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.»Nicht für, sondern mit gehörlosen Menschen arbeiten!«
Warum man einem Elefanten nicht beibringen kann, auf einen Baum zu klettern - und was das mit gehörlosen Menschen zu tun hat, warum auch hörende Kinder gerne Gebärdensprache lernen, wie gehörlose Lehrer unterrichten und wie es gehörlosen Studenten schaffen, beim Studium mitzukommen...
Freak-Radio: Es geht um das Bildungswesen: Es ist vor kurzem eine Studie herausgekommen, in der es um die Situation von verschiedenen Menschen mit verschiedenen Behinderungen geht, mit verschiedenen Zugängen zur Universität. Ich möchte Sie gerne als Expertin fragen: Wie sieht die Situation von gehörlosen Menschen von oder Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren, aus? Wie ist, aus Ihrer Warte, die Situation an der Universität oder im Bildungswesen? Können aus Ihrer Sicht die Menschen das tun, was sie tun wollen: also jene Berufe ergreifen, die sie ergreifen wollen?
Mag. Helene Jarmer: Das ist ein gutes Thema. Ich hatte gestern einen Termin im Wissenschaftsministerium, dort gibt es eine Arbeitsgruppe, die mit anderen Projektträgern und dem österreichischen Gehörlosenbund, der mit dem Studentenverein VÖGS gemeinsam arbeitet und Bedingungen erstellt, die notwendig sind.
Die Universitäten sind derzeit nicht barrierefrei. Es gibt viel zu wenig Budget: Es gibt zwar eine Ausbildungsbeihilfe, die monatlich ungefähr 520 Euro beträgt. Im Klartext heißt das, dass gehörlose Studierende für eine Vorlesung ein bis zwei Stunden im Monat besuchen können - pro Semester. Man bräuchte aber wesentlich mehr Stunden! 12 bis 15 Stunden würde man pro Semester brauchen, um ein Studium in der Normalzeit abschließen zu können!
Andere Angebote, etwa Tutoren oder Mitschreibkräfte oder Unterstützung für die Orientierung gibt es überhaupt nicht. Der Grund, warum wir das verlangen, ist, die Gebärdensprache ist anerkannt und es gibt eine UNO Konvention, die auch besagt, dass das notwendig ist. Es gibt ein Regierungsprogramm bis 2010, das auch den Bereich Bildung betrifft, dass dort barrierefreie Kommunikation ermöglichen und zugänglich machen soll. Deshalb haben wir im Bundesministerium für Wissenschaft verlangt, dass sozusagen einige Punkte und Forderungen von uns berücksichtigt werden. Es soll also einen gleichberechtigten Zugang für gebärdensprachmächtige Menschen geben: Sie sollen Seminare und Vorlesungen besuchen können, sie sollen auch Mitschreibkräfte haben und Tutoren, die ihnen die Fachbegriffe erklären. Oder dass sie Mitschriften von den Schreibkräften bekommen können.
Der wichtigste Punkt ist, dass es eine zentrale Organisationsstelle geben sollte, die Dolmetscher oder Tutoren organisiert und sich um die Finanzierung dieser Leute kümmert. Derzeit müssen die Studenten selbst Anträge wegen der Finanzierung stellen, sie müssen sich die Dolmetscher organisieren. Wenn einer krank wird oder ausfällt, sind sie in einer Notlage, weil sie schwer jemand anderen bekommen. Das heißt, sie haben im Studium eine doppelte oder dreifache Belastung.
Freak-Radio: Jetzt fehlt das Geld, es ist einfach zu wenig und deckt nur einen Bruchteil ab.
Mag. Helene Jarmer: Das ist minimal, das ist nur ein Zuckerl.
Freak-Radio: Was sind daher konkret Ihre Forderungen an den Minister gewesen?
Mag. Helene Jarmer: Ich kann das ganz genau aufzählen, wir haben das gemeinsam erarbeitet, wir haben eine lange Forderungsliste gemacht, wir haben auch die Struktur vorgezeigt, die wir uns vorstellen. Und welche Bedingungen herrschen müssen, damit die Situation besser wird. Einige Punkte sind zum Beispiel: dass es ein Einführungsseminar geben soll, eine Bibliotheksführung, das kann auch von gehörlosen Studenten selbst gemacht werden.
Dass also eine Peer-to-Peer, Betroffene-zu-Betroffenen Beratung kommt, Peer-Counselling sozusagen. Wenn es Beschwerden oder Probleme gibt, sollte eine Stelle da sein und die Gehörlosen sollten die Möglichkeit haben, ihre Prüfungen auch mündlich abzuhalten, in Gebärdensprache. Das steht zwar an sich schon im Universitätsgesetz so geschrieben, aber sehr viele Professoren lehnen das ab, sie sind einfach zu wenig sensibilisiert dafür.
