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.Freak-Meinung: Virtuelle finanzielle Fußfesseln für sozial Schwache in Österreich?
Während die Welt zum globalen Dorf wird, während die Reisefreiheit und Berufsfreiheit zu einem gemeinsamen Gut der Eliten wird, schränken Sozialpolitiker in Wien und in Österreich dieses Recht gerade bei sozial Schwachen ein.
So dekretiert die Stadträtin Wehsely behinderten Einwohnern, die Persönliche Assistenz brauchen, dass sie nur 35 Tage im Jahr außerhalb Wiens leben oder arbeiten dürfen. Und das Arbeitsmarktservice des österreichischen Sozialministeriums streicht arbeitslosen Arbeitssuchenden, die im europäischen Binnenmarkt nach einer Arbeit suchen, das Arbeitslosengeld: Weil das AMS nur den österreichischen Arbeitsmarkt kennt, obwohl es seit mehr als 20 Jahren einen europäischen Binnenmarkt gibt, zu dem auch Österreich gehört. Ironie am Rande: Alle anderen dürfen vom Europäischen Binnenmarkt profitieren, doch arbeitslose oder behinderte Menschen werden von ihm so ferngehalten.
Eine Frage des Grundrechts und eine Frage von internationalen Abkommen
Es ist das Wesen unserer Demokratie, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind - und nicht, wie George Orwell einst ironisch anmerkte, dass manche "gleicher" seien - oder auch ungleicher: Immer öfter kommt es nun jedoch in Österreich vor, dass Menschen, die sozial benachteiligt sind, von grundlegenden Rechten ausgeschlossen werden, eben weil sie Unterstützung des Staates brauchen. Geldleistungen werden immer öfter mit Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit verknüpft. Doch das verstößt nicht nur gegen den Gleichheitsgrundsatz in unserer Verfassung, sondern auch gegen fundamentale Prinzipien der UNO, der OSZE und der EU.
Denn während in der Europäischen Union das Prinzip des freien Personen- und Warenverkehrs eine der Grundsäulen ist, gibt es in Österreich mehr und mehr Bestimmungen, die gerade sozial Schwache von diesem Grundrecht ausschließen wollen. Dieser freie Personenverkehr ist in der Europäischen Union eine der Säulen der Grundfreiheiten und beinhaltet die freie Ein- und Ausreise, das freie Wohnrecht, die Niederlassungsfreiheit, einen freien Aufenthalt und die freie Arbeitsplatzwahl. Und auch in der UN-Konvention über die Rechte von behinderten Menschen ist die freie Wahl des Aufenthalts ein wichtiger Grundsatz. Dort heißt es etwa: "Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Freizügigkeit, auf freie Wahl ihres Aufenthaltsorts" (UN-Charta über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - Artikel 18 Freizügigkeit und Staatsangehörigkeit). Österreich ist ein Vertragsstaat und das österreichische Parlament hat den Inhalt dieser Charta in seine Gesetze aufgenommen.
Doch es gibt ein viel älteres Regelwerk, das vor 35 Jahren mitgeholfen hat, den Kalten Krieg zu beenden: den Vertrag von Helsinki. Angesichts der Restriktionen der Ostblock-Staaten (mit eisernem Vorhang und Berliner Mauer) haben viele Staaten, federführend auch Österreich im KSZE-Prozess (heute OSZE) und in der Helsinki-Schlusserklärung 1975 im Korb 3 besonderen Wert auf Reise- und Aufenthaltsfreiheit der Bürger gelegt. Niemand konnte damals ahnen, dass dieses Recht 35 Jahre später auch für Österreicherinnen und Österreicher eingeschränkt würde.
Virtuelle finanzielle Fußfessel: Wer Wien verlässt, verliert die notwendige Unterstützung durch Persönliche Assistenz
In Wien herrscht derzeit Wahlkampf. Dementsprechend versuchen viele Parteien zu punkten, unter anderem die SPÖ. Doch während die Behindertensprecherin Gabriele Mörk davon spricht, dass "die SPÖ hat in den vergangenen Jahren gezeigt" habe, "dass sie an der Seite der Menschen mit Behinderung" stehe und für sie arbeite, weil es "ohne die Wiener SPÖ die Pflegegeldergänzungsleistung für die Persönliche Assistenz" nicht geben würde und diese "ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung" gewesen sei, schränkt die zuständige SPÖ-Stadträtin Sonja Wehsely diese Pflegeergänzungsleistung durch eine drastische Maßnahme wieder ein: Die Bürokraten ihres Ressorts der mit SPÖ-Mehrheit regierenden Alleinregierung haben sich also ausgedacht, dass behinderte Menschen sich nur 35 Tage außerhalb Wiens aufhalten dürfen, sonst verlieren sie diese Leistung.
