Inhalt:
.Hausparty: Hinein ins freie Leben!
Ein junger Mann mit Behinderung zieht in seine erste eigene Wohnung. Zur Einweihungsparty lädt er Familienangehörige, Freunde und Freundinnen und andere ein. Alle sollen mit ihm dieses wichtige Ereignis zu feiern.
Gerlinde Zickler aus Tulln vom Verein „Miteinander leben“ hatte die Idee, dass Menschen mit Lernbehinderung selbst sagen können, wie sie leben wollen. Michael Ledwinka aus Zwentendorf hat mit behinderten und nicht behinderten Schauspielern aus Tulln ein Theaterstück aufgeführt.
Paul Rothen spielt sich selbst. Er hat eine Gehbehinderung und arbeitet in der Werkstätte in Tulln. Er hat bisher im Wohnhaus mit anderen behinderten Bewohnern gelebt. Jetzt hat er seine eigene Wohnung. Gerhard Wagner (von Freak-Radio) spielt seinen Freund. Auch Freak-Radio hat dieses Projekt tatkräftig unterstützt. Am 3. September 2008 hat deshalb dieses Theaterstück in Wien stattgefunden und wurde von Freak-Radio gesendet.
Wie ist es in den eigenen vier Wänden?
Paul und Gerhard haben gerade die Wohnung fertig geschmückt und warten auf die ersten Gäste. Paul erzählt, dass ihm in der neuen Wohnung überhaupt nicht fad ist, weil es auch viele andere Mieter gibt. Im Sommer treffen sie sich auch im schönen Innenhof. Meistens ist Paul aber froh, wenn er zuhause seine Ruhe hat.
Gerhard möchte von Paul wissen, ob es für ihn eine Schwierigkeit ist, selbst zu kochen. Das hat Paul aber schon zuhause gelernt, deshalb gibt es keine Probleme.
Jetzt muss sich Paul um die Miete und alle Zahlungen selbst kümmern. Hat er eigentlich schon eine Mahnung bekommen? Nein, das ist noch nie passiert. Jetzt läuft es sogar automatisch über die Bank.
Der erste Gast, Harald kommt, und beginnt gleich, ein Bild zu malen, dass er Paul für die Wohnung schenken will.
Die Angst der Eltern...
Frau Susanne und ihre Tochter Manuela kommen. Manuela wohnt noch im Wohnheim. Ihre Mutter ist gewohnt, sie überallhin zu begleiten. Sie sagt: Grüß Dich Pauli, wir haben Dir etwas mitgebracht. Und zu ihrer Tochter: Komm setz Dich nieder, Manuela, und sag schön Grüß Gott!
Manuela gefällt die Idee einer eigenen Wohnung sehr gut. Sie kann sich das gut vorstellen. Ihre Mutter ist entsetzt: Nein, nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Manuela, du bleibst im Wohnhaus! Jetzt mischen sich sogar Leute vom Publikum ein: Warum? Das kann doch nur positiv sein!
Auch Paul will wissen, warum sich das die Mutter nicht vorstellen kann: Sie hat einfach Angst um ihr Kind. Paul antwortet: Jede Mutter hat Angst um ihr Kind. Aber irgendwann sollte jeder lernen, so gut es geht, selbständig zu leben. Denn sonst wird das Kind vielleicht niemals selbständig sein.
Werden die Leute eigentlich auf das Wohnen alleine vorbereitet? Paul hat schon bei seiner Mutter viel gelernt. Er hatte auch eine eigene Übergangswohnung. Dort konnte Paul für die eigene Wohnung üben.
Küchenarbeit
Der nächste Gast ist Norbert. Er bringt einen Stabmixer. Ein Mann aus dem Publikum hat Angst, was da alles passieren kann. Aber der Stabmixer ist relativ sicher. Die Messer sind gut geschützt.
Und wie schwierig ist es, die Wohnung sauber zu halten? Einmal im Monat kommt eine Reinigungsfrau, die die Fenster putzt. Sie säubert auch die Flächen, zu denen Paul nicht kommt. Aber Paul kann sogar mit Krücken Staub saugen. Mit einer Hand stützt er sich auf den Stock, mit der anderen Hand saugt er.
Auch das Geschirr wäscht er gleich ab. Einer Frau im Publikum gefällt das sehr gut. Sie hofft, dass ihn bald auch eine Freundin unterstützen wird. Manuela erzählt, dass sie Spinat, Spaghetti, Gemüse und Salat machen kann. Die Mutter ist wieder skeptisch: Von dem kann man doch nicht leben. Aber auch Kochen kann man lernen, sagen andere.
Gibt es eigentlich Versicherungen für behinderte Menschen? Man kann eine Haushaltsversicherung abschließen wie jeder andere auch. Eine Frau aus dem Publikum erklärt, dass es jetzt auch eine Versicherung gibt, die einem hilft, Recht zu bekommen. Diese Versicherung heißt Rechtsschutzversicherung.
Freizeitaktivitäten
Kathi, der nächste Gast, bringt einen Gutschein fürs Schwimmbad.
