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.Inklusion, Integration und die Macht von Sonderschulen
Petra Flieger ist ausgebildete Sonderschullehrerin und Psychologin. Sie ist seit langem eng mit der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung verbunden und arbeitet als Sozialwissenschaftlerin. Vor ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit hat sie sieben Jahre in Integrationsklassen unterrichtet, in einer Alternativschule und in öffentlichen Schulen. Zurzeit setzt sie sich wieder intensiver mit der schulischen Integration in Österreich auseinander. Und sie schlägt Alarm. Denn die Integration behinderter Kinder in Österreichs Schulen geht zurück statt voran. Von Inklusion im eigentlichen Sinn sind wir meilenweit entfernt.
Freak Radio hat Petra Flieger zu einem Gespräch gebeten.
Die Fragen stellen Katharina Zabransky und Margarete Endl. Moderationstexte gesprochen von Josef Heinz.
K.Zabransky: Wir haben uns getroffen um über die österreichische Schulintegration zu sprechen. Allgemein oder umgangssprachlich spricht man auch von Integration. Was ist der Unterschied zwischen Inklusion und Integration?
P.Flieger: Da gibt es einen sehr grundlegenden Unterschied. Integration heißt, dass es getrennte Systeme gibt oder getrennte Welten gibt, die werden mehr oder weniger zusammengeführt. Das ist Integration. Inklusion ist der wesentlich radikalere Ansatz, weil Inklusion heißt, es gibt überhaupt keine Trennung. Inklusion heißt eigentlich: ohne Aussonderung. Inklusion ist das Gegenteil von Exklusion. Bei Inklusion geht es um einen radikalen und fundamentalen Systemwechsel. So wie wir jetzt in Österreich die Situation haben, haben wir ein extrem aussonderndes Schulsystem.
Wir haben von Anfang an neben der Volksschule die Sonderschule. Es gibt einfach immer noch kleine Kinder die von vornherein in die Sonderschule kommen. Da findet Aussonderung statt und das hat überhaupt nichts mit Inklusion zu tun. Wenn einzelne Kinder in die Regelschule gehen, dann kann man das Integration nennen, aber grundsätzlich ist das Bildungssystem ein ganz stark aussonderndes und wir sind sehr weit von einem inklusiven Schulsystem entfernt.
K.Zabransky: Wenn es um positive Beispiele geht, kennen sie Länder wo es eine vernünftige Inklusion in der Schule gibt?
P.Flieger: Es ist lustig, ich lebe jetzt seit 12 Jahren in Tirol, ich bin ursprünglich aus Wien- und ich brauche nur 30 Kilometer in den Süden fahren, nach Südtirol, da herrschen wirklich inklusive Zustände. Es gibt in Südtirol keine Sonderschule mehr. Es gibt keine Exklusion mehr, es gibt keine Sonderklassen mehr. Sie haben die gemeinsame Schule der 6 bis 15jährigen, und da gehen alle Kinder miteinander in die Schule. Und sie haben es auch im Lauf der letzten 20 bis 25 Jahren geschafft, auf die Bedürfnisse von allen Schülern und Schülerinnen gut eingehen zu können und den Bedürfnissen gerecht zu werden. Das betrifft ganz Italien. Südtirol ist deshalb für uns so interessant, weil man dorthin fahren kann und fein deutsch reden kann. Man ist eigentlich im selben Kulturraum, man ist sich sehr nahe, und hat ein vollkommen anderes Bildungssystem. Das ist das Spannende. Aber natürlich ist das eine Gesetzgebung, die für ganz Italien gilt. Ich weiß auch, dass die Südtiroler, so zu sagen auf diesem Autonomieticket versucht haben, sich gegen dieses Schulgesetz zu wehren, das ja schon Mitte der 70iger Jahre eingeführt worden ist, also die Abschaffung der Sonderschulen und die Einführung eines inklusiven Schulsystems, eines Schulsystems ohne Aussonderung, - Die Südtiroler haben sich also gewehrt, und sie haben auch eine zeitlang eine Übergangsregelung gehabt. Und dann haben sich die Eltern, ... da hat es eine sehr starke Integrationsbewegung von betroffenen Eltern von Kindern mit Behinderung gegeben, die dann gesagt haben: Wir wollen das so wie in Italien, und die dann doch relativ schnell auch in Kooperation mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern die volle Integration, respektive Inklusion wie man da sagen kann, auch in Südtirol durchgesetzt haben. Was vielleicht noch, weil ich das letztens erstmal bei einem Kollegen aus Südtirol nachgefragt habe, interessant ist, weil ich sie gefragt habe, wie lange es gedauert hat, bis dann wirklich von den aussondernden Bedingungen oder der Trennung, die Inklusion hergestellt war.
Und sie hat gesagt: zirka zehn Jahre, bis es einfach überhaupt keine Aussonderung mehr gegeben hat. Also Südtirol hat nie ein so extrem starr und differenziert aufgebautes Sonderschulwesen gehabt wie Österreich.
