Seitenanfang:

Link zum InhaltLink zum MenüLink zur Suche

Inhalt:

Rubrik: Lesen statt Hören
24. August 2008

Innovative Uni

von Redaktion

historischer Stiegenaufgang der Uni Wien

Copyright: housymomo / www.pixelio.de

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: An der Universität Wien gab es in den vergangenen Jahren mehrere von Lehrveranstaltungen, die die Idee von behinderten Menschen als ExpertInnen in eigener Sache aufgreifen. Guten Abend beim Freak Radio wünscht Ihnen heute wieder Gerhard Wagner life aus dem ORF - KulturCafe in Wien.  

Unsere Sendung heißt „Innovative Uni". Es geht heute um „best practiced" Beispiele an der Universität Wien. Denn nur selten wurden in der manchmal noch als Sonderpädagogik bezeichnete Wissenschaft Menschen mit Behinderung bisher einbezogen. Allmählich vollzieht sich hier eine Wandlung - auch in der Begriffsbildung. Integrationspädagogik oder Integrative Pädagogik sind nicht nur Worte, sondern auch ein Programm für Menschen mit Behinderung. Dass sie nicht länger nur Objekte in Betrachtung sind. Sie werden jetzt als Subjekte wahrgenommen, die selbst die besten Experten für ihre eigenen Behinderungen sind. Darüber sprechen wir heute. Ich begrüße nun die Pioniere dieser Lehrveranstaltung: Zunächst Herrn Mag. Tobias Buchner. Er ist gemeinsam mit Oliver König - den ich gleich nachher vorstelle - Lehrveranstaltungsleiter einer Lehrveranstaltung, die im Oktober 2007 gestartet wurde und die schon zweimal bis jetzt stattgefunden hat.

Tobias Buchner, warum haben Sie gemeinsam mit Herrn König diese Lehrveranstaltung begonnen?

Tobias Buchner, Seminarleiter: Es war so, dass im Jahr 2005 bereits das Forschungsnetzwerk „Partizipative Forschung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten" gegründet wurde. Darauf ist eine etwa zweijährige Gründungsphase erfolgt; eine Konsolidierungsphase, wo wir uns gemeinsam, - also der Herr König, ich, Selbstvertreterin aus Wien von Zentrum für Kompetenzen und weitere Interessierte - Gedanken gemacht haben, „Was verstehen wir eigentlich unter Partizipativer bzw. Inklusiver Forschung?", „Was sind unsere Rollen dabei?", „Was haben wir für Schwerpunkte?", „Wie möchten wir forschen?". Und nach einiger Zeit dachten wir uns eigentlich: O.K., wir bilden jetzt eine Gruppe, die sich immer in einem außeruniversitären Rahmen getroffen hat, aber eigentlich Forschung gehört auch an die Uni. Und so entstand die Idee, zu dem Thema „Partizipative Forschung" auch ein Universitätsseminar zu veranstalten. Wie Sie eben gesagt haben, im Oktober 2007 ging es los: damals mit 22 Studierenden und 8 ExpertInnen. Und bei den ExpertInnen merken Sie schon, in welcher Rolle quasi auch hier Menschen mit Lernschwierigkeiten im Seminar waren. Und zwar als ExpertInnen in eigener Sache. Die mit dem Herrn König und mir gemeinsam Studierende anleiten, selbst Forschungsprojekte durchführen und auch Inhalte von Inklusiver bzw. Partizipativer Forschung vermitteln. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Worum es da im Detail geht, darüber werden wir gleich sprechen. Zunächst Herr Mag. Oliver König, - Sie sind Mitarbeiter am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Sie starten im Oktober dann auch eine weitere Lehrveranstaltung, in diesem Sinne gemeinsam mit Frau Petra Pinetz. Welche Unterschiede oder welche Gemeinsamkeiten es gibt, - darüber möchte ich gerne sprechen. Könnten Sie uns auch die Motive, Ihre Motive, für die erste Lehrveranstaltung sagen. Und uns auch ausführen, was ist da der Unterschied zu dem, was dann im nächsten Sommersemester neu mit der Frau Mag. Pinetz passieren wird.  