Dabei sollte auch die Wiener Stadtregierung die gesetzlichen Bestimmungen der österreichischen Verfassung, und die verbindlichen Beschlüsse der OSZE, der UNO und vor allem der EU eigentlich kennen. Somit ist diese Verordnung grob rechtswidrig!
Es ist ja absurd genug: Verwandte und Freunde besuchen, Weiterbildung, beruflich im Ausland arbeiten oder Urlaub sind jetzt für Menschen mit Assistenzbedarf nunmehr am 36. Tag verboten? Aber für Unternehmer, Reiche und eigentlich für alle anderen gilt das nicht? Es kann doch nicht sein, dass die Grundfreiheiten für alle gelten, nur eben nicht für die sozial Schwachen, die Unterstützung brauchen. Und noch absurder, dass Funktionäre einer Partei mit dem Wort "sozial" Sozialleistungen mit der Verweigerung verbriefter EU-Freiheiten verknüpfen.
Ist das wirklich sozial? Wer meint, es könne ein Bürgerrecht gegen ein anderes getauscht werden, ein Recht gegeben und ein anderes genommen werden, der verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz: Solche Ideen sind weder sozial, noch demokratisch.
"Soziale Gerechtigkeit", aber nicht für Menschen mit Sachwalter und Mindesteinkommen?
Wenn Bürgermeister Michael Häupl zum Wahlkampfauftakt in Wien postuliert, er werde "die Steuerpolitik der Reaktionäre nicht unterstützen, bei denen nur die Kleinen zur Kasse gebeten werden und noch weniger verdienen sollen als vorher" und es ihm "um Gerechtigkeit" gehe, dann werden ihm viele zustimmen. Wenngleich auch die Frage gestellt werden kann, warum ausgerechnet Menschen, die einen Sachwalter brauchen und oft nur ein Mindesteinkommen haben, schon seit einem Jahr Gerichtsgebühren von fast fünf Prozent ihres Vermögens an den Staat abliefern müssen und so zur Sanierung des Budgets beitragen.
Aber die Reichen sind gleichzeitig ungeschoren geblieben, und die SPÖ hat dieser Regelung mit der ÖVP zugestimmt. Aber wenn es dem Bürgermeister wirklich um soziale Gerechtigkeit geht, warum verordnet dann seine Stadträtin, dass ausgerechnet behinderte Wienerinnen und Wiener in ihrer Bewegungs- und Berufsfreiheit eingeschränkt werden?
Der Europäische Binnenmarkt gilt für alle, nur nicht für österreichische Arbeitslosenbezieher
Das AMS von Sozialminister Hundsdorfer exekutiert eine ähnlich diskriminierende Bestimmung: Während wir längst einen EU- Arbeitsmarkt haben, auf dem sich Unternehmer und Arbeitnehmer frei bewegen können, dürfen das Arbeitslose nicht:
Selbst wenn sie in andere EU-Länder fahren und dort einen Job suchen oder Kontakte knüpfen, wird ihnen für jeden Tag in anderen EU-Staaten ihre Arbeitslosenleistung gestrichen. Denn sie entzögen sich dem Österreichischen Arbeitsmarkt. Als gäbe es keinen Europäischen Arbeitsmarkt!
Diese kleinkarierte Tellerrand-Politik stellt sozial Schwache schlechter! Und sie hat auch etwas von dem, was wir bis vor 20 Jahren im Ostblock erlebt haben: Die Leute einsperren - auch wenn die Mauern und Zäune nun unsichtbar sind.
PolitikerInnen sollen also Menschen, die Sozialleistungen beziehen, nicht verbriefte EU-Rechte wegnehmen, die sozial Starke aber haben und nutzen!
So wird die Demokratie geschwächt, der Sozialstaat und die EU-Grundfreiheiten ad absurdum geführt. Aber letztlich bekommt auch eine Partei, die sich immer wieder für sozial Schwache einsetzen will, ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie dieser Bevölkerungsgruppe selbstverständliche Grundrechte wegnimmt.