Da wäre in Österreich wahrscheinlich noch mal genauer hinzuschauen, wie man das umsetzen könnte, welche Schritte man da ergreifen muss, um zu einer richtigen Inklusion zu kommen und die Sonderschulen abzubauen.
K.Zabransky: Die UN-Behindertenrechtskonvention, die ja Österreich auch unterschrieben hat, will die Abschaffung der Sonderschulen und eine inklusive Schule für alle Kinder. Was sind die größten Hürden in Österreich dafür?
P.Flieger: Die erste Hürde ist sicher, dass das Sonderschulsystem und das Sonderschulwesen immer noch extrem stark als eine eigene Schulart aufgebaut sind. Ich pflege ja zu sagen, dass die österreichische Gesetzgebung zur schulischen Integration eigentlich auch zu einer Stärkung der Sonderschulen geführt hat. Da wird es dann kompliziert, weil das mit der Schulverwaltung zusammenhängt, weil das damit zusammenhängt, dass die Länderkompetenzen angesprochen sind und weil das in den Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt wird.
Zweitens: die Sache mit dem Wahlrecht der Eltern. Was auf den ersten Blick so gut ausschaut, hat, wenn man sich die Entwicklung der letzen zwanzig Jahre in Österreich anschaut, nicht dazu geführt, dass sich die Integration wirklich durchgesetzt hat.
Denn bei einer Integrationsquote von 50 Prozent, die in den letzten zehn Jahren relativ konstant ist, kann man nicht sagen, dass das ein erfolgreiches Konzept ist, weil 50 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf immer noch ausgesondert werden. Da wird’s dann auch wieder kompliziert. Die Frage ist, wie erfahren die Eltern denn überhaupt, dass sie ein Recht haben zu wählen. Wer informiert denn die Eltern über die Vor- und Nachteile einer integrativen Beschulung ihres behinderten Kindes, oder von einer Beschulung in der Sonderschule. Die Information erfolgt im Wesentlichen über die Sonderschuldirektoren und Direktorinnen, teilweise auch über die Bezirksschulinspektoren und -inspektorinnen. Da hat sich einfach das Sonderschulsystem mit seinem Einfluss zu stark durchgesetzt. Und das sind alles Elemente, die mehr Integration verhindern.
Die Segregationsquote hat in Österreich ja sehr stark abgenommen nach 1992, stagniert aber seit 12 Jahren (seit dem Jahr 2000). Der Anteil der Kinder insgesamt, von allen Schulkindern, die in eine Sonderschule gehen, nimmt zu. Die Segregationsquote nimmt also seit dem Jahr 2000 zu, weil die Sonderschulen so gestärkt sind, weil sie so viel Einfluss haben, behaupte ich.
Weil die Beratung der Eltern an den Sonderschulen erfolgt, die in Sonderpädagogische Zentren umgetauft worden sind, und die aber ganz offensichtlich - was ja auch aus der Perspektive der Sonderschulen nachvollziehbar ist- ein Interesse haben, die eigene Schule und Schulform zu erhalten und die eigenen Arbeitsplätze zu erhalten. Und dann werden die Eltern eben dahingehend beraten, dass sie das Kind in die Sonderschule geben.
Das ist das eine. Das andere, das in Österreich auch stattgefunden hat, ist, dass die Integration systematisch und ressourcenmäßig ausgehungert worden ist. Über weite Strecken sind also die Ressourcen, die in die Integration fließen wesentlich geringer, als das was in die Sonderschulen geht.
Zwischenmoderation:
Petra Flieger weiß, wovon sie redet, schließlich hat sie selber unterrichtet und dabei viel gelernt. Ihre eigene größte Lehrmeisterin war ein Mädchen, das Petra Flieger vier Jahre lang in einer Volksschule unterrichtete, oder sagen wir besser: in seiner Entwicklung begleitete.- Doch nicht nur die Lehrerin lernte vom Mädchen, auch die Mitschüler und Mitschülerinnen.
P.Flieger: Ich mache das konkret an einem Beispiel fest. Ich habe damals so ein, unter Anführungszeichen nicht integrierbares Kind gehabt. Das war so ein Kind, das auch heute noch an vielen Stellen Österreichs von vornherein nicht integriert würde, weil es heißt: das funktioniert nicht, oder das ist nicht gut für das Kind.
Es war ein Kind, ein Mädchen war es, und sie hat keinen verbalen Ausdruck gehabt, sie hat in der ersten Klasse nur Pizza und Mama sagen können. Sie ist ständig davon gelaufen, sie hat nicht das Konzept vom eigenen Sitzplatz oder so gehabt. Das Mädchen ist oft 30 Mal an einem Vormittag davongelaufen, das war schon anstrengend! Aber nach relativ kurzer Zeit hat die ganze Schule zusammen geholfen, wenn sie herumgelaufen ist, und sie haben sie wieder zurückgebracht. Ich kann mich erinnern, einmal habe ich gesagt: „Habt ihr sie gesehen?“ Und sie haben gesagt: „Nein gerade nicht, aber da vorne ist der Puppenwagen unterwegs- da hat sie eine zeitlang immer einen Puppenwagen in der Schule herum geschoben- vielleicht ist sie das. Na, da war sie dann.