Oliver König, Seminarleiter: Zu meinem persönlichen Zugang, grundsätzlich: Also ich bin jetzt auch seit knapp drei Jahren an der Uni Wien beschäftigt und hatte auch so - wie Sie vorher gesagt haben – das Studium der Sonder- und Heilpädagogik im ganz, ganz klassischen Sinn absolviert. Wo Forschung als eine Forschung von zumeist Nicht-Behinderten ExpertInnen über Menschen mit Behinderung betrieben wird. Und es war - eben auch wie der Herr Kollege Buchner erzählt hat - so dieses gemeinsame Zusammenkommen in einer Runde, und das Überlegen, wie könnte man Forschung, wie kann man diesen universitären Betrieb, wie kann man das auch anders gestalten. Ganz persönlich: Ich bin Bruder einer Frau mit Down-Syndrom und bin mit dem Thema eigentlich mein ganzes Leben schon beschäftigt. Meine Schwester ist auch eine Frau, die selbst auch im zweiten Seminar - vor allem unterstützt durch den Herrn Buchner - als Expertin an der Lehrveranstaltung teilgenommen hat.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Vielleicht nennen wir kurz Ihren Namen - Michaela König. Viele werden sie vielleicht kennen, als Autorin von Büchern oder auch sonst. 

Oliver König, Seminarleiter: Genau. Zu dem zweiten Projekt: es handelt sich genau genommen nicht um eine zweite Lehrveranstaltung. Sondern die Frau Petra Pinetz und ich führen seit März dieses Jahres ein vom Österreichischen Forschungsförderungsfonds gefördertes Grundlagenforschungsprojekt durch. Wo wir - was jetzt auch erstmalig in Österreich der Fall ist - im Rahmen der Grundlagenforschung versuchen Elemente von Partizipativer Forschung in die Forschung an der Uni Wien einzubauen. Es handelt sich also um ein Projekt, wo es um das subjektive Erleben von beruflichen Teilhabeerfahrungen von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung, Menschen mit Lernschwierigkeiten - wie wir es im Seminar bezeichnen - grundsätzlich geht. Es gibt einige Überschneidungen zwischen dem Seminar und diesem Projekt.   

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Sagen Sie vielleicht, was sind die Überschneidungen und was sind die Unterschiede. Damit sich die Hörer ein bissel ein Bild machen können.  

Oliver König, Seminarleiter: Die Unterschiede sind grundsätzlich einmal: Im Rahmen der Lehrveranstaltung und im ganz, ganz klassischen Rahmen von Partizipativer Forschung sind es Betroffene, sind es Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen mit Behinderung, die ihre eigenen Ideen für Forschung mit Unterstützung durch erfahrene ForscherInnen gemeinsam gestalten. Es geht aber grundsätzlich von ihren Ideen aus und sie tragen für diesen Prozess auch die Verantwortung. Im Rahmen des Forschungsprojekts, - also so wie Forschungsbetrieb klassisch abläuft - man muss einen Forschungsantrag stellen, der dann international begutachtet wird. In dem Fall waren es wir, - also zwei nicht behinderte ForscherInnen - die ein Forschungskonzept entworfen haben. In dem aber Menschen mit Behinderung in vielerlei Funktionen dann doch auch einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Projektes ausüben können sollen. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Dieses integrative Moment haben wir natürlich auch hier in unserer Radiosendung. Experte in eigener Sache ist der Herr Franz Hoffmann.  

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Schönen guten Abend.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Vielleicht können Sie uns auch sagen; Was war denn Ihre Rolle in diesem Seminar und mit welchen Themen haben Sie sich auseinandergesetzt? 

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Also in dem ersten Seminar, - war es 2005, 2006?

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Im ersten Semester.

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Im ersten Semester war ich der Experte zum Thema Sachwalterschaft, - wie das auch mit dem Sachwalterschaftsrecht ist. Da war ich der Experte und habe so gut wie es gegangen ist, auch meine damaligen Studenten…

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: … beeinflusst?

