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.Besinnlichkeit: Schnee von gestern?
Weihnachten gehört seit jeher zu meinen Lieblingsfeiertagen. Als Kind konnte ich Weihnachten und den Vorboten, die Adventszeit, kaum erwarten. Ich erinnere mich noch genau, wie es war, wenn ich einen Tag vor Weihnachten mit einer Decke über dem Kopf das Wohnzimmer durchqueren musste, um, wie es hieß, das Christkind nicht bei der Arbeit zu stören. Ich erinnere mich auch ans Mittagessen im Kinderzimmer gemeinsam mit meiner Großmutter. Damals ein Highlight, mal nicht in der Küche essen zu müssen. Auch noch gut in Erinnerung sind mir die letzten Augenblicke des Wartens, bevor das ersehnte Glöckchen ertönt. Das Kerzenlicht, die aufwendige Krippe und, nicht zuletzt natürlich, die Geschenke.
Auch wenn ich heute zwar nicht mehr an herumflatternde Engel glaube, die geschäftig im Wohnzimmer ihr Werk verrichten, habe ich meine Freude an Weihnachten nicht verloren. Auch, wenn sie etwas getrübt ist. Unsere Medien- und Konsumgesellschaft hat Weihnachten ein Stück entzaubert. Es ist traurig, wenn Kinder in einem Werbespot erfahren könnten, dass der Weihnachtsmann durch einen eifrigen Lieferboten eines Kleidungsversandhauses ersetzt worden ist. Dass schon im Oktober, wenn man sich aufmacht Halloweensüßigkeiten zu kaufen, diese von Weihnachtsschokoladen verdrängt werden. Offenbar wird Weihnachten immer schnelllebiger. Abgepackte „Weihnachtsfreude“ gibt es schon Monate früher. Warum das der Fall ist, habe und werde ich nie verstehen. Auch die Weihnachtsmärkte haben ein Stück ihres Zaubers verloren. Vor allem auf den größeren Weihnachtsmärkten herrscht mittlerweile so ein Betrieb, dass man das Gefühl hat, als ob es das letzte Fleckchen Erde wäre, auf dem sich der Rest der Menschheit bündelt. So schieben sich Menschenmassen, geschmückt mit schlagtreffend kitschigen Weihnachtsaccessoires, teilweise leicht angetrunken von Stand zu Stand. Große Weihnachtsstimmung vermag da nicht mehr aufzukommen. Was aufkommt, ist eher Platzangst.
Ist Weihnachts- und Adventszeit vorbei, kündigt sich schon das neue Jahr an. Auch das neue Jahr stellt sich im Konsumleben meistens viel früher ein. So entdeckt man schon Anfang November unter den Weihnachtssachen den einen oder anderen Silvesterglücksbringer. Überhaupt ist es mir ein Rätsel, warum Silvester so lautstark gefeiert werden muss. Sind die Geister des alten Jahres wirklich so hartnäckig, dass sie mit so viel Lärm vertrieben werden müssen? Oder sind die Geister des neuen Jahres schwerhörig? Das Geld, das man zu Jahresende hochjagt, wäre woanders sicher besser angelegt.
Angesichts der eben beschriebenen Entwicklungen muss man sich fragen: Was ist mit der Besinnlichkeit? Ist sie verloren? Wie kann man sie wiederfinden? Besinnlichkeit ist eine Frage der Zeit, oder besser: Besinnlichkeit braucht Zeit. Zeit, die immer schnelllebiger erscheint. Vor allem, da man bei einem Blick in die Fernsehwerbungen und in die Geschäfte das Gefühl bekommt, dass alles schnell bzw. fast gleichzeitig geschieht. Manchmal kommt es einem so vor, als gäbe es drei Zeitebenen. Das eigene Zeitempfinden, die Zeit, die im Kalender steht und eine, von der Konsumwelt konstruierte Zeitebene, in der alles den Anschein der eben beschriebenen Gleichzeitigkeit hat. Diese Zeitebenen beeinflussen einander. Das ist unbestreitbar. In welcher Zeitebene findet man nun am ehesten die Besinnlichkeit wieder? Oder läuft sie Gefahr, Schnee von gestern zu werden? Meiner Meinung nach, ist die Besinnlichkeit vor allem in der ersten Zeitebene zu finden.
Mein Tipp zur Rettung der Besinnlichkeit ist folgender: Wenden Sie sich um. Denken Sie zurück an das Gefühl, das Sie als Kind hatten, wenn Weihnachten vor der Tür stand. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Sehen Sie Weihnachten nicht als ein Großereignis, sondern erinnern Sie sich an kleine Dinge. Den Geschmack, die Gerüche, die Augenblicke, das Kribbeln. Kurz: All das, was Weihnachten eigentlich wertvoll macht. Überlegen Sie sich eigene kleine Weihnachtsrituale. Das kann etwas Althergebrachtes sein, oder auch etwas Neues, mit dem Sie Weihnachten Ihren persönlichen Touch verleihen. So können Sie verhindern, dass Ihre Besinnlichkeit Schnee von gestern wird. Frohe Weihnachten