Die ganze Schule hat zusammen geholfen. Am Ende, nach vier Jahren dann, hat sie es ohne Probleme ausgehalten, vier Stunden lang in der Klasse zu bleiben.
Sie hat auch angefangen zu schreiben, Buchstaben zu schreiben und hat auch alleine am Platz sitzen können. Sie hat das einfach alles mit den andern Kindern gelernt gehabt.
Die Frage, wo findet der Unterricht statt, der findet grundsätzlich gemeinsam statt. Weil, was auch ganz schlecht ist: wenn die Kinder ständig raus genommen werden. Das schafft so dieses „Da passiert was, etwas geheimnisvolles, da wissen wir nicht was es ist.“ Aber wenn das immer miteinander passiert, kennt man sich aus, und kann es auch miteinander tragen. So dieses: „Sie reinholen, und aufpassen auf sie.“ - das ist ein guter Ausdruck dessen.
Die Kinder waren sehr sensibilisiert und haben sie in der Gruppe einfach mitgetragen. Dann hat sie angefangen, ein gutes Beispiel für Sprachförderung ohne Sprachtherapeutin, mir in der Früh, "Guten Morgen" zu sagen. Es war großartig, weil sie da jeden Tag 50 Leute gehabt hat, denen sie "Guten Morgen" gewünscht hat.
Wenn die Kinder aber damit aufwachsen, und es grundsätzlich klar ist: wir gehören alle zusammen, manchmal ist es super toll, manchmal ist es auch schwierig aber grundsätzlich gehören wir zusammen und versuchen, miteinander die Dinge zu tun, und zu lernen, und miteinander das Leben zu gestalten und die Welt zu erforschen, dann wird es so etwas Selbstverständliches. Das ist etwas, wo auch wir Erwachsene noch ganz viel lernen müssen, dieses „Von den Kindern lernen“, eigentlich. Die Kinder, bei denen das halbwegs funktioniert, von denen können wir ganz ganz viel lernen, auch die nicht behinderten Kinder, für die das ja dann ganz selbstverständlich ist, es auszuhalten, dass ein anderes Kind ständig davonläuft oder sich am Boden wirft und einen Anfall kriegt oder so. Die haben das mit so einer Selbstverständlichkeit genommen, das war für sie kein Thema. „Sie wird schon ihre Gründe gehabt haben, wenn sie ausgeflippt ist, super, oder“.
Das war ein klassisches nicht- integrierbares Kind. Bei dem Mädchen war es auch so: sie war vorher schon ein Jahr in der Sonderschule, den Eltern hat das überhaupt nicht gepasst und sie hat noch einmal mit der ersten Klasse angefangen. Sie hat zum Beispiel auch noch in der ersten Klasse Windeln getragen. Na dann hat sie halt in der Schule gelernt aufs Klo zu gehen und keine Windeln mehr zu verwenden. Ich kann mich erinnern, dass ich dann einmal in ein Zeugnis hinein geschrieben habe: Super, dass du keine Windeln mehr brauchst.
Aber ich weiß auch, dass es Lehrerinnen gibt, die das einfach ablehnen würden. Sie sagen einfach von vornherein: Jemand der Windeln hat, gehört nicht in die Schule und ich mache das nicht oder so. Ich habe halt gefunden: andere lernen Buchstaben schreiben, sie lernt halt das, was jetzt für sie ansteht. Sie lernt jetzt, keine Windeln zu verwenden und aufs Klo zu gehen.
M.Endl: War das ihr schwierigster Fall oder gibt es noch einen schwierigeren?
P.Flieger: Von Fällen rede ich gar nicht. -Lachen.- In der Klasse waren damals mehrere Kinder mit Behinderung, und ich gebe es zu, ich habe zu ihr immer einen unglaublich guten Draht gehabt. Natürlich hat es Phasen gegeben, in denen ich dachte: „und jetzt, und wie? “. Da war aber einfach von Anfang an soviel Beziehung da, dass das für mich unhinterfragt war. Im Grunde genommen, muss ich sagen, war sie meine große Lehrmeisterin. Ich kann eine Geschichte erzählen.
Es war zum Beispiel so, dass ich mir, ich glaube, es war in der zweiten Klasse, eingebildet habe, sie muss jetzt die Farben lernen. Rot, blau, grün, gelb. Das hab ich mir halt eingebildet, warum auch immer. Dann weiß ich noch, wie sie immer gesagt hat: „blau, grien“. -Lachen.-
Das hat meistens nicht gestimmt. Ich hab mir dann gedacht: jetzt kann sie die Farben immer noch nicht, das wäre doch so dringend notwendig! -Was mache ich denn, sie lernt die Farben nicht. Dann, ein halbes, dreiviertel Jahr später in der Dritten, von einem Tag auf den anderen ist sie… Ich habe das noch so im Kopf, es war so ein schönes Bild, man hätte es filmen müssen. Sie hat angefangen, von Kind zu Kind zu gehen, von Federpennal zu Federpennal und hat dann angefangen, die einzelnen Farben zu nennen, aber: hellrot, dunkelrot, hellgrün, dunkelgrün, rosa und so.