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Nein, nicht beeinflusst, sondern unterstützt. Und erklärt, wie das halt funktioniert. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Und jetzt haben Sie sich, glaube ich, mit Beziehungen beschäftigt - im Sommersemester. Es ist ein ganz anderes Thema: Beziehungen von behinderten Menschen.  

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Ja, jetzt ist ein anderes Thema gewesen; Beziehungen in Einrichtungen, wie die funktionieren können oder wie die funktionieren. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Was war denn Ihre Rolle jetzt gegenüber den Studenten? Sie haben in Kleingruppen gearbeitet und Sie waren in einer dieser Kleingruppen. Wie haben die Studenten und Sie miteinander gemeinsam zusammengearbeitet? 

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Also so eine Art, - die Idee mit der Partnerschaft - da habe ich einen Themenvorschlag gemacht; so eine Art Antrag, ein Konzept erstellt. Wo ich eben schon verschiedene Fragen, was mir wichtig war, formuliert gehabt hab’. Und das haben wir dann ausgearbeitet, - auch mit Interviews - wo wir Betroffene befragt haben: Wie sie es gerne hätten oder was sie gerne hätten, wie es ablaufen könnte in den Einrichtungen.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Bei diesem Forschungsprojekt waren nicht nur Sie als Experte, sondern Sie sind auch noch zu anderen Menschen mit Behinderungen - eben auch als Experten und Expertinnen in eigener Sache - gegangen, haben dann noch einen Fragebogen gemacht, so viel ich weiß, und haben sie einbezogen. Sind die Studenten eigentlich öfters zu Ihnen gekommen, mit irgendwelchen Fragen, ist es auch zu Diskussionen gekommen? Haben die auch noch gelernt, wie es so ist, wie Menschen mit Behinderungen überhaupt leben? Was haben Sie da einen Eindruck?  

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Bei dem ersten Projekt - Thema Sachwalterschaft -, da viele haben es nicht so wirklich gewusst, wie sich die Sachwalter tun, welche Paragraphen die Sachwalter anwenden, also es war schon ein sehr heißes Thema damals. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Bevor wir einen weiteren Gast befragen, der am Seminar teilgenommen hat, kurze Takte Musik bitte.  

MUSIK

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Sie hören Freak-Radio auf Mittelwelle 1476; heute zum Thema: "Innovative Universität". 

Wir haben im Publikum Herrn Josef Blaha: Auch Sie haben als Experte an diesem Seminar der Universität teilgenommen. Vielleicht können Sie uns sagen, was waren denn Ihre Erfahrungen und für welche Themenbereiche waren Sie zuständig.  

Josef Blaha, Experte in eigener Sache: Meine Erfahrungen sind diesbezüglich so; ich bin seit meiner Geburt an den Rollstuhl gebunden. Meine Erfahrungen mit dem Rollstuhl sind: man muss halt immer schauen, ob man eine Stufe nehmen kann oder ob man bei der Türen hereinkommt. Wo ein Nicht-Behinderter nicht so schauen muss, weil man hebt den Fuß und geht diese Stufe hinunter. Oder man schaut nicht, ob man ohne Rollstuhl eben besser irgendwo hinkommen kann und mit dem Rollstuhl muss man halt immer aufpassen; ist eine Stufe oder kann man barrierefrei hinunterfahren, hinauffahren. Man muss halt verschiedene Dinge beachten.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Also das Thema Barrierefreiheit, Architektur, vielleicht auch Mobilität.

Josef Blaha, Experte in eigener Sache: Ja, genau.

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: War das auch bei Ihnen so, ich denke mir, die Studentinnen und die Studenten, die daran teilgenommen haben, haben ja - nehme ich an - keine Behinderung gehabt. War das für die ein Lernprozess? Haben die da auch was lernen können? Ich kann mir nämlich gut vorstellen, das fällt einem sonst nicht so auf, wo Barrieren sind. 

