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.Folge 46: Ö3 macht Inklusion zum Hit
„Begegnungen auf Augenhöhe“, so beschreibt Ö3-Reporter Meinhard Mühlmann Inklusion. Begegnungen bauen Vorurteile ab. Das Radio schafft Raum dafür. Seit über 20 Jahren konzipiert und betreut Mühlmann beim Hitradio Ö3 soziale Initiativen, vom Weihnachtswunder bis zur Lehrlingsaktion „Ich will und ich kann arbeiten und ich verdiene eine Chance!“ Ö3-Moderator Philipp Hansa ist für diese Initiative quer durch Österreich gefahren und hat mit Jugendlichen mit Behinderung gesprochen, die eine Lehrstelle suchen. Eine Sendung über die Förderung von Talenten, Fußballleidenschaft und Forrest Gump.
#Signation# Herzlich willkommen bei FreakCasters sagen Sandra Knopp und Christoph Dirnbacher. Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Auch 2021 hat das Ö3 Weihnachtswunder einen neuen Rekord aufgestellt. Rund 3,9 Millionen Euro kamen während der 120 Stunden Live-Sendung zusammen. Das Weihnachtswunder, die Handy Sammelaktion, Wundertüte oder die Lehrlings Aktion "ich will und ich kann arbeiten und ich verdiene eine Chance". All diese sozialen Initiativen hat Ö3 Reporter Meinhard Mühlmann maßgeblich mitentwickelt.
Im Gespräch, das wir vor Weihnachten aufgezeichnet haben, erzählt er, wie Radio Raum für Begegnungen schafft und Vorurteile abbaut. Ein Ziel, das er mit Ö3 Weckermoderator Philipp Hansa teilt. Auch mit ihm haben Christoph und ich 2021 über seine Vorstellungen von Inklusion gesprochen. Dabei war der Mannschaftssport Fußball ein Thema, so viel sei schon mal verraten. Doch zunächst zu Meinhard Mühlmann und seinem "Weihnachtswunder".
Meinhard Mühlmann: Es ist wahrscheinlich die letztendlich DIE Lieblings Aktion, weil ich noch nie so sehr gespürt habe und die Arbeit eben jetzt seit über 20 Jahren beim Radio Teil einer Initiative zu sein, eines Projektes zu sein, wo man so sehr diese Kraft des ganzen Landes spürt.
Zumindest für den Moment des Zusammenrücken des Landes und so viel an positiver Rückmeldung und Gedanken und Reflexionen von Menschen, die da dann das hören, die dann mitmachen, die wir ihre Beweggründe erzählen, wieso sie da teilnehmen wollen, wieso sie da entweder eine Aktion fürs Weihnachtswunder machen oder einfach spenden, sich Lieder wünschen und spenden. Das alles in allem ist einfach überwältigend. Schlicht und ergreifend.
Sandra Knopp: Die Spenden fließen in den „Licht ins Dunkel“ Soforthilfe-Fond. Seit mehr als 20 Jahren konzipiert und betreut Meinhard Mühlmann beim Radiosender Ö3 soziale Initiativen. Ursprünglich zog es ihn in Richtung Architektur. Er begann mit dem Studium in Innsbruck. Doch irgendetwas fehlte. Die Liebe zur Musik war es, die den gebürtigen Tiroler zum Radio führte. Doch der Weg dorthin war steinig.
Meinhard Mühlmann: Es war tatsächlich so, dass ich in Innsbruck, das war im Jahr 1997 versucht habe, im Radio Bereich irgendwo Fuß zu fassen. Und damals war ja schon vorausschauend die Überlegung 1998 Start Privatradio in Innsbruck natürlich österreichweit. Wo könnte ich denn da wie arbeiten? Und habe dann eigentlich überall Absagen bekommen, weil natürlich niemand auf einen jungen Mann mit Null Radio Erfahrung gewartet hat.
In den Bereichen und hab mir dann tatsächlich gedacht okay, hier hab‘ ich keine Chance, ich muss irgendwo hingehen, wo's mehr Möglichkeiten gibt und bin dann einfach deswegen nach Wien gegangen, um das Spektrum zu erweitern und den Rahmen der Möglichkeiten zu erweitern.
Sandra Knopp: Meinhard Mühlmann bewarb sich als Musikredakteur bei Ö3 und wurde auch zum Vorstellungsgespräch eingeladen, doch es war leider keine Stelle frei. Daher startete er mit dem Publizistik und Politikwissenschaft Studium. Ein halbes Jahr nach dem Vorstellungsgespräch ereilte ihn dann doch der Ruf von Ö3, er könne im Hörerservice einsteigen.
