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.Liebe, Sex und Selbstbestimmung
Jemandem ganz nah sein, seine Sexualität offen ausleben zu können - danach sehnen wir uns alle. Menschen mit Behinderungen ist es aber oft nicht vergönnt, diese Bedürfnisse selbstbestimmt auszuleben. Der Themenkreis Behinderung und Sexualität wird nach wie vor tabuisiert. Der Kongress "Enthinderte Sexualität" in Linz wollte dieses Schweigen brechen ...
Am 9. und 10. April hat in Linz ein Kongress zum Thema "Enthinderte Sexualität" stattgefunden. Der Linzer Ursulinenhof und der Offene Kulturhof erfreuten sich regen Zulaufs. Rund 500 BesucherInnen, darunter Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen sowie BehindertenbetreuerInnen und Fachleute nahmen an Vorträgen und Workshops teil. Bekannte deutschsprachige ReferentInnen, wie etwa Sex-Expertin Gerti Senger oder Sexualassistentin Nina de Vries, informierten über Themen wie Sexualassistenz, Auswirkungen von Psychopharmaka auf das Sexualleben oder Elternschaft mit Behinderung.
Was lange währt ...
Erste Gespräche für eine derartige Veranstaltung hat es bereits 2004 gegeben. Anlass dafür waren Fälle von sexuellem Missbrauch in Heimen. Die nun abgehaltene Tagung wurde vom Verein Senia, der Interessensvertretung Sozialunternehmen (IVS) in Zusammenarbeit mit der Sozialabteilung des Landes Oberösterreich organisiert.
Es fällt auf, dass das Thema Sexualität & Behinderung oft nur dann öffentlich beachtet wird, wenn es darum geht "Probleme" zu wälzen. Auf die Idee, dass auch Menschen mit Behinderung ein erfülltes Sexualleben haben, kommen nur die wenigsten.
Let's talk about Sex?
In der Öffentlichkeit über Sexualität zu sprechen sei längst noch nicht selbstverständlich, berichtet Psychotherapeutin Gerti Senger. Sie erinnert sich an eine Demonstration vor der Buchhandlung, in der sie ihr erstes Buch vorstellen sollte. Der Zugang wurde ihr von Anhängern des konservativen Lagers versperrt. Gerti Senger ist der Ansicht, dass über Sexualität von Menschen mit Behinderungen nach wie vor zu wenig gesprochen wird. Mehr über die Arbeit von Gerti Senger lesen Sie unter: http://www.gerti-senger.at
Die in Basel (Schweiz) lebende Psychotherapeutin und Journalistin Aiha Zempt wurde ohne Arme und Beine geboren.Von Kindheit an hat sie sich gegen eine "Normalisierung" gewehrt. Ihre Prothesen hat sie kurzerhand auf den Sondermüll verbannt. Ihrer Meinung nach hat sich in den letzten Jahren in punkto Behinderung und Sexualität vieles zum Positiven verändert. Noch vor 12 Jahren wurde Aiha Zempt bei einem öffentlichen Vortrag in Oberösterreich massiv attackiert. Das Mikrofon wurde ihr aus der Hand gerissen. Schließlich musste sie ein Mann von der Bühne tragen um sie in Sicherheit zu bringen. Mehr über den Lebensweg von Aiha Zempt lesen Sie unter: http://aiha-zemp.com
Eindrücke und Meinungen
Über eines sind sich die BesucherInnen weitgehend einig: Der Kongress war wichtig, um das Thema Sexualität und Behinderung wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Das Angebot an Workshops und Vorträgen war nach Meinung vieler TeilnehmerInnen durchaus vielseitig. Auch die erotische Performance der integrativen Künstlertruppe Danceability ist durchwegs positiv bewertet worden.
Doch es gab auch Kritik: Besucherin Anna Maria Hosenseidl hätte sich einen gleichwertigeren Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung gewünscht. Sie sieht nicht ein, warum Menschen mit Behinderungen über ihr Sexualleben detailliert Auskunft geben sollen, während sich die "Anderen" vornehm zurück halten. Die Forderung nach einer Sexualassistenz nach niederländischem Modell wird durchaus kritisch gesehen. (Bild: www.pixelio.de).
wichtige LINKS: www.senia.at, www.iv-sozialunternehmen.at, www.wiend.at
Die Sendung "Liebe, Sex und Selbstbestimmung" steht unter ORF-Radio-1476 zum kostenlosen Download zur Verfügung.