Josef Blaha, Experte in eigener Sache: Die StudentInnen des ersten Semesters haben mit mir auch viel gelernt, weil sie auf diese Thematik mit dem Rollstuhl früher überhaupt keinen Wert gelegt haben. Vielleicht ein bisschen schon, sie haben aber nicht gewusst, wie das eben mit dem Rollstuhl funktioniert. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Was mir aufgefallen ist, Sie haben am Ende des Semesters dann noch eine Präsentation gehabt, - wo ich auch persönlich anwesend war. Ich hatte den Eindruck, dass die Studierenden nicht nur theoretisch sehr viel gelernt haben, - das hat man auch an den Präsentationen gesehen - aber ganz wichtig, sie haben Erfahrungen gemacht, Impulse bekommen, sich auch sehr in Detail in Themen hinein vertiefen zu können. Die ich nach zehnjähriger Erfahrung im Radio mit behinderten Themen, also mit Themen von behinderten Menschen selbst mühsam mit der Zeit erlernt und erarbeitet habe, und nach einem Semester sind da wirklich sehr, sehr interessante Ergebnisse gekommen. Wie sind eigentlich die Studenten, - ich frage zuerst Sie mal, Herr Buchner - wie sind die Studenten mit dieser Lehrveranstaltung umgegangen? Ich nehme an, es war sicher sehr fordernd für sie. 

Tobias Buchner, Seminarleiter: Ja, also das ist auch das Feedback, was wir bekommen haben. Es war einfach vom sogenannten "workload", es war sehr viel zu tun, es war sehr zeitaufwendig, es war sehr intensiv. Allerdings, was die Studierenden uns jetzt rückgemeldet haben, dass es wirklich das interessanteste Seminar war, das sie im Rahmen ihres Studiums besucht haben und dass sie sehr, sehr viel gelernt haben. Vor allem Sachen, wo sie sehr viel gelernt haben, was wirklich - soweit sie das beurteilen konnten, was sie sagen - der Lebenswelt von behinderten Menschen sehr nahe kommt. Sie haben das bisher eher theoretisch kennengelernt im Studium oder wenn ein Gast eingeladen wurde, dann war es halt ein Professor von anderer Universität. Und hier einfach gemeinsam mit Experten, Expertinnen zu forschen, darüber auch durch die Dialoge verstehen, mit sozialen Verknüpfungen, Beziehungen, Verhältnisse, die entstehen, auch einfach sehr, sehr viel von der Lebenswelt mitbekommen haben. Und darüber hinaus ja auch, dass die Partizipative Forschung, Inklusive Forschung auch nicht irgendwie, einfach nur theoretisch abgehoben sein sollte, sondern auch wirklich an den Bedürfnissen, Interessen von behinderten Menschen anknüpfen sollte. Dass dies also quasi auch sehr real in der Lebenswelt von behinderten Menschen, angefordert vor allem von Studierenden als sehr interessant und willkommengeheißen wurde einfach.   

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Herr Oliver König, die theoretischen Komponente sind in der Lehrveranstaltung relativ nicht zu kurz gekommen. Man hat - wie ich schon gesagt habe - an den Referaten deutlich gesehen; Sie haben auch immer die Studenten reflektiert, - welche Forschungsprozesse Sie unternommen haben, mit welchen Methoden Sie gearbeitet haben. Ist das eigentlich in dieser Lehrveranstaltung schwierig gewesen, das alles unter einen Hut zu bekommen? Es stellt sich als Leier, möglicherweise sehr kompliziert vor. Einerseits Theorien, wissenschaftliche Theorien, die man sich gemeinhin als relativ kompliziert vorstellt, auf der anderen Seite als Experten, gleichzeitig Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit Lernbehinderungen. Wie ist denn das in dieser Lehrveranstaltung geschehen? Wie konnten Sie das unter einen Hut bringen, wie hat es dann im Endeffekt funktioniert?  

