich denke, SIE, ich spreche Sie als Radio-Interviewer jetzt ganz persönlich an, helfen mir (gerade/dabei), unsere Geschichte zu erzählen. Aber Sie als Bürger, Sie können sagen „also nein, wir brauchen hier eine Rampe“, „wir können die Fahrräder hier nicht (einfach so) hinschmeißen“, „warum können das nicht auch andere Leute benutzen, wo sie doch auch was davon haben könnten?“
Um ein Beispiel zu nennen: ich spreche oft vor verschiedensten Zuhörer_innen, und auf Englisch sprechen wir von sowas wie einem „Menal“, also wenn das ganze Penal (nur) aus Männern besteht, Mann Mann Mann Mann, und ich finde es ist an den Männern gelegen/für die Männer obligat zu sagen, „nein, ich werde an sowas nicht teilnehmen, denn es schließt die Hälfte der Bevölkerung aus, macht es besser!“.
Und ich denke, auf die selbe Art und Weise können nicht behinderte Menschen sagen „Moment mal, der Veranstaltungsort, wo das Meeting stattfinden soll, der ist für behinderte Menschen nicht zugänglich, ich werde daher nicht teilnehmen! Es gibt keine Rampe, keinen Lift, da gibt es keine Toilette….ich komme nicht zu der Veranstaltung, bis ihr das hinbekommen habt!“
Das sind also Dinge, die nicht behinderte tun können um uns zu helfen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, denn schließlich haben nicht behinderte Menschen die Hürden dort aufgebaut, sondern IHR seid das gewesen, also entfernt auch IHR sie, mit unsere Expertise, und wir werden alle davon profitieren.
Udo Seelhofer: Ich finde, das sind sehr starke Worte, mit denen wollen wir das Interview abschließen. Mister Shakespeare, haben Sie vielen Dank für Ihre Zeit!
Tom Shakespeare: Vielen Dank für die Einladung!