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Rubrik: Lesen statt Hören
03. April 1997

Kultur bis Unkultur

von Dorothea Brozek

In der ersten Sendung von Freak-Radio geht es um vier interessante Beiträge des Kulturlebens im April 1997

Theatervorhang rot

copyright: angelaL www.pixelio.de

Moderatorin: Schönen guten Abend und herzlich willkommen bei Freak-Radio! In unserer ersten Sendung haben wir einen Bogen von Kultur bis Unkultur gespannt: Doch machen Sie sich selbst ein Bild: Sie hören nun einen Text von Franz-Joseph Huainigg über einen Theaterbesuch im Rollstuhl:

Franz-Joseph Huainigg:
Vier Leute entschließen sich, ins Theater zu gehen. Am Programm des Kasinos am Schwarzenbergplatz steht Taboris Kafkaproduktion "Unruhige Träume", in welcher der selbst behinderte Darsteller Peter Radke mitspielt. Es gibt noch Kartenund man kauft und freut sich auf eine spannende Vorstellung.
Die gibt es auch wirklich, wenngleich in unvorhergesehener Form: Ein Mann schreitet zielsicher auf die vier Theaterbesucher zu , bremst ab, überlegt, und entschwindet mit den Worten "A Moment bitte" über die Treppe zum Vorstellungssaal. Kurz darauf kehrt er, gefolgt von zwei Männern, wieder zurück: Darauf dürfens net. Die Probebühne des Burgtheaters is net für Rollstuhlfahrer zuoglassn!
Wir, die drei Rollstuhlfahrer und eine Begleitperson, können das nicht verstehn.

"Wieso", wollen wir wissen, "wir sind doch auch im Besitz von Eintrittskarten". "Zu Ihrer eigenen Sicherheit dürfens da nicht rein" mischt sich der Feuerwehrhauptmann und der Polizist vom Dienst in das Gespräch ein. "Schließlich kannn ja jederzeit a Feuer ausbrechen und wer holt sie dann da auße?" Der Feuerwehrmann offenbar nicht, wird klar. Es entsteht eine lebhafte Diskussion. Die Herren bleiben hart, weigern sich nicht nur, die Rollstühle nach oben tragen zu helfen, sondern verhindern es. Immer wieder verweisen sie auf das Wiener Veranstaltungsstättengesetz, demzufolge Rollstuhlfahrern überall dort der Zutritt verwehrt wird, wo mehr als eine Stufe vorhanden ist. Deren Stätten gibt es gar viele, und so kommen kunstinteressierte Rollstuhlbenützer ständig in ähnliche Situationen.

Das Wiener Veranstaltungsstättengesetz gibt vor, ein Vorsorgegesetz für gehbehinderte Personen zu sein. An und für sich sollten auch die darin aufgeführten Bestimmungen Veranstalter zwingen, ihre Aufführungsstätten für behinderte Personen zugänglich zu machen. Da es sich in der Praxis jedoch oft um alte Gebäude handelt, bei denen Veränderungen schon wegen des Denkmalschutzes nicht vorgenommen werden dürfen, wird das Gesetz gegen behinderte Besucher ausgelegt, nach dem Motto: "Umbauen können wir nix, also darfst net rein!" Das Gesetz schreibt ebenfalls vor, dass Rollstuhlfahrer nur mit einer Begleitperson Kulturveranstaltungen besuchen dürfen. Welche Eigenverantwortung traut man Rollstuhlfahrern überhaupt zu? Kann es sich denn keiner der Wiener Politiker vorstellen, dass ein selbständig lebender Rollstuhlfahrer auch einmal allein ins Theater gehen kann?

Auch ist es fraglich, ob sich alte, oder überhaupt schwerfällig gehende Menschen bei einem Feuer überhaupt retten können. Wäre man immer so vorsorglich, müsste es ein Gesetz geben, dass allen Wienern und Wienerinnen verbietet, auf die Straße zu gehen, denn: Der Gefahrenquellen gibt es dort unzählige!


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