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Rubrik: Freak Aktuell
19. April 2006

Geplante Verbesserungen im Sachwalterrecht

 

Seit Jahren gibt es immer wieder schwerwiegende Klagen über Missbrauch von Sachwalterschaften:
Rechtsanwälte und Notare haben bis zu 1.000 (!) Menschen zu betreuen, um die sie sich natürlich nicht persönlich kümmern können.
Freak-Radio hat darüber bereits mehrmals (auch in einem Text für Menschen mit Lernschwierigkeiten) berichtet.
Kritiker sprechen davon, dass Sachwalterschaften ein gutes "Geschäft" geworden seien. Das will die Justizministerin Karin Gastinger nun ändern.

Im Entwurf des Justizministeriums wird vor allem die "deutliche Vermehrung der Sachwalterschaften" kritisiert. Die Folge sei eine "Überlastung der Gerichte mit Sachwalterverfahren und - damit verbunden - steigende öffentliche Kosten". Somit, so wird argumentiert, bestehe ernste Gefahr, "dass die Sachwalterschaft in ihrer Schutzfunktion nicht mehr wirksam und auch nicht glaubhaft" sei, so das Justizministerium.
Sie werde daher immer häufiger "als ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Autonomie älterer Menschen angesehen."

Folgerung des Justizministeriums:

Die Sachwalterschaft müsse daher "auf jene Fälle eingeschränkt werden, in denen die Bestellung eines Sachwalters mangels Alternativen, die die Autonomie des Betroffenen wahren, unumgänglich ist."

Wie sehen die Änderungen nun im Einzelnen aus und welche Verbesserungen sind für Menschen, die eines Sachwalters bedürfen, nun zu erwarten?

Vorsorgevollmacht

Die wohl wichtigste Verbesserung stellt sicher die Einführung der im § 284b bis § 284d geregelten Vorsorgevollmacht dar.
Mit der Ausstellung einer solchen Vollmacht ist es jeder Person möglich zu bestimmen, wer nach Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichtsfähigkeit ihr rechtlicher Vertreter sein soll. Das heißt konkret, jeder kann selbst bestimmen, wer im Falle der Geschäftsunfähigkeit sein "Sachwalter" sein soll.

§ 282:Aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf:
"Im Gegenzug soll die Selbstbestimmung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen gestärkt werden.
Dies soll in erster Linie durch eine gesetzliche Regelung der Vorsorgevollmacht geschehen. Sie setzt den Betroffenen in den Stand, zu einem Zeitpunkt, in dem er noch über die erforderliche Einsichts- und Urteils- bzw. Geschäftsfähigkeit verfügt, eine Person seines Vertrauens als zukünftigen Vertreter (in näher zu bezeichnenden Angelegenheiten) zu betrauen.
Ziel der Regelung (§§ 284b bis 284d ABGB) ist es, die administrativen (und finanziellen) Hürden für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht möglichst gering zu halten und dennoch ein höchstmögliches Maß an Rechtsschutz zu gewährleisten. Der Erfolg dieses neuen Rechtsinstituts wird dennoch weitgehend von begleitenden (Werbe-)Maßnahmen und der Akzeptanz seitens der öffentlichen Einrichtungen, wie etwa Sozialversicherungsanstalten und der Banken, abhängen. In diesem Zusammenhang ist seitens des Bundesministeriums für Justiz geplant, ausgehend von den gesetzlichen Vorgaben eine Mustervorsorgevollmacht zu erstellen."

Patientenverfügung

Außer der Vorsorgevollmacht gibt es auch die Patientenverfügung und unterscheidet sich von dieser: Damit kann jeder - für den Fall seiner Einsichts-, Urteils- bzw. Äusserungsfähigkeit - festhalten, welche medizinische Behandlung er oder sie später haben will.