Und ich habe mir gedacht; -Lachen- Was hab ich für einen unnötigen Stress gemacht? Da hat das Kind eigentlich immer nur mir zu liebe gesagt: „..ist rot, ist grien, ist gelb.“ –Lachen.
Ich habe mir einfach eingebildet: sie soll jetzt die Farben lernen, und für sie war es einfach noch nicht interessant. Ein halbes Jahr später, war für sie der Zeitpunkt der richtige.
Das Schöne war eben auch, dass sie von Federpennal zu Federpennal gegangen ist, und ich habe das mit ihr besprochen: was sind denn das für Farben und so. Sie hat mit der größten Selbstverständlichkeit alle Farben benannt. Und ich habe mir ein halbes Jahr vorher gedacht: “Ach Gott! Was rennt falsch, dass sie die Farben immer noch nicht kann!“
Also was sie mir einfach gelernt oder beigebracht hat und worin sie mich gelehrt hat, ist einfach dieses: ruhig und gelassen sein, auf das Kind vertrauen, auch geduldig sein, und wirklich genau hinzuschauen: was ist das, was das Kind jetzt braucht? Und nicht: was bilde ich mir ein, was es jetzt brauchen muss, was ja oft sehr daneben ist.
Da war sie sicher nicht mein schwerster Fall, sondern meine beste Lehrmeisterin. – Lachen.
Ich glaube schon, dass das Sonderschulwesen – was jedem System inne wohnt, eine Selbsterhaltungstendenz hat. Systeme haben grundsätzlich nicht den Anspruch sich aufzulösen, sondern sich am Leben zu erhalten.
Das ist jetzt sehr einfach ausgedrückt, aber, und das hat das Sonderschulwesen, sicherlich auch, verbunden mit einer Interessenspolitik der Gewerkschaften an sich.
Das kann ich aus eigenerer Erfahrung sagen: die Gewerkschaften haben sich für das Thema Schulintegration nie interessiert und haben auch die Interessen der LehrerInnen nicht unterstützt, die in der Integration gearbeitet haben.
Ich denke, es wird auch schon ein Teil sein, dass das im österreichischen Schulwesen noch so normal ist, dass Kinder ausgesondert werden können. Also wenn Pflichtschullehrerinnen Schwierigkeiten mit Kindern haben, dann hat das auch was, dass man die weggeben kann, wenn man das Gefühl hat, man ist überfordert. Das ist halt einfacher als zu sagen: Da muss ich mir eingestehen, da kann ich etwas nicht, da muss ich mich unterstützen lassen, da kommt vielleicht jemand anderer in die Klasse. Das ist halt einfacher, jemanden sozusagen loszuwerden. Wobei, da muss man mit pauschalen Aussagen vorsichtig sein, aber die Tendenz ist da und die Zahlen zeigen das auch. Die höchsten Steigerungen des Anteils an SonderschülerInnen sind in der dritten und vierten Schulstufe, da werden ganz viele Kinder etikettiert, Kinder, die vorher nicht etikettiert waren, die als unauffällig in die Schule kommen, die erhalten in der dritten oder vierten Klasse einen sogenannten sonderpädagogischen Förderbedarf. Und mit vielen, sehr sehr vielen, werden die Sonderschulklassen aufgefüllt. Und dann noch einmal in der neunten Schulstufe, das ist auch interessant.
K.Zabransky: Ich wollte noch mal eher aus Sicht der Eltern fragen, wenn man sich entscheiden muss, gebe ich mein Kind in die Sonderschule oder eben in die Regelschule. Wieso gelten Sonderschullehrer als Experten für behinderte Kinder?
P.Flieger: Weil sie eine spezielle Ausbildung haben, das Lehramt für Sonderschulen. Da lernt man halt alles mögliche über Kinder mit Behinderungen, und man lernt da vielleicht, wie das halt in der Sonderschule funktioniert, wie man dort arbeitet. Und das wird dann halt als die besondere Expertise betrachtet, die es braucht um mit Kindern mit Behinderungen arbeiten zu können, sie zu unterrichten. Das Hauptproblem ist natürlich auch: Viele RegelschullehrerInnen erfahren nichts über die Arbeit mit sehr heterogenen Klassen, mit sehr vielfältigen Klassen mit sehr unterschiedlichen SchülerInnengruppen. Sie erfahren auch nichts über die Arbeit mit behinderten Kindern. Deshalb ist es dann auch so leicht zu sagen: Dort sind die Experten, das schiebe ich sozusagen ab, weil die wissen wie das geht.
M.Endl: Wenn Sie sagen, dass schon in der dritten und vierten Klasse die Kinder in die Sonderschule geschickt werden, - ich nehme an da geht es auch um Migrantenkinder und sozial auffällige Kinder, unangepasste Kinder?