Freak-Radio: Habe ich Sie vorhin richtig verstanden, dass es zwei Punkte gibt, die besonders wichtig sind? Erstens, dass man eine Übersetzung in Gebärdensprache hat, aber auf der anderen Seite, dass man, damit man auch die wichtigsten schriftlichen Begriffe mitbekommen kann, jemanden zum Mitschreiben braucht?
Mag. Helene Jarmer: Ja, das ist verschieden. Es ist einfach ein wichtiger Punkt: Jeder Student soll selber entscheiden können, was er braucht, um das Studienziel zu erreichen. Eine Person sagt: »Mir reicht ein Dolmetscher, eine Dolmetscherin und ich schreibe mir selber mit.« Ein Schwerhöriger braucht vielleicht eine Mitschreibkraft, damit er selbst mitlesen kann, was der andere mitschreibt. Oder eine andere Person möchte lieber einen Tutor haben oder jemanden, der gebärdensprachkompetent ist, der mitschreibt und ihm dann in Gebärdensprache erklärt, was die Inhalte sind. Es sollte einfach ein breites Angebot sein, aus dem jeder das herauspicken kann, was er braucht. Das heißt, die akustische Sinnbehinderung ist vor allem eine Kommunikationsbarriere, und daher brauchen wir Kommunikationsunterstützung.
Freak-Radio: Ist Ihnen aufgefallen, ob es zwischen verschiedenen Universitäten unterschiedliche Bedingungen gibt? Kann man sagen, die eine Universität ist besser und sensibilisierter und die andere nicht, oder ist das ein allgemeines Problem in ganz Österreich?
Mag. Helene Jarmer: Ich denke, in Österreich ist da noch nicht sehr viel los. An der Universität Wien, am Institut für Bildungswissenschaft sind die Professoren natürlich schon sensibilisiert, weil das auch Inhalt ihrer Lehre ist. Da sind sie natürlich auch offener. Aber im Bereich Psychologie oder der Technik, wo einige andere studieren, gibt es große Probleme. Ich denke, das hat nichts mit der Universität zu tun, sondern es hat einfach mit der Offenheit oder Aufgeschlossenheit der einzelnen Professoren zu tun. Je nachdem, wie die damit umgehen.
Freak-Radio: Es gibt an vielen Universitäten spezielle Beauftragte für Menschen mit verschieden Behinderungen. Sind diese überhaupt Ansprechpersonen für Sie?
Mag. Helene Jarmer: Es gibt Behindertenbeauftragte an den Universitäten, für allgemeine Themen sind sie als Unterstützung schon ansprechbar, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie besonders in Sachen für Gehörlose sensibilisiert oder auch erfahren sind. Man darf eben auch nicht vergessen: Es gibt in Österreich nur 20 oder 30 Studenten, die gehörlos sind, das ist eine winzige Gruppe! Die fallen natürlich in der gesamten Menge der Studenten nicht auf.
Freak-Radio: Darauf wollte ich jetzt gerade kommen. Früher hat es ja noch viel, viel weniger gegeben. Ich habe eigentlich schon ein bisschen den Eindruck, dass hier ein neues Selbstbewusstsein entstanden ist. Kann man sagen, dass es das in den Ansätzen gibt?
Mag. Helene Jarmer: Manchmal ist dieses Selbstbewusstsein ein bisschen extrem.
Freak-Radio: Aber so vom Anspruch her, wie es durch das Gleichstellungsgesetz auch ein bisschen unterstützt wird, in jenem Sinn: Wir haben auch das Recht zu studieren?
Mag. Helene Jarmer: Ja, das ist natürlich sehr gut für uns. Es war gar nichts da - und jetzt wollen wir natürlich von heute auf morgen alles bekommen. Das muss man aber bei den Politikern auch tun, solche Forderungen stellen, sonst geht nichts weiter. Einige gehörlose Studenten selbst haben gesagt: Wir wollen das jetzt gleich haben! Sie haben gedacht, sie bekommen das schon im nächsten Semester. Ich habe ihnen gesagt: Moment, das geht ja nicht, der Budgetplan, der dauert sicher zwei Jahre, so schnell kann das nicht gehen! Aber ich verstehe die Betroffenen schon gut, die wollen natürlich eine Abhilfe für ihre Situation haben. Wir wissen aber, wie lange diese Amtswege dauern - und gehörlose Menschen haben eigentlich schon sehr viel Geduld und sind auch gewohnt, dass sie warten müssen.