Paul geht selbst gerne schwimmen. Er geht mit seinen Stöcken ins Wasser. Wenn er im Wasser ist, gibt er sie auf den Beckenrand und schwimmt mit seiner Schwimmweste. Kathi benützt den Rollstuhl und braucht einen Lifter. Ein Lifter hebt wie ein Kran den Baderollstuhl ins Wasser. Es gibt nicht viele Bäder, die das haben.
Karin, der nächste Gast, bringt auch einen Gutschein - für eine Fahrt ins Zillertal. Ein Zuschauer des Stücks wundert sich: Wie kommt man denn mit dem Rollstuhl über so viele Stufen zum Bahnhof Tulln? Das ist doch gefährlich. Paul erklärt, dass es auf einem Gleis einen ebenen Zugang für den Rollstuhl von der Straße aus gibt. Wenn sich Paul rechtzeitig anmeldet, helfen die Bahnangestellten ihm über die Gleise auf die anderen Bahnsteige. Das ist an sich kein Problem. Viele Züge sind flach und daher mit Rollstuhl gut zu erreichen. Für andere Züge braucht man einen Lift, der den Rollstuhl hinauf hebt.
Einmal musste Kathi und der Rollstuhl ohne Lift aus dem Zug gehoben werden. Dabei ist etwas passiert: Der Rollstuhl war am nächsten Tag kaputt.
Und was geschieht, wenn ein barrierefreier Zug davonfährt, in den umsteigen wollte?
Paul hat bisher keine Probleme gehabt. Kathi hat aber schon öfters erlebt, dass manchmal Anmeldungen verloren gegangen sind. Einmal hat sich Kathi sogar beschwert. Nach dem Gleichstellungsgesetz, das es seit 2006 gibt, hat sie ein Verfahren beantragt und hat Recht bekommen.
Die eigene Hochzeit
Karin ist schon eine ältere Frau. Sie erzählt, dass sie schon einmal verheiratet war. Damals war sie noch jung. Die Großmutter hat sie damals hinausgeworfen. Sie wollte nicht, dass ihre Enkelin mit Behinderung geheiratet hat. Stolz zeigt Karin den Ring, den sie heute noch trägt. Ihr Mann ist schon lange tot. Er ist schon bald nach der Hochzeit gestorben. Trotzdem denkt Karin sehr gerne an diese Zeit: Ich würde es sofort wieder machen, sagt sie.
Norbert hat sich auch schon für eine eigene Wohnung angemeldet. Auf einmal kommt heraus, dass er und Manuela ein Paar sind und gemeinsam leben wollen. Die Mutter ist entsetzt: Das weiß ich ja gar nicht! Nein, nein, das geht nicht. Ich habe Angst, dass etwas passiert, dass Manuela ausgenutzt wird.
Manuela erzählt, dass sie sehr gerne gemeinsam spazieren oder ins Cafehaus gehen. Sie sind zusammen, seit sie gemeinsam ins Wohnhaus eingezogen sind.
Ist Liebe erlaubt?
Der letzte Gast, Franz bringt Paul ein extra großes Bettzeug, dass man auch zu zweit schlafen kann. Auch Manuela und Norbert könnten das so machen. Ein Zuschauer meint, dass man dann wegen Kinder aufpassen muss. Er will wissen: Wer ist denn dafür zuständig?
Für Paul ist Liebe selbstverständlich. Jeder hat das Recht dazu. Und es gibt auch eigene Beratungen dafür. Auch über Sexualität. Da sind sogar die Eltern dabei. Da kommen Vortragende und Berater und es kann über alles geredet werden. Schließlich gibt es ja auch Verhütungsmittel. Die können alle, auch behinderte Menschen verwenden.
Franz erzählt von seiner Freundin, die im Wohnheim in Wien lebt. Sie kann nicht zu ihm in die Wohnung. Denn sie kommt mit ihrem Rollstuhl nicht einmal in den Aufzug. Sie kommt also nicht zu ihm. Er war eine Zeit lang bei ihr im Wohnheim, aber jetzt wird das nicht mehr geduldet. Es ist sehr schwer, und beide leiden darunter. „Wir haben uns sogar überlegt, in ein Hotel zu gehen.“
Auch Kathi wohnt in einer eigenen Wohnung. Sie hat Assistenz, die ihr über Barrien hilft. Ihr schreibt niemand vor, wann sie jemand besucht oder wer bei ihr wohnt.
Sie und ihr Freund gehen abwechselnd einmal zum einen oder zur anderen. Das wichtigste ist, dass beide in die Wohnung hineinkommen.
Viele Menschen mit Behinderungen müssen mit Vorurteilen kämpfen, wenn es um das Thema „Liebe“ geht. Paul erzählt, dass er schon schlechte Erfahrungen gemacht hat. Jetzt freut er sich, dass die Eltern seiner neuen Freundin nichts gegen die Beziehung mit ihm haben.
Am Schluss kommt als Überraschungsgast MC Ron und bringt einen Lied zum Abschluss: Dieser Weg wird kein leichter sein. Alle sind begeistert.
Die Gespräche bei der Party haben die Mutter zum Nachdenken gebacht. Am Ende meint sie, dass Manuela, ihre Tochter doch versuchen soll, selbständig zu leben. Dafür bekommt sie einen kräftigen Schlussapplaus von den Zusehern und Zuhörern.