Oliver König, Seminarleiter: Ja, Sie haben es eh schon angesprochen, das waren sehr, sehr viele Anforderungen, die miteinander verbunden werden mussten. Von unserem Grundauftrag her war es unsere Aufgabe, eine Lehrveranstaltung für Studierende der Fachabteilung Integrative Pädagogik in Forschungsmethoden zu halten. Die Einbeziehung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in den Prozess war genaugenommen eine Draufgabe, die im Grunde genommen gar nicht den Anforderungen der Universität entsprochen hat. Insofern ein Aspekt, der auch noch dazugekommen ist, in den ersten beiden Durchläufen, die wir bis jetzt gemacht hatten, wir hatten jeweils nur ein Semester Zeit. Und ein Universitätssemester - die meisten Leute wissen es - dauert nicht ein halbes Jahr, sondern vier Monate.

Und in diesen vier Monaten mussten - eben wie Sie gesagt haben - theoretische Grundlagen erarbeitet werden; theoretische Grundlagen der Partizipativen Forschung. Da kommt erschwerend auch noch hinzu; der Ansatz der Partizipativen Forschung ist im deutschsprachigen Raum ganz, ganz neu. So gut wie alles, was an Literatur dazu existiert, ist Literatur auf Englisch. Das hat die Sache für Studierenden auf der einen Seite, aber für die ExpertInnen auf der anderen Seite noch einmal erheblich erschwert. Es war eben auch die Aufgabe der Studierenden, in der Recherche von Studien zu den Themenbereichen, welche sich die ExpertInnen ausgesucht haben, den ExpertInnen die Ergebnisse aus diesen Studien - die eben zumeist englischsprachig waren - auf der einen Seite mal zu übersetzen und auf der anderen Seite auch zu schauen, dass diese Übersetzungen in einer Art und Weise gestaltet sind, - der Herr Hofmann ist Experte dafür - also in leichter Sprache, in "easy ......", in der die ExpertInnen dann diese Ergebnisse auch verstehen können. 

Methodisch haben wir versucht mit Kärtchen und Fahnen zu arbeiten, - im Laufe der Lehrveranstaltung - wo wir von den ExpertInnen aufmerksam gemacht worden, wenn bestimmte Inhalte, wenn wir teilweise zu sehr in das Theoretische gegangen sind, wenn unsere Sprache zu schwierig geworden ist, wenn wir - was wir beide auch sehr gut können - zu schnell gesprochen haben. Und ich glaub', ein ganz, ganz wichtiger und entscheidender Prozess - auch für das Gelingen der Lehrveranstaltung - war, dass wir uns nach jeder Seminareinheit mit den ExpertInnen noch einmal gesondert eine gute Stunde zusammengesetzt haben und die Inhalte wiederholt haben. Und auch die Prozesse in den Gruppen - denen wir wirklich sehr viel Raum gegeben haben - noch einmal besprochen haben. Ansonsten wären diese Anforderungen in der Art und Weise, dass die Experten diesem Prozess auch wirklich eigenständig folgen können und ihn noch anführen können, wahrscheinlich gar nicht gelungen.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Das heißt also, nicht nur anspruchsvoll für die Studierenden, sondern offensichtlich auch anspruchsvoll für die Lehrveranstaltungsleiter. Ich nehme mal an, dass die Vorbereitungen und die Arbeiten für diese Lehrveranstaltungen etwas intensiver sind als gemeinhin für eine „normale" Lehrveranstaltung. Weil sie eben auch was ganz neues ist. Da Sie das vorher erwähnt haben, hätte ich mal eine ganz kurze Zwischenfrage: Sie haben gesagt, in deutschsprachigem Raum - und das ist auch mein Eindruck - gibt es in diesem Bereich „Partizipative Forschung“ nicht allzu viel, - auch wenig Studien. Woran haben Sie sich orientiert, in welchen Ländern gibt es schon eher?  