P.Flieger: Das ist ein bisschen schwierig zu beantworten, weil die Datenlage extrem dürftig ist. Es gibt nur ganz wenige veröffentlichte Daten über das Sonderschulwesen in Österreich, die zugänglich sind. Was ein Faktum ist, ist, dass Kinder mit Migrationshintergrund, oder Kinder mit nicht deutscher Muttersprache, dass die in Sonderschulen absolut überrepräsentiert sind. Die Tendenz ist auf jeden Fall da, aber das ist sicher nicht das einzige. Es werden einfach auch noch viele andere Kinder etikettiert und kommen in die Sonderschule. Auf das Thema reduzieren würde ich es nicht. Was sicher auch immer wieder vorkommt- aber auch dazu gibt es keine Zahlen und Untersuchungen, dass Integration begonnen wird, weil es die Eltern wünschen.
Und dann, weil die Ressourcen so schlecht sind, oder weil von vornherein der Widerwille sehr groß ist und die Schulen oder die Lehrerinnen eigentlich nicht wollen, dass das Kind integriert wird, dass es dann in der dritten oder vierten Klasse, wo es auch irgendwie ernster wird, weil da haben wir dann die nächste Trennungsphase, wo mehr auf Leistung oder sehr leistungsorientiert gearbeitet wird, diese Kinder sind dann die gescheiterten Integrationsfälle. Die kommen dann auch in die Sonderschule. Mir sind keine Zahlen aus Österreich darüber bekannt. Es ist auch sehr problematisch, dass es dazu keine Zahlen gibt, aber das sind sicher solche Verläufe, die es oft gibt.
K.Zabransky: Insgesamt, leistet die Sonderschule was sie verspricht?
P.Flieger: Das ist eine spannende Frage.- Lachen. Die Sonderschule leistet überhaupt nicht diese besondere Förderung, die sie verspricht, oder die ihr unterstellt wird, zum Wohl des Kindes. Sämtliche internationalen Untersuchungen, und da gibt es mittlerweile sehr groß angelegte, empirisch sehr gut abgesicherte Untersuchungen, sämtliche Untersuchungen zeigen, dass Kinder in Sonderschulen weniger lernen als vergleichbare Kinder in Integrationsklassen, dass sie aufgrund dessen wesentlich größere Schwierigkeiten haben am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, und dass sie, was ich für sehr, sehr bedeutsam halte, dass sie im Vergleich zu behinderten Kindern, die integriert unterrichtet worden sind, sozial isoliert sind.
Also Sonderschule führt zu Isolation, und integriert beschulte Kinder haben sozial tragfähigere Netzwerke, die sie dann langfristig auch im Erwachsenenalter nutzen können.
Es gibt zum Beispiel eine Studie aus der Schweiz. Sie haben 12 Jahre lang knapp 500 Kinder in einer Längsschnittstudie begleitet, einerseits Kinder mit Lernbehinderungen in Sonderschulen, andererseits vergleichbare Kinder in der Integration. Und die sagen, als ein Teilergebnis zum Beispiel: Kinder mit Lernbehinderung, die integriert beschult worden sind, schaffen es oft noch im Anschluss an ihre Pflichtschulzeit mittlere Schulabschlüsse hinzubekommen. Das ist ein Phänomen, das gibt es von ehemaligen Sonderschülerinnen überhaupt nicht. Die Sonderschule, die hält überhaupt nicht was sie verspricht. Im Gegenteil: Sie behindert und sie führt zu lebenslangen Benachteiligungen.
K.Zabransky: Ich möchte schon noch einmal fragen. Die österreichische Schulintegration hat zur Stärkung des Sonderschulwesens beigetragen. Weshalb genau?
P.Flieger: Weshalb genau ist natürlich eine schwierige Frage. Ich bin der Meinung, dass das Wahlrecht der Eltern dazu geführt hat, dass die politische Entscheidung eine sehr halbherzige geblieben ist. In Wirklichkeit waren die PolitikerInnen damals zu feig um klar zu sagen: Wir wollen die Schulintegration und langfristig ist das Ziel der Abbau der Sonderschulen. Und sie haben im Grunde genommen diese Entscheidung, ich sage immer, privatisiert. Sie haben den Eltern die Entscheidung überlassen. Das mag Anfang der 90er Jahre auch noch eine angemessene Strategie gewesen sein. Aber was gleichzeitig passiert ist: durch den Föderalismus wurde den Ländern sehr viele Kompetenzen überlassen, die Entwicklungen in den einzelnen Ländern sind in Österreich sehr unterschiedlich, extrem unterschiedlich. Wir haben die Steiermark mit einer Integrationsquote von über 80 Prozent und wir haben Bundesländer wie Niederösterreich mit einer Integrationsquote von 30 Prozent und mit einer enormen realen Zunahme von Kindern, die in den letzten 20 Jahren in die Sonderschule gehen.
M. Endl: Warum?
P.Flieger: Weil es so einfach funktioniert hat.
