Inhalt:
.Aktuelles:
Halloween: Freakige Friedhofsgeschichten
Zu Allerheiligen und Allerseelen, neudeutsch Helloween, gedenken wir unserer Verstorbenen....
Freak-Classic: Phönix aus dem Gips?
Anlässlich des 80. Geburtstags von Gerlinde Zickler wiederholen wir am 22. Oktober 2024 einen...
Leben mit Kind und Persönlicher Assistenz
Was ist Persönliche Assistenz? Wie lebt man in Partnerschaft und persönlicher Assistenz? Und wie mit Kind und Assistenz?
Interview mit Bernadette Feuerstein im Juni 2007.
FREAK-RADIO, Katharina Zabransky: Sie sind Vorsitzende von SLI Wien. Was ist SLI Wien?
Bernadette Feuerstein: SLI WIEN ist die Selbstbestimmt Leben Initiative Wien, das ist ein Verein, der zum Ziel hat, das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderung zu fördern, zu unterstützen und populär zu machen, sozusagen.
Freak-Radio: Wie viele Mitarbeiter gibt es, und was machen sie?
Bernadette Feuerstein: Es sind eigentlich sehr wenig Mitarbeiter, weil fixe Mitarbeiter haben wir gar keine, also Angestellte. Es ist eher so ein Zusammenschluss aus InteressentInnen und SymphatisantInnen. Ich kann jetzt den genauen Mitarbeiterstand auch nicht sagen. Dadurch, dass ich selbst berufstätig bin und einen Brotberuf auch noch habe, und Familie und Kind, ist also nicht soviel Zeit für den Verein, wie ich sie gerne hätte oder eigentlich aufbringen möchte, um die Vereinsarbeit als solche durchführen zu können. Wobei für mich jetzt nicht die Vereinsarbeit das Wichtige ist, für mich auch nicht die Zahl der Mitglieder das Entscheidende ist, und der Nachweis für einen Erfolg, sondern das Ziel ist das Entscheidende.
Freak-Radio: Und was ist das Ziel?
Bernadette Feuerstein: Das Ziel ist eben, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben können, einmal kurz gesagt. Oft wird selbstbestimmt mit selbstständig verwechselt, von Nichtbehinderten, manchmal auch von Behinderten selber.
Das muss man unterscheiden. Selbstständig würde bedeuten, dass ich keine Hilfe brauch, dass ich nicht auf Unterstützung angewiesen bin, dass ich alleine mich durch das Leben schlagen kann, und niemanden brauche. Das ist es nicht, sondern selbstbestimmt heißt, dass ich selbst darüber bestimmen kann, wie sich mein Leben gestaltet, in welche Richtung es gehen soll, wie mein Leben ausschauen soll. Es ist ja so, dass viele Jahre lang, und auch heute noch, behinderte Menschen sehr fremdbestimmt gelebt haben und leben, weil ganz einfach Eltern, Pädagogen, Therapeuten, Institutionen usw. darüber bestimmt haben, was gut für die Betroffenen ist. Und das soll jetzt die Gegenbewegung sein. Oder das ist die Gegenbewegung, dass wir sagen wir betroffenen Behinderten wissen selbst, was für uns das Richtige und gut ist. Ein Beispiel ist z. B. die Sonderschule, wo es also immer wieder vorkommt, auch heute noch, dass Eltern von einem behinderten Kind erklärt wird, dass ja eine Sonderschule das Beste ist, weil da das Kind am besten gefördert werden kann und es nicht so belastet wäre wie in einer Regelschule usw. usw.
Also, es gibt sozusagen die Fachleute und Experten, die ihre Ansichten vertreten, die aber möglicherweise mit unseren gar nichts zu tun haben.
Freak-Radio: Dann möchte ich noch drei Begriffe fragen. Was heißt Empowerment?