Oliver König, Seminarleiter: So gut wie immer, wenn es um Neurungen geht, die ein Stück weit in die Arbeit mit Menschen mit Behinderung eingreifen, orientiert man sich an den gleichen Ländern. Das sind die angloamerikanischen Länder und Skandinavien. Im Fall der Partizipativen Forschung gibt es zwei recht separate Entwicklungslinien, eine in den USA und eine im Vereinigten Königreich, Großbritannien – im weiteren Sinne. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Wie wir es auch schon gehört haben, Herr Buchner, eine wichtige Voraussetzung war, dass Sie auch die Theorie in leichte Sprache eben übersetzt haben, so dass alle dem ganzen folgen konnten. Ich denke mir, das ist eine ganz große Herausforderung gewesen. Offensichtlich hat es aber auch funktioniert, offensichtlich ist es möglich - es gibt ja auch Leute, die zweifeln, dass solche Sachen möglich sind. Aber ich denk mal, in leichter Sprache - und der Herr Hoffmann wird uns das vielleicht auch noch später ein bissel ausführen - kann man relativ viel machen, auch wissenschaftliche Texte übersetzen. Meine Frage ist: Wie war das denn für Sie? Sie haben ja Erfahrungen in der Lebenshilfe auch schon länger mit behinderten Menschen. Wie wichtig ist Ihnen dieser Ansatz gewesen?  

Tobias Buchner, Seminarleiter: Sehr, sehr wichtig. Ganz, ganz wesentlich für uns war der Grundsatz, - das ist auch der Grundsatz von der Inklusiven bzw. Partizipativen Forschung - einfach keinen von den Ergebnissen auszuschließen. Und wir denken auch, dass dies normale wissenschaftliche Schreiben in schwerer Sprache einfach ein ganz klarer Ausschluss von Forschungsergebnissen ist. Und das in dem Fall einfach Forschung über behinderte Menschen produziert wird, die jedoch nur in wenigen Fällen wirklich vom Nutzen für behinderte Menschen ist, sondern eher einen akademischen Diskurs widerspiegelt. Es ist mir sowohl im akademischen Rahmen natürlich ein Anliegen, allerdings auch im Rahmen meiner Tätigkeit für Lebenshilfe Österreich als Lebenshilfe Akademieleiter... 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Darf ich kurz unterbrechen? Ich habe nämlich den Eindruck, dass dieser einfache oder komplizierte Dialog in der Wissenschaft auch ein kulturelles Spezifikum ist. Ich glaube, dass die deutschsprachigen akademischen Texte wesentlich komplizierter geschrieben sind. Da Sie, Herr König, vorher die angloamerikanische Literatur angesprochen haben, da kommt mir manchmal vor, dass das alles in wesentlich leichterer Sprache ist. Und dass die deutschsprachige Wissenschaft offensichtlich sich beseelt fühlt, sich besonders kompliziert auszudrücken. Kommen wir aber zurück zu Ihren Erfahrungen in der Lebenshilfe, von denen Sie vorher schon angefangen haben!  

Tobias Buchner, Seminarleiter: Ich denke, es ist eigentlich für den gesamten Bereich ein "Muss": für Menschen mit Lernschwierigkeiten - egal, ob es im Rahmen der sozialen Dienstleistung ist - muss ein Informationsangebot in leichter Sprache zugänglich gemacht werden. Eigentlich im gesamten Bereich; ob es jetzt um Gesetze handelt, - die in letzter Zeit auch versteckt in Österreich in leichte Sprache umformuliert bzw. übersetzt wurden, falls man es so sagen kann - als auch hier im Forschungsbereich, denk' ich, ist es einfach ganz wesentlich, nicht über Menschen oder für Menschen zu schreiben, sondern mehr in einer Sprache, in einer Art und Weise, die für alle verständlich ist. Für uns gibt es ja auch das interessante Phänomen und da beobachte ich mich auch selbst: weil für alle Menschen eigentlich eine leichte Sprache das Beste ist. Wenn ich die Möglichkeit habe, etwas zu lesen, in schwerer Sprache oder es auch zeitweise in leichter Sprache angeboten wird, ich nehme immer die leicht lesende Version - weil es für mich viel, viel flüssiger ist. Ich hab das von verschiedenen Leuten, von Topbeamten aus diversen Ministerien, aber auch von Leuten aus der Wissenschaft gehört, dass diese leichte Sprache eine Sprache für alle ist. Die ist generell zu bevorzugen, bevor man etwas möglichst kompliziert ausdruckt, und zwar meiner Ansicht nach in allen Bereichen.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Also ein Aspekt einerseits der Gleichstellung, andererseits überhaupt der Demokratisierung, - wenn jeder sozusagen in der Lage ist, Texte zu verstehen. An Sie, Herr Hoffmann die Frage: Sie haben ja den Studierenden auch beigebracht, Texte in leichterer Sprache zu sprechen. Wie leicht ist es eigentlich den Studierenden gefallen? War es schwer für sie oder war es leicht? 