Ich weiß nicht warum. Ich weiß nicht was in Niederösterreich dahintersteckt, warum die das so wollen. Das weiß ich nicht. Die Gesetzeslage ist so schlecht, und das ist jetzt noch einmal die Antwort auf die Frage von vorher- warum hat es in Österreich so funktioniert? Weil das System nicht politisch gesteuert ist, sondern weil sich die Schulverwaltungen verselbstständigt haben. Und das hat auch niemand beobachtet. Es ist das Problem, dass die Forschung so vernachlässigt ist. Oder die Statistik Austria, wenn man sich da Zahlen anschauen will zum Thema Sonderschulen oder Kinder oder Schülerinnen mit Behinderungen, es gibt fast keine Zahlen dazu. Es herrscht einfach kein Interesse daran, politisch genauer hinzuschauen, und das zu hinterfragen was passiert denn eigentlich. Man lässt es sich einfach verselbstständigen.
Und das ist das, was ich als halbherzig bezeichne. Sie sagen, wir haben eine supertolle Gesetzgebung und bei uns dürfen die Eltern entscheiden. Und dann nicht mehr so genau hinzuschauen, was passiert denn da eigentlich, wie entwickelt sich das, und auch kein Interesse daran zu haben, das ist halbherzig oder doppelzüngig. Also dann denke ich mir, in Wirklichkeit, ist es ihnen sowieso recht, dass die behinderten Kinder ausgesondert werden.
M.Endl: Warum ist eigentlich die Steiermark da anders als zum Beispiel Niederösterreich? Wissen Sie welche Kräfte da am Werk sind?
P.Flieger: Ja, ich glaube schon, das relativ klar sagen zu können. Die Steiermark war von Anfang an, - das war damals der Bernd Schilcher, der ja ein österreichweit relativ bekannter Bildungspolitiker ist, er war damals in der Vorphase zur Gesetzeswerdung 1992, Landesschulratspräsident der Steiermark. Er hat sich damals schon sehr dafür eingesetzt, dass die Gesetze kommen und dass auch etwas in der Steiermark passiert. Und dann hat es eine sehr Pro-Integration engagierte Landesschulinspektorin gegeben, die sich dafür sehr eingesetzt hat, und die, die Integration konsequent umgesetzt hat.
Ich finde es problematisch bei einem Gesetz, dass das so ungleich umgesetzt werden kann und, dass ein Gesetz für die Schulintegration in einem Bundesland wirklich zu mehr Integration führt und in anderen Bundesländern genau zum Gegenteil. Da denke ich mir, da stimmt was nicht, dass das mit einem Gesetz möglich ist, und da komme ich wieder zur Halbherzigkeit. Was steckt da für eine Halbherzigkeit dahinter, so ein Gesetz zu machen, und dann nicht zu beobachten, wie das Gesetz umgesetzt wird, oder zu steuern, wie das Gesetz umgesetzt wird. Immer nur zu sagen, das ist halt die Entscheidung der Eltern, das stimmt so einfach nicht. Das ist nicht die Entscheidung der Eltern, weil die ja gemeinsam mit ihren Kindern das schwächste Glied sind. Das Beispiel Steiermark ist ein gutes Beispiel, weil da ist es real einfach so gewesen, dass an entscheidenden Stellen Leute gesessen sind, die gesagt haben: ja wir sind davon überzeugt, dass das die Zukunft ist, und wir wollen schulische Integration in unserem Bundesland.
M.Endl: Gibt es schon Ergebnisse, was das für die Absolventinnen und Absolventen bedeutet?
P.Flieger: Es hat vor zwei Jahren an der Universität Wien ein großes Forschungsprojekt unter der Leitung von Helga Fasching gegeben. Es war eine umfassende, österreichweite Erhebung, darüber, was mit Absolventen von Sonderschulen passiert, und wie die weiteren Wege von Absolventinnen und Absolventen von Integrationsklassen sind. Die haben festgestellt, dass ehemalige Sonderschülerinnen tendenziell nicht pro Integration beraten werden, tendenziell in Beschäftigungstherapien und Sonderprojekte geschickt werden und relativ schnell aufgeben, wenn es nicht gleich klappt. Sie versuchen es vielleicht noch irgendwo bei einer integrativen Berufsberatung, geben dann aber schnell auf. Im Gegensatz zu ehemaligen IntegrationsschülerInnen, die durchaus ausdauernd versuchen am allgemeinen Arbeitsmarkt, in Integrationsprojekten, unterstützt von Integrationsbegleitungen, Fuß zu fassen. Auch wenn sie einmal scheitern, geben sie nicht auf.
Es ist ja ein allgemeines Phänomen, man muss oft ein bisschen dran bleiben bis man wo Fuß fasst und das Richtige findet. Insgesamt sind die Ergebnisse eindeutig so, dass die Sonderschule zur Beschäftigung in der Beschäftigungstherapie oder in Sonderprojekten führt, und die schulische Integration auch längerfristig zu einer Integration am Arbeitsmarkt.
