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Rubrik: Freak Aktuell
26. Juli 2016

Nicht beziehungsreif?!

von Katharina Müllebner

Derzeit plane ich eine Radiosendung mit dem Thema Partnersuche mit Behinderung. Der Wunsch nach einem Partner, nach Liebe und Sexualität spielt wohl eine Rolle im Leben von fast jedem Menschen. Welche Erwartungen haben wir an einen Partner? An Liebe? An Sexualität? Welche Menschenbilder haben wir im Kopf? Welche Entwürfe von Körperlichkeit? Das alles sind in diesem Zusammenhang wichtige Fragen.

Was mir als erstes auffiel, als ich mich mit meiner Sendung beschäftige, war, dass es sehr schwierig war, Gäste zu finden. Natürlich kann es ein bisschen unangenehm sein, besonders übers Single-Sein zu sprechen, aber andererseits sind Partnerschaft und Sexualität Themen, die uns im täglichen Leben förmlich anspringen. Es gibt kaum eine Fernsehsendung ohne das Thema, aber wie ist es denn für Menschen mit Behinderung? Gerade wir, finde ich, sollten dieses Thema nicht aussparen. Da uns Sexualität, Körperlichkeit und sogar Partnerschaft so lange nicht zugestanden wurden. Ich denke eigentlich, oder hoffe es zumindest, dass die Gesellschaft mit voranschreitenden Jahren offener wird und dass Bilder von behinderten Menschen als ewige Kinder und sexuelle Neutren längst passé sind.

Leider habe ich während meiner Suche eine ziemlich schockierende Entdeckung gemacht. So stieß ich auf ein Forum, in dem das Thema Partnerschaft und Behinderung diskutiert wurde. Ich möchte jetzt einige Beträge aus dieser Diskussion zitieren, damit dem Leser bewusst wird, worüber ich schreibe. Die Ausgangsfrage des Forenthreads war „Wer hatte schon einmal einen behinderten Partner? Im zweiten Thread wollte eine Frau ungefähr in meinem Alter, auch Rollifahrerin, wissen, wie sie sich am besten präsentieren kann, damit sie online einen Partner findet.

 „Nein, warum? Naja, warum soll man sich unnötig noch mehr Probleme machen. Selbst wenn meine große Liebe von heute auf morgen im Rollstuhl landen würde, wäre mir das einfach zu viel. Ich möchte mein Glück teilen und nicht das Leid eines anderen. Sorry, aber es gibt sicherlich genügend Menschen (Helferkomplex?), die dafür anfällig sein könnten. Behinderte können auch gut untereinander suchen....

Selbst wenn ich mich in einen Rollstuhlfahrer (ich gehe jetzt mal von Querschnitt aus) verlieben würde, eine Beziehung käme für mich auf keinen Fall in Frage. Als Ärztin weiss ich zu gut, welche Probleme an dieser Behinderung hängen (Dekubitus, Harn- und Stuhlentleerung, Probleme mit Erektion/Orgasmus, Kontrakturen uvm.) und welche enorme Belastungen für den Patienten und ggfls. die Partnerin tagtäglich zu stemmen wären. Da ändert auch das "rosarote" Bild des weltreisenden Rolli-Fahrer nichts dran...“

 „Ich (w/33) hätte mir das bis vor ein paar Jahren wahrscheinlich noch nicht vorstellen können. Allerdings hat mich bisher auch noch nie mit sowas konfrontiert - vielleicht wäre es doch gegangen. Ohne die Überlegung dazu vorher hat man wohl noch ein anderes Bild von Familie und Sex, was einem da eventuell noch vorschwebt. Mittlerweile hat sich Familie aber erledigt (wahrscheinlich wäre es auch mit Familie weniger ein Problem) und beim anderen kennt man mittlerweile auch einige Möglichkeiten, wie man das handhaben könnte. Ich glaube, in dem Falle würde es mir auch nicht sooo viel ausmachen - bis auf die Tatsache, dass es anfangs dennoch ungewohnt wäre. Aber man kann sich an vieles gewöhnen und damit wäre mir das mittlerweile auch weniger befremdlich. Wahrscheinlich wäre das sogar recht bald recht normal.“

Ich finde es sehr befremdlich, wie viele negative, ja schon fast beleidigende Antworten es zu diesem Thema gibt. Behinderte Menschen sind also eher potenzielle Risiken als Partner. Sie sollen lieber unter Ihresgleichen bleiben, oder jemanden suchen, der sich aufgrund eines „Helferkomplexes“ oder aufgrund von Mitleid mit ihnen abgibt. Komisch ist auch, dass sich nur auf körperliche Behinderungen bezogen wurde. Menschen mit Lernbehinderungen wurden ganz und gar ausgespart. Natürlich ist so ein Forum nicht meinungsgebend für die ganze Welt und darf auch sicher nicht zu sehr verallgemeinert werden, aber es stimmt mich doch sehr nachdenklich, was viele Menschen für ein Bild von Menschen mit Behinderung haben und für Erwartungen an eine Partnerschaft haben. Oft sind Sex und körperliche Fitness ein Thema. Natürlich spielt es eine Rolle, das möchte ich gar nicht abstreiten, aber ist es wirklich das Einzige und vor allem, kann ein Körper mit Behinderung, oder auch ein Körper der von der Norm abweicht, nicht auch begehrenswert sein?