Meinhard Mühlmann: Ich hab' einfach nur den Fuß in der Tür gesehen und hätte alles getan, um diesen Traum Radio Radioreporter näher zu kommen. Und das war für mich großartig. Als ich dann die Bestätigung bekommen habe, dass ich hier beim Hörerservice beginnen kann und das waren dann großartige erste Monate in dem Bereich, wo ich wahnsinnig viel über das Thema Radio, Hörer, Hörerbindung, Hörerinteressen, aah, Sendungsbegleitung und so weiter gelernt habe. Also, es war herrlich.
Sandra Knopp: Im Jahr 2000 kam es für ihn zu einem beruflichen Wendepunkt. Als Reporter übernahm Meinhard Mühlmann die Ö3 "Licht ins Dunkel" Berichterstattung. Der erste Besuch in einer Wiener Tagesstruktur für Kinder und Jugendliche mit Behinderung hat ihn zutiefst berührt.
Meinhard Mühlmann: Und ich hab' dann einfach sofort gespürt, dass diese Geschichten, diese tiefen Emotionen, die da drin sind, sowohl bei den Eltern als auch bei den Betreuungspersonen rundherum und bei den Kindern und Jugendlichen, dass das eine unglaubliche Kraft und Anziehung für mich hat und dass ich da als Mensch unglaublich viel mitgenommen habe, dass ich dort als Reporter gesessen bin, Eindrücke gesammelt habe, danach im Schnitt dann, dass nochmal alles Revue passieren hab' lassen und dass ich mir einfach gedacht hab' Wahnsinn.
Was das kann, was das mit mir als Mensch tut und was dann aber auch wiederum das für Kraft hat, wenn man diese Emotionen im Radio transportieren kann und das war sozusagen dann Liebe auf den ersten Blick muss man sagen und dieser Bereich der Menschen, der Menschlichkeit, der tiefen Emotionen hat mich nie wieder losgelassen.
Sandra Knopp: Inklusion beschreibt er als Begegnungen auf Augenhöhe. Um solche herzustellen, brauche es Feingefühl.
Meinhard Mühlmann: Wobei, glaube, jeder von uns, wenn er sich ehrlich ist, schon sich auch immer wieder die Frage stellen muss: Wie schaut denn diese Begegnung auf Augenhöhe aus? Weil es ja gar nicht so leicht ist, unter Anführungszeichen, wenn man mit dem Kopf herangeht an die Sache immer das Richtige zu machen, zu sagen, zu tun. Und da ist es eben glaube ich, sehr, sehr wichtig, dass man sich auf seine Intuition als Mensch verlässt, nicht verkopft rangeht an die Sache, sondern einfach Menschen begegnet.
Sandra Knopp: Umso wichtiger ist es für Meinhard Mühlmann, über das Radio Begegnungen zu ermöglichen und so Vorurteile abzubauen. Es gehe darum, NUR den Menschen zu sehen
Meinhard Mühlmann: Und bei jedem Menschen, den man einstellt und der in einem in einer Firma begegnet, ob jetzt als Mitarbeiter, als Kollege, als jemanden, den man als Chef führt oder wie auch immer. Ah, jeder hat Stärken und Schwächen und das übersieht man mitunter glaube ich, dass man bei jemand vermeintlich nicht Beeinträchtigten sich denkt okay, der ist jetzt leistungsfähig, mit dem wird es nie Probleme geben und was weiß ich.
Aber das ist ja nicht so, sondern jeder von uns hat seine Stärken und Schwächen und hat seine Probleme und hat manchmal bessere Tage und schlechtere Tage und hat Herausforderungen auch über die Jahre hin, die man vorher nicht ahnen kann, die man oft nicht sieht.
Sandra Knopp: Je mehr man miteinander aufwächst, desto natürlich ist der Umgang miteinander. So erzählt Ö3 Wecker- Moderator Philipp Hansa wie er als Kind viel mit seinen Händen kommuniziert hat, denn so konnte er im inklusiven Kindergarten mit seinem gehörlosen Freund Manuel kommunizieren. Und das von beiden geliebte Fußballspielen kommt sowieso ohne viele Worte aus.
Philipp Hansa: Wir haben uns einfach einfach easy und gut verstanden und es gab keine Barriere.
Sandra Knopp: Hin und wieder schreiben sich die beiden heute auf Instagram. Besonders gerne reagiert der Kindergartenfreund auf Fußballstories. Fußball. Eine Sache, für die Philipp Hansa zum Freak wird.
Philipp Hansa: Zu hundert Prozent. Also ich werd, wenn, wenn ein Fußballspiel läuft zum Freak, da bin ich ein anderer Mensch, da muss man ausrasten. Dann muss man auch schreien und die Nachbarn wieder aufwecken. Vor allem wenn meine Lieblingsmannschaften Sturm Graz und Arsenal London.
