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Rubrik: Lesen statt Hören
14. November 2004

"Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen VertreterInnen von Sondereinrichtungen und BefürworterInnen von Integration?

von Walter Lindner

Dass da am wenigsten Integration passiert.

Walter Lindner (Moderation): Herr Professor Schönwiese, wie sehen Sie die Situation? Ist
Kooperation nur ein ganz schlechter Weg eventuell Integration aufzubauen oder ist es einmal ein Ansatz?

Volker Schönwiese: Also die Studie von Specht von 93, die zitiert worden ist, hat
schon gezeigt, dass Kooperation von den Lehrern selbst als die schlechteste Möglichkeit
interpretiert worden ist. In der Praxis kenn ich Beispiele, wenn Kooperation eingeführt
worden ist, dass sie sehr schnell in die eine oder andere Richtung gekippt ist. Entweder die
beiden Klassen haben tatsächlich Integrationsklassen gemacht, sie haben sich informell zu
einer Integrationsklasse zusammengeschlossen und haben dann die beiden Räume auch für
unterschiedliche Zwecke benutzt, man kann ja auch Gruppen die sehr gemischt sind in
anderen Räumen einmal arbeiten lassen, es kann auch eine schöne Ressource sein, 2
Räume zu haben. Also die eigentlich das integrativ genutzt haben und andere, die eigentlich
streng getrennt haben und eigentlich nicht von Sonderschulklassen zu unterscheiden waren.
Wenn man´s sich auch international anschaut, Kooperationsklassen sind immer politisch
eingeführt worden und immer mit politischen Regulationen entsprechend ausgestattet
worden, damit sie überhaupt funktionieren. Also Kooperationsklassen sind kein Einstieg für
die Entwicklung sondern die lösen einen Kippeffekt aus, außer sie werden von oben
durchgesetzt.

Walter Lindner (Moderation): Frau Professor Alteneder, sehen Sie das auch so?

Susanne Alteneder: Ja, ich sehe das auch so, auch wir hatten eine Kooperation mit einer
Klasse der Volksschule Wittelsbachstraße und für mich war es so, dass das immer eine
Besonderheit bedeutete. Es war etwas Besonderes für die sehenden Schüler und auch für die sehgeschädigten Schüler und es war sicherlich vor vielen, vielen Jahren ein Versuch.
Aber ich denke, dass alle Besonderheiten nicht sein sollen und nicht zielführend sind.

Walter Lindner (Moderator):Da wir nun langsam aber sicher in die Zielgerade einbiegen, stellt sich natürlich die Frage, wollen fremdbestimmte Institutionen und nicht fremdbestimmende Institutionen von einander überhaupt lernen? Und wenn, wie können Sie das, Herr Volker Schönwiese?

Volker Schönwiese:Naja, wie ich vorher schon gesagt habe, sie können auf einer konkreten Ebene der Lehrpersonen voneinander lernen, wenn es um Didaktik geht. In manchen Sonderschulen wird ja schon sehr viel Reformpädagogik betrieben, in deren Sonderschulklassen geht's eigentlich nur von gleichen weniger langsam und es ist auch keine Didaktik, von der man was lernen kann. Aber sicher, da und dort gibt es sehr nützliche Versuche, wo man voneinander lernen kann. Ansonsten glaube ich eigentlich nicht, dass
man voneinander lernen kann, sondern dass man eher kooperieren müsste und diese Verdoppelung des Systems bei uns aufzuheben, das ich überhaupt nicht kapier, warum unser schönes Integrationsgesetz im Grund um auch ein Sonderschulsicherungsgesetz geworden ist und dass jetzt im Vergleich zu 1994, wo 11.000 Schüler in Sonderschulen waren, jetzt 13.000 Schüler in Sonderschulen sind. Warum 2000 mehr?
Also da braucht' s einfach was anderes. Im Grund genommen gibt's viele Beispiele, wo
Sonderschuldirektoren selbst daran gearbeitet haben, diesen Übergang Richtung Integration zu schaffen. Ich weiß in der Südsteiermark sehr konkret so ein Beispiel, ich weiß in Tirol so ein Beispiel, wo auch dann die Sonderschuldirektoren selbst sich als entsprechende kompetente Personen für die Integrationsbegleitung erwiesen haben. Sofern sie nicht irgendwelche Standesinteressen vertreten und Sicherungspolitik im Rahmen der Sonderschulen machen.
Also es gibt schon Möglichkeiten der Kooperation, aber es braucht auch eine politische Vorgabe, in welche Richtung das geht und die politische Vorgabe wird sehr stark von den Elterninitiativen auch, wollt ich sagen, fast getrieben werden müssen, weiterhin, wobei die Bedingungen jetzt im Allgemeinen schlecht sind. Wobei ich insgesamt ? sie sind deswegen schlecht, weil die Schulentwicklung insgesamt in eine schwierige Richtung läuft. Wie sie ja wissen, gibt es eine größere Anzahl von problematischen Entwicklungen, größere Schülerzahlen werden
angestrebt, sehr stark über die Autonomie im Grunde genommen einen Selektionsprozess in die Schule hineinzubringen, auch teilweise die Mängelverwaltung wird in die Schule selbst verlegt, externe Evaluation wird gemacht, die sehr stark auf standardisiertes Wissen festgelegt ist. Im Grunde genommen wird rundum soziales Lernen immer mehr nachgereiht. Es gibt internationale Tendenzen, die Schul- und Bildungssysteme zu privatisieren, und diese ganzen Dinge laufen auch. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine große
internationale Tendenz in Richtung Integration. Sie wissen ja die Salamanca-Erklärung von der UNESCO von allen Ländern der Welt abgesegnet. Nur der deutschsprachige Raum war ziemlich dagegen. Da gibt's auch eine Gegenentwicklung. Es ist ein sehr zwiespältiger Entwicklungsprozess, der nebeneinander,
teilweise auch gegeneinander läuft und ich denke die Personen, die stark auch an der
Persönlichkeitsentwicklung der Kinder orientiert sind, und die auch begreifen, dass es dazu ein bestimmtes Setting braucht, die können nur für Integration sein und auch daran arbeiten und da arbeiten ja auch viele Sonderschullehrer dazu. Die Wissenschaft weiß das schon lange, dass es so ist. Wer es hören will, dem könnte ich es einmal extra erzählen, wie die Wissenschaft das einfach schon lange entsprechend formuliert
hat, aber in der Praxis schaut vieles noch anders aus und vor allem in der politischen Praxis schaut vieles noch anders aus.


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