Vertretungsbefugnis

Ein ganz wichtige Entscheidung stellt der § 284e bis § 284h dar. Er bestimmt die
Vertretungsbefugnis der Eltern und anderer nächster Angehöriger. Dieser Paragraph soll in Zukunft ungewünschte Sachwalterschaften durch fremde Personen von außen verhindern.
Weiters stellt der Entwurf klar, "dass neben nahe stehenden Personen, Vereinssachwaltern sowie Rechtsanwälten und Notaren (subsidiär zu diesen) auch andere geeignete Personen als Sachwalter bestellt werden können."

Mit dem § 281 soll den Wünschen und Vorstellungen des Betroffenen, sein Leben selbst zu gestalten, entsprochen werden. Der Sachwalter soll sogar zur Wunschermittlung verpflichtet werden.

Gemäß § 281 Abs.3 muss die Verwendung des Vermögens für die Bedürfnisse der unter Sachwalterschaft stehenden Person im Vordergrund stehen.

Anrufung des Pflegschaftsgerichtes bei Miss-Ständen

Als ein ganz wichtiges Rechtsschutzinstrument erscheint auch die Wiedereinführung des seinerzeit abgeschafften Popularantragsrechtes in der Form der jedermann eingeräumten Möglichkeit, jederzeit das Pflegschaftsgericht anzurufen.

Aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf:
"Der Schutz vor Missbrauch der Vorsorgevollmacht und der erwähnten Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger zum Nachteil des vertretenen psychisch Kranken oder geistig Behinderten soll durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt werden:
Wichtigstes Rechtsschutzinstrument ist in diesem Zusammenhang die jedermann eingeräumte Möglichkeit, jederzeit das Pflegschaftsgericht anzurufen, das dann im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahrens bzw. - im Falle der Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger - eines eigenen Außerstreitverfahrens die Lebenssituation des Betroffenen zu prüfen und festzustellen hat, ob die Vorsorgevollmacht Angehöriger wirksam und daher die Bestellung eines Sachwalters entbehrlich ist oder nicht bzw. ob die gesetzliche Vertretungsmacht zum Schutz der behinderten Person aufzuheben und ein Sachwalterverfahren einzuleiten ist."

Nur noch 5 bis höchstens 25 besachwaltete Menschen pro Kurator (Sachwalter)

Schließlich werden Höchstzahlen für die Übernahme von Sachwalterschaften vorgeschlagen.
In ähnlicher Absicht soll darauf geachtet werden, dass die Sachwalter (Kuratoren) die wichtige persönliche Betreuung auch gewährleisten.

§279/4: "Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, als sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß zu betreuen in der Lage ist. Es wird vermutet, dass eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen kann; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht."

§ 282: "Der Sachwalter hat mit der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten. Sofern er nicht bloß zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist, hat dieser Kontakt mindestens einmal im Monat stattzufinden. Der Sachwalter hat sich weiter darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird."

Neu vorgesehen ist auch die Möglichkeit der Bestellung eines Vereins zum Sachwalter - also nicht einer einzelnen Person. Dieser Verein hat dann allerdings auch eine Person zu nominieren. Bei dieser Variante einer Vereins-Sachwalterschaft gibt es keine Höchstgrenzen.

Änderungen des Vereinssachwalter- und Patientenanwaltsgesetzes: § 8.(1): "Der Bundesminister für Justiz hat den Vereinen den Aufwand, der mit den durch ihre Mitarbeiter erbrachten Betreuungs- und Beratungsleistungen im Zusammenhang steht, im Rahmen der jeweils im Bundesfinanzgesetz für diese Zwecke verfügbaren Geldmittel zu ersetzen. Dabei ist eine möglichst ausreichende Versorgung der Betroffenen mit Vereinssachwaltern, Patientenanwälten und Bewohnervertretern sicherzustellen."

Die Begutachtungsfrist für diesen Entwurf hat am 15. März 2006 geendet. Ins Parlament soll diese Materie Ende April kommen. Doch die Zeit drängt: Bald endet die Legislaturperiode. Es bleiben nur noch wenige Wochen, soll dieses Gesetz tatsächlich noch wirksam werden.


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