Bernadette Feuerstein: Ja unter Empowerment würde ich verstehen, und das ist auch das, was wir versuchen mit dem Verein zu machen, andere Betroffene, andere behinderte Menschen zu ermutigen, ihren Weg zu gehen, es zu versuchen, selbstbestimmt zu leben. Sich selbst zu überlegen, wie will ich leben. Und die gegenseitige Unterstützung dazu würde ich so als Empowerment bezeichnen, das Ermutigen, Bestärken und Bekräftigen der anderen.
Freak-Radio: Nichts über uns, ohne uns?
Bernadette Feuerstein: Also, "Nichts über uns ohne uns" ist ja so der Slogan oder ein Slogan der Selbstbestimmt Leben - Bewegung, der mir sehr gut gefällt. Weil es sehr oft in der Vergangenheit und heute noch passiert, dass über behinderte Menschen,
z. B. geforscht wird. Dass für behinderte Menschen irgendwelche Projekte gemacht werden, irgendwelche Maßnahmen gesetzt werden und dass aber in den meisten Fällen, dass Betroffene da nicht mit einbezogen sind, in der Planung und in der Entwicklung und im Entwurf der Maßnahmen. Und meiner Meinung nach sollte jeder Bereich, von dem auch behinderte Menschen betroffen sind, und das sind eigentlich alle Bereiche des Lebens - sollten behinderte Menschen auch vertreten sein, und zwar selbst vertreten und eine Stimme und eine Meinung dazu haben. Wenn z. B. in Verkehrsgremien behinderte Menschen drin sitzen, schaut die Verkehrsplanung anders aus, als wenn dort nur Autofahrerclubs ihre Stellungnahme abgeben können. Es ist ja auch keine sehr neue Idee oder Richtung. Es ist klar, dass z. B. von der Frauenbewegung her es natürlich so ist, dass die Frauen ihre eigene Meinung über ihr Leben haben und genauso wollen es auch die Behinderten und machen es auch die behinderten Menschen.
Freak-Radio: Persönliche Assistenz, was ist das?
Bernadette Feuerstein: Die persönlichen AssistentInnen sind Menschen, die mir meine Muskelkraft ersetzen, die Dinge für mich tun, die ich nicht tun kann, weil ich eben im Rollstuhl sitz, weil ich auch in den Armen nicht genug Kraft habe, und weil ich bei fast allen Verrichtungen des täglichen Lebens Unterstützung brauche. Aber es ist nicht so, dass die AssistentInnen bestimmen, was ich zu tun habe, und was ich machen soll, sondern ich teile sie ein, ich sage was sie tun sollen. Es ist da im Zusammenhang mit der persönlichen Assistenz, es ist immer von den Kompetenzen die Rede. - D. h. ich habe die Anleitungskompetenz, ich sage was zu tun ist, ich habe die räumliche Kompetenz, ich sage wo die Assistenz stattfindet, ich hab die zeitliche Kompetenz, wann die Assistenz stattfindet. - Und nicht so wie, im Unterschied zu einem Heim, wo um halb sieben, alle aus dem Bett geholt werden, alle in den Rollstuhl gesetzt werden und dann in die - vielleicht - Beschäftigungstherapie geführt werden. Das ist natürlich genau das Gegenteil von Selbstbestimmung.
Freak-Radio: Was sind die konkreten Herausforderungen mit persönlicher Assistenz?
Bernadette Feuerstein: Ich will vielleicht zuerst zu den Vorteilen was sagen. Es ist für mich ganz einfach so, dass ohne persönliche Assistenz mein Leben in der Form nicht möglich wäre. Ich hab schon gesagt, ich bin berufstätig, ich hab Familie, ich engagiere mich in der Behindertenarbeit, ich reise gerne, ich hab einen Freundeskreis. Also ich bin wirklich sehr aktiv, und das kann ich aber nur mit der Unterstützung meiner AssistentInnen. Weil ich z. B. in der Arbeit jemanden brauch, weil ich am Arbeitsplatz jemanden brauch, weil ich für die Erziehung und die Zeit mit meiner Tochter Unterstützung brauch, weil ich im Haushalt Hilfe brauch, und, und, und. Also es ist so, dass ohne persönliche AssistentInnen mein Leben so nicht möglich wäre. Die Alternative, was für mich aber keine Alternative wäre, wäre dann sicher auch ein Heim.