Sind wir wirklich schon integriert bzw. inkludiert, wenn man uns als nett und bewundernswert empfindet, aber nicht mit uns zusammen leben und uns schon gar nicht berühren möchte? Auch aus Erzählungen von meinen Assistentinnen wird mir immer wieder bewusst, wie viele falsche Bilder über Menschen mit Behinderung noch immer existieren. So müssen sie immer wieder erklären, was Assistenz ist, werden oft sogar bemitleidet oder übertrieben bewundert für ihren Job, bekommen Fragen wie „Wie war es denn bei deinen Kindern?“ und „Ist bei dir auch alles in Ordnung?“.

Das alles stimmt mich immer wieder sehr nachdenklich und auch ärgerlich. Heutzutage ist es sehr schick, sich Dinge wie Toleranz, Diversität und Solidarität auf die Fahnen zu schreiben. Damit kann man punkten. Doch kratzt man ein bisschen an der Fassade, sieht man, dass es, wenn auch nicht bei allen, bei vielen doch nur leere Worte sind. Denn einen Menschen voll und ganz zu akzeptieren, bedeutet auch, dass man seinen Körper akzeptiert bzw. wenn es doch „normal“ ist, Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft zu haben, muss es doch auch „normal“ sein, sie zu lieben und mit ihnen zu schlafen.

Noch etwas andere ist mir aufgefallen: Ich glaube, dass uns sehr oft suggeriert wird, dass wir, wenn wir schon eine Behinderung haben, diese durch etwas anderes „ausgleichen“ müssten. So beschreibt sich die Frau im Rollstuhl, die den Thread eröffnete auch mit folgenden Worten: „Ich bin w, Anfang dreißig und körperbehindert (Rollstuhlfahrerin), berufstätig, FH-Diplom, FS und Wohnung vorhanden, ortsgebunden in Metropolregion, schlank, normales Äußeres, kein Kinder- oder Heiratswunsch vorhanden, gesicherte Verhältnisse.“ Ein ähnliches Bild begegnet uns in der Medienlandschaft. Wenn Menschen mit Behinderung positiv dargestellt werden, dann sind es meistens die, wie ich sie nenne, „Superbehinderten“, d.h. auch sie gleichen ihre scheinbaren Mängel durch eine großartige Leistung, ein hübsches Gesicht, eine tolle Figur usw. aus. Aber was ist mit der/m DurchschnittsbürgerIn mit Behinderung?

Haben die überhaupt eine Chance auf Partnerschaft und Beziehung? Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ja! Ich hatte eine 10-jährige Beziehung mit einem nichtbehinderten, jungen Mann, aber auch hier muss ich zugeben, dass Körperlichkeit bzw. die Behinderung schon auch ein Thema war. Ich glaube, ohne näher auf die damaligen Geschehnisse einzugehen, dass mit solchen Bildern von Körperlichkeit und Partnerschaft, in denen Leistungsfähigkeit, Gesundheit und ein suggerierter Pflegebedarf eine große Rolle spielen, auch ein sehr starker Druck auf den nicht-behinderten Partner ausgeübt wird. Man muss sich rechtfertigen, warum man eine/n behinderte/n PartnerIn hat, Ängste und Unsicherheit können sich festsetzen und Liebe übersteht leider doch nicht immer alles. Ich kenne aber auch Beispiele von glücklichen Partnerschaften sowohl zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Es ist also möglich. 

Abschließend möchte ich sagen, dass es von größter Bedeutung ist, dass Menschen mit Behinderung in ihrer Ganzheit von der Gesellschaft gesehen werden und zwar nicht in Sondersendungen als Sonderthema, sondern einfach als ganz normaler Teil der menschlichen  Vielfalt. Hierbei sollte kein Aspekt ausgespart werden: Auch über Sexualität sollte offen gesprochen und thematisiert werden. Menschen mit Behinderung sollten als etwas völlig normales und nicht als etwas Besonderes behandelt werden, dann braucht es auch keine eigenen Partnerbörsen für Menschen mit Handicap, sondern man würde einfach als normaler Mitbewerber im Datingdschungel gesehen werden. Denn letztendlich sind wir doch auch nur Menschen, die eine/n PartnerIn suchen.


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