Freak-Radio: Jetzt ist die eine Sache die, dass man ein Studium machen kann. Zum Beispiel kann man schon längere Zeit als Mensch, der gehörlos ist und gebärdet, ein Lehramtsstudium studieren. Jetzt gibt es auch schon eine Unterstützung, die besser ist, wenngleich auch noch immer nicht ausreichend, aber selbst wenn man das geschafft hat, kann es immer wieder vorkommen, dass es dann an den Schulen heißt: Nein, wir brauchen Sie nicht, denn Sie sind ja nicht geeignet! Nicht körperlich geeignet.
Was sagen Sie dazu? Kennen Sie da Beispiele? Dass man also zuerst die Universität machen kann und danach gibt es die Hürde? Die es dann plötzlich gibt, wenn man in den Beruf einsteigen will? Speziell im Schulbereich, durchaus aber auch im öffentlichen Dienst...
Mag. Helene Jarmer: Es gibt einen Fall in Oberösterreich, der war auch in den Medien sehr präsent. Eine gehörlose Lehrerin arbeitet jetzt als Erzieherin und wartet noch immer auf eine Stelle. Vielleicht hat sie eine Chance hier in Wien, um einige Stunden an der Integrationsschule zu machen. Aber die oberösterreichische Schule will sie nicht hergeben. Sie wird sozusagen nicht nach Wien verliehen und damit blockiert.
Ich meine aber nicht nur den Schulbereich, es ist auch der Kindergartenbereich. Das hat auch sehr viel mit der medizinischen Perspektive der Pädagogik zu tun. Die medizinische Perspektive sagt, man muss an den gehörlosen Menschen etwas reparieren, man muss das Defizit ausgleichen und beseitigen, also man muss sozusagen die Gehörlosen an die Mehrheitsgesellschaft anpassen, assimilieren. Das Ziel wird am besten erreicht durch hörgerichtete Erziehung und Lautsprachanbahnung. Die gehörlosen Pädagogen passen natürlich nicht in dieses System hinein. Wozu braucht man die dann?
Freak-Radio: Ich will jetzt einen kleinen Exkurs machen. Ich sehe hier Parallelen auch zur Pflegegelddebatte und auch dazu, was andere Leute sagen. Mag. Dorothea Broschek, die Leiterin der Wiener Assistenzgenossenschaft, hat mir erzählt, dass es auch dort ein medizinisches Modell gibt: indem man laut körperlichen Behinderungen misst und rechnet und dann auf den Assistenzbedarf kommt. Man übersieht dabei aber vollkommen, dass Menschen ja in einem sozialen Umfeld leben und dass man eigentlich von diesem sozialen Umfeld ausgehen müsste und da die medizinische Komponente gar nicht so wichtig ist. Teilen Sie diese Ansicht?
Mag. Helene Jarmer: Es ist die Frage, wer da entscheidet. Die Nicht-Betroffenen entscheiden über die Betroffenen. Da bin ich allergisch, das mag ich einfach nicht. Der Arzt schaut das an und sagt: Das weiß ich besser, wir müssen die Leute reparieren. Und er entscheidet, was gebraucht wird. Das gleiche gibt es in der Pädagogik auch.
Wenn die Leute aufhören würden, für uns zu entscheiden, statt mit uns zu entscheiden, dann würde die Welt für uns besser aussehen.
Freak-Radio: Verstehe ich Sie richtig - und das hat ja auch etwas mit dem Bildungsbereich an der Universität zu tun - die Experten in verschiedenen Gebieten, sei es Pädagogik oder Medizin, aber vielleicht auch Publizistik oder Kommunikationswissenschaft sollten viel mehr mit den Betroffenen arbeiten und sich nicht als Experten über die Betroffenen aufspielen, sondern gemeinsam mit ihnen zu neuen Lösungen kommen, die angemessen sind.
Mag. Helene Jarmer: Dieses »für«, die Schule »für« Gehörlose, das Wort bedeutet einfach, dass »für« diese Kinder etwas gemacht wird. Es sollte nicht das englische Wort "for" sein, sondern es sollte eigentlich das englische Wort "of" - wenn man das ins Englische übersetzt - sein. Die Schule von Gehörlosen, das heißt, das würde die Gehörlosen auf die gleiche Ebene heben. Ich habe schon Personen in verschiedensten Bereichen gesehen, die die Einstellung haben, dass sie automatisch für die Leute etwas machen. Sie sagen also: Ich mache das schon für dich, lass nur. Das kommt immer wieder, das gibt es so oft, aber die Betroffenen müssen sich einfach wehren! Und wenn wir uns nicht wehren, dann bleibt die Situation unverändert!