Und so zu sagen die schwierigeren Seiten des Lebens mit persönlicher Assistenz - sie ist zwar wirklich ideal für mich, und die einzige mögliche Form - aber es ist natürlich a net immer leicht.
Denn man muss, besonders wenn ein so hoher Assistenzbedarf besteht wie bei mir, die AssistentInnen natürlich sehr in sein Leben mit einbeziehen. Weil die Assistentin einfach jeden, oder jedes Bauchweh mitkriegt, jede - vielleicht einen Streit in der Familie. Die Assistentin weiß, wann ich welche Freunde wo treffe, die Assistentin weiß, dass ich eigentlich auf Diät bin, aber trotzdem gestern Schokolade gegessen habe, um so ein paar Beispiele zu nennen. Und da ist ein sehr großes Vertrauensverhältnis notwendig und da muss man also wirklich die Auswahl der AssistentInnen sehr gut und klug wählen, besonders dann, wenn eben so ein großer Assistenzbedarf besteht wie bei mir.
Freak-Radio: Könnten Sie jungen behinderten Leuten sozusagen Tipps geben, die anfangen mit Assistenz?
Bernadette Feuerstein: Ich würde jungen Leuten zunächst einmal den Rat geben, es schrittweise zu versuchen. Das Glück hatte ich, dass ich sozusagen in diese Situation hineinwachsen konnte, weil das bei mir so ein fließender Übergang war, von der Unterstützung durch die Eltern zur Assistenz. Das war irgendwie, es ist immer mehr Assistenz geworden, und die Unterstützung und Hilfe durch die Eltern hat abgenommen. Das hat sich also über einen längeren Zeitraum gezogen. Also was wichtig ist, also wenn´s möglich ist, dass man das vielleicht schrittweise ausprobiert. Und was auch wichtig ist - das ist ein Punkt - der fällt mir jetzt grad ein, weil ma drüber gsprochn habn mit einer anderen Kollegin - die AssistentInnen auch wenn man ein sehr inniges und gutes Verhältnis eigentlich zu ihnen haben muss, sie trotzdem nicht mit Freunden zu verwechseln. Das sind sehr innige und intime Arbeitsbeziehungen. - Aber was man auf jeden Fall nicht machen sollte ist, dass man dann seine eigenen Kontakte vernachlässigt. Weil eine Assistentin kann vielleicht zu einer Freundin werden, aber grundsätzlich hat sie einen Job und bin ich dann die Chefin und sie ist die Arbeitnehmerin. Was auch manchmal ganz gut ist, wenn´s darum geht, sich eben seiner Rolle bewusst zu sein, und sich das bewusst zu machen, dass das eben ein Arbeitsverhältnis ist und wer der Chef ist. - Man muss deswegen ja nicht garschtig und ungut sein, zu den Leuten. Aber es geht einfach darum, um die Selbstbestimmung, dass ich jetzt sag, ich möchte jetzt dort hin, auch wenn die Assistentin vielleicht findet, das ist heute gar nicht passend, muss sie das für sich behalten und mich dort hin begleiten.
Freak-Radio: Welche Erfahrungen haben Sie mit Elternsein und Assistenz?
Bernadette Feuerstein: Ich hab das große Glück, dass ich viele Assistentinnen schon eine lange Zeit hab. Also meine Tochter ist jetzt 4 ½ und ich hab ein paar Assistentinnen die jetzt schon die ganze Zeit bei mir sind, und teilweise schon länger als Assistentin arbeiten.
Freak-Radio: Wie viele gibt ´s insgesamt, wie viele von Anfang an?