Das hängt sicher auch mit der Beratung zusammen. Insofern muss man wirklich sagen: Sonderschule behindert. Das trifft es sehr gut. Der Mythos von der besonders guten und der besonders förderlichen Unterstützung und Begleitung ist sozusagen ein Märchen.
K.Zabransky: Es gibt auch ein therapeutisches System, also Logopäden, Physiotherapeuten und andere Therapeuten. Sie könnten ja auch in eine normale Schule gehen und ein Kind dort versorgen, behandeln. Gibt es einen Mangel an Zugänglichkeit zu den therapeutischen Angeboten?
P.Flieger: Ich glaube, es geht überhaupt nicht um einen Mangel an Angeboten. Es geht um die Frage: mit welchem Modell biete ich diese Angebote an, und muss das Kind in der Spezialeinrichtung zum Angebot kommen, wo alles (da) ist, oder kommt die Therapeutin in die Schule zum Kind? Und dort in der Schule gibt es einen Raum, wo halt Platz ist.
Ein zentrales Thema in Österreich ist immer noch, dass viele Sonderschulen, gerade solche für Kinder mit Körperbehinderung zum Beispiel, dass das Ganztagsschulen sind, wo alles im Multipack, im All Inclusive Angebot angeboten wird, vom Abholen von zuhause, übers Mittagessen, bis zur Therapie, und sich die nicht mehr darum kümmern müssen. Abgesehen davon, dass es den ganzen Tag Betreuung gibt, - das ist der Querverweis zur Berufstätigkeit der Eltern. In der Integration ist es immer noch nicht selbstverständlich, dass auch ein integrativ beschultes Kind dann integrativ im Hort betreut wird. Da wird es auch wieder kompliziert, weil für den Hort jemand anderer zuständig ist als für die Schule.
Das habe ich zum Beispiel selber erlebt. Ein Kind ist am Vormittag integriert worden, und zu Mittag ist es abgeholt worden und in den Hort in die Sonderschule gesteckt worden, weil es bei uns (in der Schule) einfach keine Nachmittagsbetreuung gegeben hat. Das mag sich jetzt punktuell geändert haben… Ich weiß aber konkret aus Innsbruck zum Beispiel, dass die Frage der integrativen Nachmittagsbetreuung mit der angemessenen zusätzlichen Unterstützung überhaupt nicht selbstverständlich ist. Auch da müssen wieder die Eltern dafür kämpfen. Klar ist, dass sich die Eltern das dann überlegen und sagen: okay, ich bin zwar gegen die Sonderschule, aber in Anbetracht meiner sonstigen Herausforderungen, die ich habe, und das Leben mit dem behinderten Kind ist eh schon sehr anstrengend, ist es schon praktisch, wenn ich es in die Sonderschule (geben kann). Aber das sind alles strukturelle Phänomene, die man ändern könnte.
Noch etwas ganz Wichtiges, aktuelle Zahlen: In Innsbruck ist vor zwei Jahren der Neubau einer Sonderschule beschlossen worden, einer Sonderschule für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf, der kostet zehn Millionen Euro. Im Zuge der Diskussion über die Frage: soll diese Schule gebaut werden, ja oder nein, habe ich vom zuständigen Stadtrat in Innsbruck die Information bekommen, dass Innsbruck im Jahr zirka 125000 Euro investiert, um öffentliche Pflichtschulen barrierefrei zu machen. Mit den zehn Millionen Euro, die dieser Neubau kostet, hätte man wunderbar sämtliche Pflichtschulen Innsbrucks barrierefrei machen können und zum Beispiel zusätzlich wunderbar mit therapeutischen Geräten oder sonst etwas ausstatten können, und wunderbar inklusive Zustände und Rahmenbedingungen herstellen können. Was an der ganzen Geschichte perfide ist, es ist zentral argumentiert worden: Die Sonderschule muss sein, damit die Eltern noch ein Wahlrecht haben. Das ist dann das, wo ich sage: Sorry, aber da rennt etwas schief und das ist ein schlechtes Gesetz, das Gesetz gehört geändert. Meiner Meinung nach, auf dem Hintergrund der UN- Konvention, gehört dieses Wahlrecht der Eltern durch das Wahlrecht der Kinder auf guten inklusiven Unterricht oder gute inklusive Bildung ersetzt.
Das ist in Budgetzahlen gegossene Aussonderungspolitik. Zehn Millionen für den Neubau der Sonderschule, und 125 000 Euro im Jahr für: da mal eine Rampe und dort vielleicht einmal einen Lift. Und dann sagen: „Aber da müssen wir erst einmal ein paar Jahre sparen, damit wir uns einen Lift leisten können, es ist kein Geld da für die Integration und sie kommt uns zu teuer.“ Das ist einfach geheuchelt und da sage ich jetzt besser nichts mehr dazu.
Das ist eine Heuchelei und der Wahnsinn ist, es wird mit dem Wahlrecht argumentiert: Weil wir müssen die Sonderschule bauen, das haben wir im Gesetz stehen, da steht das Wahlrecht und die Eltern müssen wählen können.
K.Zabransky: Gibt es wirklich Eltern die sagen, ich finde keinen Platz in der Sonderschule für mein Kind, wenn ich es hingeben will?