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Es war nicht leicht für sie. Ich habe ihnen im ersten Seminar - bevor das Seminar überhaupt begonnen hat - die Grundsätze erklärt, worauf sie dabei achten sollen - die Richtlinien. Dann haben wir gemeinsam versucht, komplizierte Texte einfach zu machen. #00:26:23-3#

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Das heißt also, Texte in einfache Sprache zu bringen, ist nicht einfach. 

Franz Hoffmann, Experte in eigener Sache: Nein, es war für einige sehr kompliziert. Nachher aber, wenn sie es gemacht haben, - auch wenn es vorher kompliziert war - sehen die Studenten selbst, dass es einfacher ist, wenn der Text einfacher übersetzt ist. Dann ist es wirklich so, dass sehr viele Leute die Originale – die kompliziert geschriebenen Texte - nicht mehr beachten. Besonders dann nicht, wenn der zu lang ist.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Wir sind schon in der Schlussrunde – wir haben nur noch zwei Minuten Zeit, für jeden eine Minute. Ich würde gerne Sie beide noch fragen, Herr Buchner und Herr König: Wie wird es weitergehen? Herr König, - mit Ihnen möchte ich beginnen - welche Rolle sehen Sie in dieser Lehrveranstaltung an der Universität? Glauben Sie, dass sich es durchsetzen wird? Wir haben ja letztendlich im 21. Jahrhundert sehr starke Ansätze der Gleichstellung - ich sehe das auch ganz deutlich in diesem Zusammenhang. Glauben Sie, wird sich das auf der Universität durchsetzen können?  

Oliver König, Seminarleiter: Ob es sich auf Dauer durchsetzen kann, - strukturell gesehen - zweifle ich noch ein wenig daran. Ich glaube, es hängt immer von den Personen ab, die solche Projekte auch weiterführen. Was man jedoch merkt, es schlägt auch uns beiden und auch den ExpertInnen immer mehr Sympathie von den KollegInnen entgegen. Die KollegInnen sagen, dass an den Dienstagen - am Tag, wann die Lehrveranstaltung stattfindet - der ganze Gang – der sonst nur Professoren und Studierende vorbeilockt -  eine ganz andere Atmosphäre, eine ganz andere Stimmung hat. Ich glaube, dass noch ein relativ weiter Weg zu gehen ist, bevor strukturell die Bedingungen geschaffen sind, dass eine derartige Einbeziehung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in den universitären Betrieb wirklich ganz gegeben wird.  

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: An Sie noch kurz, Herr Buchner: Allgemein gesehen, wird sich die Partizipation nicht nur in der Wissenschaft durchsetzen?  

Tobias Buchner, Seminarleiter: Ja, ich hoffe doch sehr. Also ich denke immer; es hängt von verschiedenen Faktoren ab, - inwiefern auch wirklich politische Leitbilder umgesetzt werden und nicht nur auf dem Papier existieren, sondern auch in wirklichem Alltag verankert werden. Da haben wir jetzt grade auch mit der UN-Deklaration eine spannende Sache vor uns. Ich denke, es wird sich in den nächsten Jahren erweisen, ob es wirklich ernst gemeint ist oder ob es nur ein Lippen- bzw. Papierbekenntnis ist. 

Gerhard Wagner, Freak-Radio Moderator: Nächste Woche hören Sie eine Sendung mit dem Wiener Bezirksvorsteher beim Freak-Radio. Ich bedanke mich sehr herzlich für die heutige spannende Diskussion und verabschiede mich - Gerhard Wagner. 


Link speichern auf:addthis.comFacebookYiggItMister Wongstumbleupon.comdel.icio.usMa.gnoliaask.comdigg.comTechnoratiYahooMyWeblive.com
Seitenanfang