Bernadette Feuerstein: Es sind fünf, und von denen sind jetzt 3 geblieben. Was einerseits recht gut ist, weil natürlich diese stabile Beziehung für mich sehr gut ist, weil´s mir Sicherheit gibt, weil´s fürs Kind sehr gut ist, weil das auch wiederum die Sicherheit gibt und das Vertrauen. Also die kennen sie von klein auf und ich sag immer, sie sind quasi wie ältere Schwestern für sie. Das, was natürlich nicht ganz einfach ist, weil ich doch so viel Assistenz brauch und die Assistentinnen von klein auf sehr viel mit meinem Kind machen mussten - und da diese emotionale Belastung irgendwie in den Griff zu kriegen. Wenn dann das Kind
z. B. hinfällt und weint und dann aber nicht nach der Mama ruft, sondern nach der Assistentin ruft. Was aber auch klar ist, weil das Kind sehr bald weiß, dass die Mama es nicht aufheben kann, sondern die Assistentin das Kind aufhebt, dann das weinende Kind zur Mama bringt, und die Mama kann´s dann trösten.
Aber das ist halt manchmal so, dass man dann schon schlucken muss, wenn man's Gefühl hat, - naja: mag das Kind die Assistentinnen jetzt lieber als die eigene Mama. Das ist aber wirklich im Vergleich zu den Vorteilen, die's hat, mit Assistenz ein Leben zu organisieren und ein Kind groß zu ziehen, wirklich verschwindend. Aber es sind manchmal so gefühlsmäßige - ja, ich will nicht sagen Einbrüche, das klingt zu - gefühlsmäßige Erlebnisse, kleine Erlebnisse, wo man dann halt schon sich auch klar machen muss: okay, das ist jetzt nicht böse, und das ist ja klar, weil für das Kind is es einfach so. Und jetzt mit 4 ½ Jahren ist es ganz klar, eigentlich, und ist auch für meine Tochter klar: Mama und Papa sind Mama und Papa, - und die Assistentinnen sind die Assistentinnen und helfen der Mama, weil die Mama halt viele Sachen nicht kann.
Und, es ist z. B. lustig, und dann denk ich mir, sie hat also sozusagen die Rolle der Assistentinnen sehr gut erkannt, und wenn sie dann sagt: ja, jetzt bin ich deine Assistentin. - Also, sie spielt dann meine Assistentin und dann hilft sie mir halt oder sie sagt: ja und wenn ich groß bin, dann bin ich deine Assistentin. - Weil sie halt sieht, wie die mit mir umgehen und weil sie mir halt helfen will, und dieses und jenes.
Und da bin ich gleich beim nächsten Punkt. Ich find' das ist zwar sehr nett und ich find es also auch sehr lieb, wie sie da Assistentin spielt, manchmal, und die Assistentin ist dann das Kind und dann... wie halt die Rollenspiele sind in dem Alter. Was ich aber auch sehr wichtig find, und das ist auch, - also ich möchte, dass mein Kind durch meine Behinderung nicht besonders belastet ist. Und ich möchte natürlich nicht, dass mein Kind eine Assistentin ersetzt, weder jetzt noch später. Natürlich, wenn mir was runterfällt und sie steht daneben, sag ich bitte heb mir das auf. Oder kleine Handgriffe, die halt jedes Kind im Alltag auch machen müsste oder auch muss. Das, was ich sicher nicht will, ist, dass einmal mein Kind quasi meine Assistentin sein muss. Diese Verpflichtung will ich ihr nicht und mir nicht auferlegen, weil das die eigentliche Mutter-Kind-Beziehung viel zu sehr belastet. Und ich bin auch sehr froh über die Assistentinnen, weil es mir dadurch möglich ist, dass sie nicht zu viele Einschränkungen erleben muss.
