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Mit den Augen hören
Eva Brunnbauer ist quasi ein "modernes Sprachmedium". Die Gebärdensprachtrainerin gibt Kindern, die aufgrund ihrer Behinderung nicht sprechen (können) eine Stimme - eröffnet ihnen die unbekannte Welt der Kommunikation. Eva Brunnbauer selbst konnte jedoch niemals hören ...
Philipp läuft quer durch den Gemeinschaftsraum. In seinen runden dunklen Sonnenbrillen, die nahezu die Größe seines Kopfes überragen, spiegeln sich lachende Gesichter von anderen Kindern. Man hört viel Lachen, vermischt mit einer ungewohnten Stille.
Philipp hat es auf die Kotletten eines Besuchers abgesehen und zupft an ihnen herum. Nur vorsichtig. Sein ansteckendes Lachen verbreitet sich schnell im Raum. Vor der geschlossenen Tür mit dem hellblauen Stoffbären (mit der Aufschrift "Bitte Ruhe!") macht er nur ungern Halt. Die Eroberung des noch unentdeckten Raums muss bis später warten.
Wegfliegen und wieder zurück kommen...
In diesem Raum bietet Eva Brunnbauer der siebenjährigen Anna währenddessen bunte Karten an. Sie treten über diese Karten und Symbole miteinander in Kontakt. Hunde, Bäume, Autos, Lokomotiven, Flugzeuge und Schmetterlinge sind auf dem ersten Set zu sehen. Anna mag sich heute am liebsten nur auf den Schmetterling konzentrieren. Ein Stück davonfliegen. Ein wenig träumen. Eva Brunnbauer versucht die Aufmerksamkeit ihrer Klientin wieder ein Stück weit auf die anderen Karten zu lenken. Sie zeigt ihr, wie das Wort HUND in Gebärdensprache beschrieben wird. Dann deutet sie wieder auf die Karte mit dem Flugzeug. Anna sieht Eva Brunnbauer erst in die Augen, später auf das Flugzeug und gebärdet dann das Symbol auf ihre Weise. Sie lacht laut auf, als sie positive Bestätigung bekommt.
Gehört werden, auch wenn man selbst nicht hört...
Von draussen hört man Philipp an der Tür klopfen. Anna lauscht neugierig dem Geräusch. Philipp wird der nächste sein. Auch er wird sich für ein paar Minuten der Konzentration hingeben, neue Worte lernen, Symbole kennen - und gebärden lernen um dann wieder ein Stück davon zu fliegen. Zum hellblauen Stoffbären, den Kotletten und den anderen Menschen im Raum, die seinem Charme sogleich erliegen.
Auch Philipps hörender Bruder Florian lernt die Gebärdensprache, damit er sich mit ihm unterhalten kann. Um mit ihm shakern zu können. Um einander ein Stück besser zu verstehen. Philipps Mutter lernt ebenfalls mit. Ganz abseits von der Liebe sei Kommunikation das Wichtigste in der Beziehung zu ihrem Kind, meint sie. Und die hätte sich um einiges verbessert, seit sie ein gemeinsames sprachliches Medium gefunden hätten.
Im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit arbeitet Eva Brunnbauer in der Praxis KIZ (Kind im Zentrum). Die Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht Eltern mit Kindern zu unterstützen, die in ihrer Entwicklung Defizite aufweisen. Angeboten werden beispielsweise Trainings bei Legasthenie- und Dyskalkulie, Wahrnehmungs- und Sprachtrainings, Beratung in unterschiedlichsten Sozialfragen sowie Trainings in Gebärdensprache für gehörlose Kinder und ihre Familien. All jene, die in die Sprache der Gehörlosen und Hörbeeinträchtigten eintauchen wollen, sind hier richtig.
Sein eigener Chef sein...
Eva Brunnbauer hat vor acht Jahren damit begonnen, Gebärdensprachkurse für Kinder, Eltern, LehrerInnen und KindergärtnerInnen zu halten (oder auch in kombinierter Form für Kinder und Eltern). Ihr ist es wichtig, die Eltern in das Erlernen der Sprache mit einzubinden, um die Kommunikation und folglich die Beziehung zwischen Eltern und Kind zu unterstützen. Kinder mit Behinderungen gebärden manchmal anders, als man das vielleicht aus "perfekt" ausgeführten Gebärden kennt. Die Bilder, die den Kindern gezeigt werden, werden mit einer Gebärde in Zusammenhang gebracht und so dann abgespeichert.
Früher, in der Zeit ohne Gebärdensprache, hätten sich die Kinder viel schwieriger verständlich machen können, erzählt Eva Brunnbauer. Sie erzählt uns auch von dem Irrtum, der immer wieder im Raum steht: Können Kinder mit kognitiven Behinderungen überhaupt die Gebärdensprache erlernen? Klar! Mit einem spielerischen Zugang und viel Raum dafür, so bleiben zu dürfen wie man ist.
Eva Brunnbauer hat sich damals selbständig gemacht. Sie hat sich diesen Weg mit Hilfe von Netzwerken zu hörenden Bekannten eröffnet. "Ohne diese Beziehungen hätte ich mir schwer getan, aber grundsätzlich klappt es ganz gut, sich als Gehörlose selbständig zu machen."
Ich bin was ich bin ...
Philipp läuft indes immer noch schelmisch durch den Raum. Ausdrucksstark und lebensfroh. Offen für ein Stück Mehr an (sprachlicher) Ausdrucksfähigkeit. Das Stück Davonfliegen, das muss aber auch weiterhin erlaubt sein...
(Die Namen der Kinder wurden von der Redaktion geändert.)
Kontakt:
Kind im Zentrum
Wiener Straße 4, 2601 Sollenau/NÖ,
Telefon: +43 676 9414754
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