Freak-Radio: Das heißt, weg von diesem wissenschaftlichen, hierarchischen Expertentum, hin zu richtiger Gleichberechtigung?
Mag. Helene Jarmer: Ja, deshalb sollten ja eigentlich Gesetze gemacht werden, die das garantieren. Aber wie das wirkt, wissen wir ja.
Freak-Radio: Ich komme jetzt zu dem letzten Punkt, den ich ansprechen wollte und das sind eben ganz speziell die Pädagogischen Hochschulen. Hier gibt es eine neue Verordnung aus dem Jahr 2007, die verschiedene Begriffe, die man letztes Jahr beseitigt hat, wieder beinhalten. Es soll zu Beginn des Studiums geprüft werden, ob ein Student einerseits »körperlich geeignet« ist und auf der anderen Seite sogar »stimmlich geeignet« ist. Diskriminiert das nicht eigentlich die gehörlosen Menschen und viele andere?
Mag. Helene Jarmer: Ja ganz sicher, das ist eine indirekte Diskriminierung von Betroffenen im Allgemeinen und von Gehörlosen im Besonderen. Das ist kein Schritt nach vorne, sondern wieder ein Schritt zurück. Da sind wir jetzt dort, wo wir ohnehin schon waren. Es ist einfach mühsam, da man wieder von vorne anfangen, wieder alle Forderungen den Politikern zur Kenntnis bringen und wieder kämpfen muss. Immer das Gleiche!
Freak-Radio: Ist das nicht eigentlich auch wieder so ein Fall von Expertentum? Man sieht die Lehrerin oder den Lehrer als Superexperten, die oder der alles können muss? Wir leben aber heute in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, jeder hat ganz besondere Stärken. Das wird doch eigentlich überhaupt nicht berücksichtigt, oder wie sehen Sie das?
Mag. Helene Jarmer: Ja wir haben auch eine solche Diskussion geführt. Ich erinnere mich, vor einigen Jahren im Ministerium. Aber die Leute wissen sehr genau, wo ihre Stärken und Schwächen und wo ihre Grenzen liegen. Ein Rollstuhlfahrer weiß genau, was er selbst kann und er würde nie auf die Idee kommen, einen Beruf anzustreben, den er nicht kann. Das betroffene Lehrpersonal selbst weiß auch genau, was sie nicht machen können.
Ein gehörloser Mensch würde nie auf die Idee kommen, Sprechen zu unterrichten. Das kann er nicht, das muss ein Kollege machen, der eben gut sprechen kann. Ich brauche kein Papier, das mir zeigt, wo meine Grenzen sind! Die kenne ich selbst. Einige Menschen zum Beispiel können sehr gut rechnen, andere sind sehr gut in künstlerischen Bereichen. Es ist einfach niemand perfekt. Nobody's perfect.
Freak-Radio: Oft spricht man dann davon: »Na gut, wenn diese Lehrer eingesetzt werden sollen, dann an speziellen Schulen für Kinder, die auch in Gebärdensprache sprechen.« Das ist ja sicher gut und schön, aber können Sie sich nicht eigentlich auch vorstellen, dass eine gehörlose Lehrerin oder ein gehörloser Lehrer an jeder anderen Schule auch unterrichten kann?
Mag. Helene Jarmer: Das gibt es zwei Aspekte: In den Gehörlosenschulen, die Spezialschulen sind, muss Gebärdensprache natürlich eine Kompetenz sein, die alle Lehrer haben.
Das soll nicht eine freiwillige Zusatzausbildung sein, sondern das muss Pflicht sein. In der den anderen Schulen, so wie ich auch einmal in einer solchen gearbeitet habe - ich hatte sozusagen gehörbehinderte und normale Kinder in der Klasse - denke ich, dass man das etwa in Mathematik schon machen kann. Ich habe auch selbst unterrichtet, auch in Zeichnen, ich habe auch die Schüler unterstützt, das ging schon. Das wäre möglich mit einem hörenden Lehrer. Aber ganz alleine könnte ich Hörende nicht unterrichten. Dass man sozusagen ein Team ist von zwei Lehrern.
Da werden die Kinder natürlich auch auf Gebärdensprache und gehörlose Menschen sensibilisiert. Das heißt, sie werden von Anfang an sehr positiv eingestimmt und haben dann nie so Vorurteile, wie ich sie halt immer wieder bei erwachsenen Menschen erlebe. Meine Kollegin war zum Beispiel einmal weg und ich habe den hörenden Kinder gesagt: "Ich bin heute alleine mit euch, ich bin gehörlos, ich kann nicht hören. Wenn jemand sehr laut ist, bitte sagt es mir, damit ich etwas tun kann." Den Kindern war das ganz klar, die haben sich dann ausgemacht, wer aufpasst und das war jemand, der auch gebärden konnte. Es ging nicht darum, wer hören konnte und wer nicht, das wurde einfach aufgeteilt.