Weil es gibt oft Situationen, wo's, ich weiß nicht wo's darum geht,... Wir waren am Wochenende weg. Da war ein Hindernislauf oder ein Orientierungslauf, wo's halt darum gegangen ist, einen kleinen Geländelauf durch den Wald zu machen mit Begleitung. Natürlich kann ich da, könnte ich da nicht mit ihr mitgehen und sie könnte nicht daran teilnehmen. Aber dann ist da meine Assistentin wo ich sag: Bitte mach jetzt da eine Runde mit ihr durch den Wald. Und ich warte dann halt am Ziel und sie kommen wieder zurück und hat einen Preis gewonnen und hat sozusagen...- wie die anderen Kinder konnte sie daran teilnehmen.
Also in solchen Dingen ist es dann schon so, dass die Assistentinnen meine Rolle übernehmen, ja übernehmen müssen und manchmal auch gerne tun. Und halt eben auch da mir die Muskelkraft ersetzen. Und ich kann sie nicht auf ein Pferd hinaufsetzen, wenn sie Ponyreiten will und was auch immer es für für... Oder ich kann mit ihr nicht... Also ich kann mit ihr schon schwimmen gehen, aber ich könnte sie nicht retten, wenn sie untergeht. - Das heißt, wenn wir schwimmen gehen, geht immer eine Assistentin mit und solche Sachen halt. Aber ich kann dadurch alle die Dinge auch mit ihr machen, die andere Kinder in ihrem Alter auch machen weil mich die Assistentinnen begleiten und unterstützen.
Freak-Radio: Eine Frage zum Thema Partnerschaft, -
Sie haben auch einen Partner... wie lebt der mit den Assistentinnen?
Bernadette Feuerstein: Naja, er sieht natürlich auch die Vor und Nachteile sag ich jetzt. Es ist für ihn so - er ist beruflich sehr engagiert - und er könnte beruflich nicht so engagiert sein wie er's jetzt ist, hätte ich nicht die Assistentinnen. Weil ich dann viel mehr von seiner Hilfe und viel mehr von ihm abhängig wäre. Und das ist natürlich sehr gut und das ist auch eine Entlastung für die Beziehung, dass man nicht so abhängig ist, und jeder halt auch so seine eigenen Arbeiten machen kann oder seine Hobbies, auch den Hobbies nachgehen kann. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass die ständige Anwesenheit von einer sozusagen fremden Person auch das Familienleben und auch die Partnerschaft beeinträchtigt. Und wir haben das halt dadurch gelöst, dass ich jetzt nicht 24 Stunden rund um die Uhr immer Assistentinnen da hab, sondern dass es natürlich auch sozusagen assistenzfreie Zeiten gibt, wo wir halt zu dritt sein können als Familie oder zu zweit sein können als Paar - das ist auch dringend notwendig, dass man da noch zueinander findet und sich nicht ganz vom Geschehen und den Äußerlichkeiten abhält, abbringen lässt.
Freak-Radio: Noch zwei einfachere Fragen: Was sind die Forderungen der Selbstbestimmt Leben Bewegung an die Politik?
