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Rubrik: Leichter Lesen
04. April 2010

Freak-Ostersendung 2010

von Franz Hoffmann und Gerhard Wagner

Freak-Radio hat zu Ostern 2010 eine Sendung gemacht: Darüber, wie behinderte Menschen in der Kirche feiern.

ein Kirchenfenster wirft bunte Schatten auf die Wand

www.pixelio.de

Wussten Sie, dass es Gottesdienste für gehörlose Menschen gibt? Wussten Sie, dass für gehörlose Menschen auch  ihre Sprache, die Gebärdensprache verwendet wird?
Wussten Sie, dass in der Kirche Menschen mit Lernbehinderungen Ereignisse aus der Bibel spielen? Und gehörlose Menschen dies sogar ohne Sprache machen?
Wussten Sie, dass es im Stefansdom mehrere Lifte und Rampen gibt?
Freak-Radio hat sich umgehört und berichtet, wie auch Menschen mit Behinderungen in den Kirchen Ostern feiern können.

Ein Gottesdienst im Speisesaal                         

Am Anfang der Sendung hören wir einen Chor aus Behindertenheim der Caritas in Retz in Niederösterreich. Dort gibt es regelmäßig Messen im Speisesaal. Dieser wird für die Messe hergerichtet. Meist singen die Bewohner mit Lernbehinderung gemeinsam mit Musikern aus der Umgebung. Und sie musizieren auch mit verschiedenen Schlaginstrumenten, wie Trommeln, Schellen oder Triangeln....

Die Rollstuhlfahrer sitzen in der ersten Reihe. Zu verschiedenen Liedern oder Gebeten machen die Bewohner auch bestimmte Bewegungen und Gesten. So verstehen viele Bewohner die Texte besser.

 

Bewohner spielen Ereignisse aus der Bibel nach

Es gibt unterschiedliche Arten von Behinderung auch in Retz. Manche verstehen nur ein paar Worte, mit anderen kann die zuständige Frau von der Caritas, Renate Trauner, auch in längeren Sätzen reden. Zu Ostern werden Szenen aus der Bibel gespielt. Zum Beispiel spielen die Bewohner die Begegnung des auferstandenen Jesus mit einer Frau: Zuerst ist er nämlich Maria Magdalena begegnet, und nicht einem Mann. Und dann spielen sie auch eine andere Begegnung: Zwei Anhänger von Jesus sind nach seinem Tod traurig aus der Stadt gegangen. Bei ihrem Spaziergang nach Emmaus schließt sich ein Fremder an. Mit diesem unterhalten sie sich sehr gut. Und schließlich erkennen sie, dass das Jesus ist, und er lebt.

Deshalb gibt es in Österreich Leute, die am Ostermontag spazieren gehen und das Emmaus-Gang nennen, in Erinnerung an diese Begegnung. Renate Trauner erzählt, dass Menschen mit Lernbehinderung die Person des Jesus sehr gerne spielen. Sonst wollen die Leute diese Rolle nicht so gerne spielen.

So erleben die Menschen mit Behinderung, was das für eine große Freude ist: Wenn man einen Menschen wieder sieht, den man nicht mehr erwartet hat. 

 

Für andere Verantwortung übernehmen

Adolf Holl ist ein berühmter Religions-Experte. Er weist darauf hin, dass die Bibel 2000 Jahre alt ist. Deshalb steht auch nirgends: Ich war behindert, und ihr habt mir eine Rampe gebaut. Aber in der Bibel geht es um Leute, denen es schlechter geht. Und es geht darum, dass jeder auch für die anderen verantwortlich ist.

Renate Trauner erzählt ein Beispiel aus dem Wohnhaus in Retz. Dort ist ein älterer Bewohner schon recht krank. Ein jüngerer Bewohner kümmert sich jetzt um ihn.  Davor hat er wenig Kontakt zu ihm gehabt. Aber jetzt bringt er ihm ein Wasser, wenn er es möchte. Oder er trägt ihm den Teller nach dem Essen weg und bringt ihm, was er braucht. Der jüngere Kollege ist richtig hilfsbereit und liebevoll mit dem kranken älteren Bewohner.

