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Rubrik: Lesen statt Hören
12. September 2004

Integration

von Peter Singer

Sprecherin: Bleibt man aber bei der nackten Realität, so ist bekannt, dass die Zugehörigkeit Öster-reichs zur EU nicht nur Vorteile hat:

Denn wenn man hier etwa nur an den Transitverkehr denkt, so werden unserem Land ja im-mer wieder Zuständnisse abgenötigt, was nichts anderes heißen soll, als dass Integration eben immer auch ihren Preis hat und stets eigene Leistung und eigenes Zutun, ja unter Um-ständen sogar einen bestimmten Verzicht auf gewisse eigene Annehmlichkeiten verlangt!

Musik.

Sprecher: Wie aber nun ist mit dem, was zuvor gesagt worden ist, umzugehen?
Sollte das etwa heißen, dass Integration nur dann gelingt, wenn jemand auch genügend selbst in eine Gemeinschaft miteinbringen kann, und demgemäß diejenigen, die das nicht können, draußen bleiben müssen?

Sprecherin: Nun - so krass sollte das Problem auch nicht gesehen werden! Denn sicherlich sind die sogenannten "Schwachen", die sogenannten "Kleinen" niemals in jeder Beziehung so schwach und klein, dass sie sich stets in allen Belangen zurückgesetzt fühlen müssten.

Sprecher: Bemüht man dazu nochmals das oben verwendete Beispiel von der EU, so ist bekannt, dass etwa die Türkei zwar bereits als Beitritts-kandidat vorgesehen ist, aber noch nicht in die Gemeinschaft aufgenommen wird, weil ihr noch bestimmte Fähigkeiten zur Teilnahme an der Gemeinsamkeit mit den übrigen EU-Ländern fehlen.

Wird sie diese Fähigkeiten einmal aufholen können, so wird ihrer Aufnahme in die europäi-sche Völkerfamilie nichts im Wege stehen.
Wird sie das jedoch nicht zustande bringen, so wird sie hier weiterhin draußen bleiben müssen.

Musik.

Sprecherin: Geht man vor dem Hintergrund dieses Beispiels wieder zurück zum eigentlichen Thema dieser Sendung, so habe ich damals, als es um die Unterscheidung der einzelnen Behinderungsarten gegangen ist, zur Denkweise "...in bezug worauf..." aufgerufen.

Damit habe ich gemeint, dass ein körperliches Leiden ja niemals als etwas Einheitliches ver-standen werden darf, sondern stets auf den jeweiligen Lebensmoment zu beziehen ist, in der es sich dann auswirkt.

Sprecher: Und genauso sollte es im Falle der Integration sein.
Die Frage "Integration in bezug worauf...?" müsste dann zu jenem Bewusstsein führen, dass sich Integration nur immer in jenem Rahmen tatsächlich abspielen kann, wie das das eigene Handicap zulässt.

Musik.

Sprecherin: Na und die anderen, die Öffentlichkeit, die Gesellschaft, ist von dieser Seite gar keine Hilfe zu erwarten, wenn man nicht so kann, wie das normalerweise der Fall ist?

Sprecher: Sicherlich sollte hier niemand bis zu einem bestimmten Maß aus der Pflicht entlassen werden, human zu denken, human zu handeln, d.h. für Menschen mit Behinderung in einem bestimmten Ausmaß dazusein.
Und gewiss ist es nicht verfehlt, hier immer wieder einen kleinen "Nachhilfeunterricht" zu geben.


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