Bernadette Feuerstein: Die wichtigste Forderung ist eigentlich, also wenn ich jetzt das Selbstbestimmt Leben hernehm', ist die, dass behinderte Menschen in allen Bereichen des Lebens - und in allen Bereichen: beruflich, privat, Familie, also wirklich wo auch immer, so teilnehmen können, so teilhaben können wie nicht behinderte Menschen. Das ist einmal so der Oberbau an Forderungen und da drunter kommen noch andere Dinge, die dazu notwendig sind, um das zu verwirklichen. Da haben wir heute schon gesagt, die Assistenz ist sehr wichtig, persönliche Assistenz und in dem Zusammenhang eine sehr wichtige Forderung: die Finanzierung der persönlichen Assistenz. - Weil das kann sich niemand leisten aus dem was er verdient, selbst wenn er ein relativ gutes Einkommen hat, aber fünf Angestellte oder fünf Assistentinnen, die mehr oder weniger rund um die Uhr arbeiten, so viel Geld kann niemand verdienen. Das heißt die Finanzierung der persönlichen Assistenz: ein ganz, ganz wichtiges, ganz großes Thema. Und der Abbau der Barrieren, das ist einerseits auch ein wichtiges Thema- bauliche Barrieren. Also es sind immer noch Stufen ein Thema, es ist immer noch ein Thema, dass der öffentliche Verkehr nicht barrierefrei ist. Es ist immer noch so, dass ich mir, wenn ich auf Urlaub fahren will, vorher lang recherchieren muss: wie komme ich dort hin, hab ich dort ein Quartier in dem ich zurechtkomm, usw., usw. Also die architektonischen und baulichen Barrieren sind immer noch, nach Jahrzehnten muss man sagen, immer noch ein Thema. Und dann gibt's also auch noch - wie soll man sagen - die gesellschaftlichen Barrieren, die abgebaut werden müssen. Das ist aber jetzt nicht so, dass man jetzt noch die 27. Kampagne machen muss, um Mitleid für die armen Betroffenen zu erhaschen, sondern da geht's darum, dass zum Beispiel das Behindertengleichstellungsgesetz, ein Gesetz ist, das kaum etwas bewirkt für die Betroffenen. Dass das Gleichstellungsgesetz ein Gesetz werden wollte, sollte, wo Power dahinter ist, wo Kraft dahinter ist, mit dem ich auch was verändern kann. Weil wenn die Betroffenen nicht wirklich die Möglichkeit haben in der Gesellschaft zu leben und ihre Rechte einzufordern und einzuklagen, dann wird sich nur mit Good-Will Erklärungen sicher nichts ändern in unserer Gesellschaft. Weil da gehören Gesetze her, Sanktionen. Und dann wird sich auch vom gesellschaftlichen Ansehen her einiges ändern.
Freak-Radio: Noch eine Frage. Was sagt die österreichische Selbstbestimmt Leben Bewegung zum Gleichstellungsgesetz, was sind die größten Kritikpunkte?
Bernadette Feuerstein: Das österreichische Gleichstellungsgesetz ist einfach ein sehr schwaches Gesetz. Man kann damit nicht wirklich was bewirken, es ist so: man kann Diskriminierungen anzeigen, man kann ein Schlichtungsverfahren beantragen, indem dann festgestellt wurde: ja, hier wurde diskriminiert oder nicht. Wenn es z. B. zu keiner Schlichtungseinigung kommt, dann hat der Betroffene, der sich diskriminiert fühlt, die Möglichkeit, eine Klage einzubringen. - Die sehr theoretische Möglichkeit, weil wer kann sich´s schon leisten, eine Klage zu führen? Und wer hat die Zeit und die Nerven dazu, eine Diskriminierung wirklich gerichtlich zu verfolgen? Ein großer Mangel am Gleichstellungsgesetz ist, dass es sozusagen keine Unterlassung gibt, d. h., wenn ich jetzt feststelle, ich fühle mich durch diese zwei Stufen in diesem Geschäft diskriminiert, dann wird zwar vielleicht festgestellt, dass das diskriminierend ist, aber der Geschäftsbesitzer hat nicht die Verpflichtung, diese zwei Stufen zu eliminieren.
Das heißt, das ist einfach dann so festgestellt: das ist diskriminierend für Dich, na tut mit leid! Man kriegt dann vielleicht eine Schadenersatzzahlung, aber es ist nicht jetzt der Diskriminierende dazu verpflichtet, die Diskriminierung zu beseitigen. Es sind auch die Fristen für die baulichen Veränderungen, die notwendig sind, sehr lang. Und dadurch, dass also im Gesetz viel zu ungenau beschrieben ist, was jetzt als behindertenfreundlich oder barrierefrei gilt, ist es natürlich wieder sehr Auslegungssache, was jetzt zu akzeptieren ist, und was nicht.
Also es ist ein ungenaues, schwammiges, verwaschenes Gesetz mit zu wenig oder faktisch keinen Sanktionsmöglichkeiten für die Betroffenen.
Freak-Radio: Danke für dieses Gespräch.