 

Priester mit Behinderung

Markus Bräuer arbeitet derzeit für behinderte Menschen in der Wiener Assistenz-Genossenschaft. Er sieht und hört auch selber nicht gut. Früher war er Priester in Wien. Er hat sich die Texte für die Messe immer vergrößert, damit er sie gut sieht. Und bei Gesprächen, in denen die Leute ihre Sünden gebeichtet haben, hat er aufgepasst, dass er sie gut hören kann.

Er berichtet von einer Stelle in der Bibel: Viele Leute sagen ja, Behinderung ist eine Folge von Sünden. Genau das Gegenteil steht in der Bibel. Niemand hat eine Schuld, wenn jemand behindert ist. Wenn jetzt jemand sagt, dass Behinderung eine Strafe Gottes ist, dann sagt er genau das Gegenteil von dem, was in der Bibel steht.

Toni Faber, der Dompfarrer der Stefanskirche, sperrt für die Hörerinnen und Hörer von Freak-Radio ein Kirchentor auf. Er zeigt auf die Rampe für Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen oder gehbehinderte Dombesucher. Er erzählt von drei Liften im Dom. Ein Lift führt zur Pummerin, der berühmtesten Glocke Österreichs. Diese kann man immer wieder zu Neujahr hören. Ein Lift führt zur Orgel und zum Chor. Ein dritter Lift, den man nicht gleich sieht, führt in den Keller. Dort gibt es alte Begräbnisstellen. Oder man kommt auch zu einem Pausenraum für Dom-Mitarbeiter.

Einer von ihnen ist ein Priester im Rollstuhl. Im Rollstuhl liest er auch Messen von einem barrierefreien Altar. Außerdem ist er auch Priester und geistlicher Berater (Seelsorger) für Kranke im AKH (Allgemeines Krankenhaus). Es gibt auch noch einen zweiten Priester mit Behinderung im Stefansdom, der mit einem künstlichen Arm (=Armprothese) die Messe feiert. 

 

Soziale Unterstützung für Menschen mit Behinderung

Michael Landau ist katholischer Priester und der Direktor der Caritas in Wien. Er sagt:  Wir setzen uns für Selbstbestimmung ein. Jeder Mensch soll auch mit Behinderung normal leben können.

Die Grundhaltung der Caritas ist für Michael Landau: Behindert ist, wer behindert wird. Es geht um einen Abbau von Barrieren in der Gesellschaft, aber auch in den Köpfen. Für Michael Landau ist es völlig normal, verschieden zu sein. Er sagt: Gott hat uns in all unserer Buntheit und Verschiedenheit geschaffen. Und das ist gut so.

Sein Kollege, der Direktor der evangelischen Diakonie, Michael Chalupka, ist evangelischer Pfarrer. Er setzt sich für die frühe Förderung von behinderten Kindern ein. Diese sollen mit technischen Hilfen leichter am Arbeitsplatz tätig sein. Und sie sollen besser am Computer mit ihren Freunden  in Kontakt treten können.  Dadurch wird eine neue Lebenswelt eröffnet.

Also geht es Priestern und Pfarrern nicht immer um den Gottesdienst allein - sondern auch um eine Verbesserung der Situation von behinderten Menschen und anderen, die es brauchen.

 

Ein Gottesdienst für alle!

Einmal im Jahr findet ein Gottesdienst für alle Menschen mit Behinderung statt. An diesem nehmen nicht nur katholische und evangelische Christen, sondern auch syrisch-orthodoxe (Ostkirchen) teil.  Dieser Gottesdienst findet am Samstag nach Ostern in der Pfarrkirche Schedifkaplatz (im 12. Wiener Gemeindebezirk) statt.

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.


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