P.Flieger: Die Frage ist ja immer: Wie kommen die Eltern zu dieser Entscheidung zu sagen, ich will mein Kind in die Sonderschule geben. Die Frage ist immer, was ich den Eltern anbiete. Wenn ich ihnen Integration mit halbwegs brauchbaren Rahmenbedingungen anbiete, mit guten räumlichen Voraussetzungen und auch mit der Nachmittagsbetreuung, dann möchte ich mir ansehen, wie viele Eltern sagen, nein ich will, dass mein Kind ausgesondert wird. Ich will nicht, dass mein Kind in die Nachbarschaftsschule ums Eck geht. Ich will, dass es jeden Tag in der Früh eine halbe Stunde hingeführt wird und am Nachmittag wieder eine halbe Stunde zurückgeführt wird. Was wir von der Integrationsbewegung immer gesagt haben: Es muss gleiche Wahlmöglichkeiten geben!
Ich kann nicht, auf der einen Seite die supertolle Sonderschule anbieten, und die ur miese Integration (auf der anderen Seite). Da stimmt etwas nicht, das sind keine gleichwertigen Alternativen, die ich anbiete.
M.Endl: Zum Innsbruck- Beispiel zurück. Sind Sie an die Öffentlichkeit gegangen oder ist jemand an die Öffentlichkeit gegangen?
P.Flieger: Es hat vor zwei Jahren - Lachen- zum Leidwesen der Bürgermeisterin von Innsbruck, die damals dort neu im Amt war, und der das überhaupt nicht recht war, dass das überhaupt diskutiert worden ist, heftigen Widerstand in der Öffentlichkeit und bei den Grünen, daran kann ich mich konkret erinnern, die da ganz, ganz intensiv dagegen argumentiert haben, gegeben. Es hat heftige Auseinandersetzungen gegeben, aber das ist dann halt abgelehnt worden. Die Bürgermeisterin und die SPÖ, fragen Sie mich jetzt nicht nach den Details, wer für den Neubau der Sonderschule gestimmt hat. Es gab einfach eine Mehrheit dafür. Es hat Widerstand gegeben, es ist öffentlich diskutiert worden aber es hat nichts genützt. Das ist dann schon sehr frustrierend, das muss ich schon sagen.
Jetzt haben wir allerdings eine neue Innsbrucker Stadtregierung, in der die Grünen auch dabei sind, also Rot, Grün und diese Bürgerliste, oder die eine ÖVP Liste für Innsbruck. Die haben jetzt im Regierungsübereinkommen stehen, dass es einen Standort einer inklusiven Schule geben soll. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es Pläne, aber da muss man genau hinschauen, wie sie das machen - aus diesem Neubau praktisch eine integrative Schule zu machen, in Kooperation mit einer anderen Schule. Da muss man auch noch einmal schauen, wie sie das dann wirklich machen. Das ist auch wieder nur halbherzig. Entweder ich habe ein inklusives Schulsystem, oder nicht. Alles andere ist eine Augenauswischerei. Man kann nicht sagen: Das ist jetzt die inklusive Schule und der Rest ist Aussonderung. Das geht nicht. Jeder, der das sagt, der hat es nicht verstanden.
Das kann höchstens ein integrativer Standort sein, weil es geht darum: Wenn ich da jetzt die Sonderschule habe, dann kann ich natürlich sagen: Ab einem gewissen Zeitpunkt mache ich dort Integrationsklassen. Aber dann habe ich immer noch Kinder mit Behinderung und die muss ich dann einfach überall verteilen, optimalerweise in der Nachbarschaftsschule, da wo sie eigentlich wohnen, damit sie vielleicht auch zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Scooter in die Schule kommen können, gemeinsam mit ihren SchulkollegInnen. Dann müssen sich alle Schulen verändern. Man kann nicht sagen: ich habe jetzt eine Schule und die ist inklusiv.- Da muss man noch einmal genau hinschauen, wie sie das machen. Die Zahlen finde ich trotzdem sehr interessant. Das sind Zahlen, die in Österreich normalerweise überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Das hängt auch mit dem Föderalismus zusammen. Die Schulerhalter sind die Gemeinden, wo es sich so versplittert, und wo man nie zu gescheiten Zahlen kommt. Deshalb finde ich dieses Innsbrucker Beispiel so toll, weil es uns einmal gelungen ist, diese Zahlen zu kriegen, wie viel sie für Barrierefreiheit in öffentlichen Schulen ausgeben. 125.000 Euro ist wirklich so überhaupt nichts, im Vergleich zu 10 Millionen Euro. – Lachen- Eigentlich ist das entlarvend.
Moderation:
Sie hörten eine Sendung von Freak Radio zum Thema schulische Integration. Unsere Gesprächspartnerin war die Sozialwissenschaftlerin Petra Flieger. Interviewt haben Katharina Zabransky und Margarete Endl. Die Moderation hat Josef Heinz gesprochen. Die Technikerin im Studio war Katharina Ahammer.