Freak-Radio: Ich habe ein Beispiel gelesen aus Großbritannien, da hat man ein Gerät entwickelt, das den Lärmpegel misst. Und wenn es zu laut ist, dann dreht sich ein rotes Licht, damit jeder sieht, dass es zu laut ist. Das hat eine gehörlose Lehrerin in ihrer Klasse gehabt. Solche Lösungen wären doch eigentlich überhaupt kein Problem.
Mag. Helene Jarmer: Ich habe das in einer Klasse schon einmal probiert, das hatte ich einmal kurz in Verwendung.
Freak-Radio: Ich würde das auch selbst sehr beim Unterricht begrüßen, weil das ein System ist, das sich selbst steuert - das wäre auch für alle anderen ein sehr interessantes Ding.
Mag. Helene Jarmer: Das wäre auch eine Kontrolle für die Kinder, die würden dann immer sehen, wenn sie zu laut sind.
Freak-Radio: Ein Aspekt ist mir noch ganz wichtig, weil Sie gesagt haben, Sie könnten nicht alleine unterrichten...
Mag. Helene Jarmer: Das ist meine persönliche Meinung. Ich als Person, ich kann hörende Kinder nicht alleine unterrichten. Wenn ein Dolmetscher dabei wäre, wäre das natürlich kein Problem. Wenn ich, während ich in der Klasse Stoff unterrichte oder Theorie vortrage einen Dolmetscher dabei habe, wäre das kein Problem.
Freak-Radio: Können Sie sich das vorstellen, dass man sagt: es gibt Persönliche Assistenz für Menschen mit Bewegungsbehinderungen, warum nicht auch für Gehörlose? Weil der Dolmetscher ist etwas ähnliches wie Assistenz am Arbeitsplatz.
Mag. Helene Jarmer: Ja, das Wort Assistent ist für mich vielleicht nicht ganz richtig, denn es ist ein Dolmetscher. Aber wir haben auch das schon diskutiert. Einige meinen, dass der Dolmetscher dazu führt, dass der Gehörlose nicht selbständig ist. Ich als Gehörloser kann einfach Hören nicht schaffen, egal wie lange ich übe. Das ist so, als ob man einem Elefanten beibringen wollte, auf einen Baum zu klettern. Das schaffe ich nicht. Wenn ich eine Chance bekommen soll, gleichberechtigt zu arbeiten, brauche ich einen Dolmetscher, im Berufsbereich, es geht um Kommunikation und Informationsbeschaffung und dafür brauche ich einen Dolmetscher.
Freak-Radio: Und vielleicht würden einige der hörenden Schüler auch dazu animiert werden, selber zu gebärden. Das wäre doch auch nicht schlecht, oder?
Mag. Helene Jarmer: Wir machen sehr viele Sensibilisierungsschulungen an den hörenden Schulen, hörende Kinder sind sehr begeistert von Gebärdensprache und sind sehr motiviert dabei. Es gibt auch einen Verein, der Gebärdensprachkurse für Kinder anbietet und der ist sehr gefragt. Die Schüler lernen die Gebärden viel schneller als der Lehrer, der auch dabei ist. Wenn man zum Beispiel Gebärde sehen will, gibt es für die Kinder im Fernsehen zum Beispiel Confetti TV und da ist eine gehörlose Moderatorin, die gebärdet. Das ist jetzt täglich im Kinderfernsehen.
Freak-Radio: Was wäre ihnen abschließend im Bildungsbereich noch wichtig?
Mag. Helene Jarmer: Der wichtigste Punkt ist für mich, dass sich Menschen einfach bewusst sind, dass sie offen sind und uns Gehörlosen gegenüber eben tolerant und zugänglich sind. Im pädagogischen Bereich ist es beispielsweise wichtig, dass die Kinder ein Recht auf zweisprachige Bildung haben. Es sollte Lautsprache und Gebärdensprache und Schriftsprache, also alles da sein.
So haben gehörlose Menschen dann auch die Möglichkeit, ihre Identität zu entwickeln, wenn Gebärdensprache da ist, ihre Handlungsfähigkeit wird dadurch entwickelt und dann können sie wirklich vollwertig an der Gesellschaft teilhaben. Ich denke, das ist der allerwichtigste Punkt, den wir nicht vergessen dürfen.
Freak-Radio: Vielen Dank für das Gespräch!