Christoph Dirnbacher: Wir haben uns überlegt, mit welchen Fragen wir sowohl dich als auch das Publikum vielleicht ein stückweit überraschen können
Philipp Hansa:antwortet: ja mmmh (nickt)
Christoph Dirnbacher: und was vielleicht wenige wissen. Du hast ja über sechs Jahre hinweg Fußball gespielt beim Grazer Sportclub.
Philipp Hansa: Ja, sehr gut.
Christoph Dirnbacher: Und das Sportliche ist das Eine. Also Du bist offenbar einer dieser acht Millionen Teamchefs Österreichs
Philipp Hansa: lacht
Christoph Dirnbacher: Aber wo hast du jenseits vom sportlichen Engagement in dieser Zeit des Fußballs noch gelernt? Weil Fußball ist ein Mannschaftssport. Was lernt man da im Umgang mit anderen Menschen?
Philipp Hansa: Ja, da hast du eigentlich eh die Frage schon indirekt beantwortet. Mannschaftssport ist das entscheidende Wort. Ob das jetzt beim Radio ist oder beim Fußball. Ich finde auch übrigens im Privatleben. Gemeinsam kommt man weiter und es macht währenddessen auch mehr Spaß.
Christoph Dirnbacher: Ja, aber wie stellt man das an? Wenn man gemeinsam weiterkommt, muss man sich ja abstimmen. Und du warst Kapitän? Und als nicht fußballaffiner Mensch habe ich jetzt mal im Kopf, dass der Kapitän dafür sorgt, dass das Werkl rennt. Deshalb meine Frage an dich: Wie schafft man es, dass elf Mann das machen am Spielfeld, was sie sollen und in eine Richtung laufen?
Philipp Hansa: Sehr gut, Wow, das ist sehr stark mit dem Kapitän. Das ist nicht schlecht. Super vorbereitet. Ja, stimmt. War ich. Ich war zentrales Mittelfeld und und Kapitän und hab so ein bisschen die Bälle verteilt, war jetzt nicht, glaube ich, nicht immer der Allerschnellste, sondern halt eben so der Spielmacher so ein bissl. Ich glaube, das Entscheidende ist, dass jeder seine Rolle findet und sich auch mit der abfindet.
Ein guter Freund von mir nach wie vor der Christoph ist Linksverteidiger, brutal, schnell, jetzt einmal nicht der edelste Techniker und auch nicht der beste Pass-Spieler. Wenn der sich einbildet, er muss jetzt auch im zentralen Mittelfeld, zum Beispiel an meiner Stelle spielen und ich gehe als Linksverteidiger, dann wird es das Werkl wie du sagst nicht so perfekt und nicht so gut rennen, weil das nicht seine Rolle ist.
Und ich glaube, das ist total wichtig, dass man seine Rolle einerseits findet, aber dann sich auch mit der abfindet ja und seine eigenen Stärken und Talente erkennt oder sich von jemanden, in dem Fall vom Trainer, sagen lässt hey probier mal das. Ich glaube, da bist du am besten aufgehoben. Und dann dass man sich auch auf das einlässt und das auch zulässt. Ja, eben abfinden damit. Auch wenn es ja oft negativ konnotiert ist. Aber in Wirklichkeit ist es ja auch was Schönes, wenn man seine Rolle gefunden hat.
Sandra Knopp: Bei unserem Gespräch im Ö3 Studio erzählt uns der Moderator, wie seine Eltern Elisabeth und Friedrich seine Herzensbildung prägten. Auch hier setzt er einen Fußballbezug.
Philipp Hansa: Ich bringe immer das Beispiel, um beim Fußball zu bleiben, dass ich nie einen Fußballtrainer als Vater hatte, der war nie der Sportlichste. Er ist ein bisschen älter mein Papa, 1942 geboren und war jetzt nie der, der sich im Tor nach links nach rechts geschmissen hat oder auch wirklich immer so wie die anderen Väter so fit war. Er hat auch noch Asthma noch dazu. Also kommt alles zsamm beim Papa.
Er war aber derjenige, der dann halt mein Herz hat ausbilden können, indem er mir gelehrt hat, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Was für mich im Übrigen auch gleich Inklusion ist. Und eine kleine Brücke zu schlagen, niemanden auszugrenzen und vor allem leben und leben lassen. Das ist auch das, was ich mir immer als Motto mache in meinem Leben. Das eigene Leben ist viel entspannter, wenn ich mich nicht um andere Menschen Gedanken mache, wen die lieben. Ob die Frau, Mann, Mann, Mann, ob man im Rollstuhl sitzt.
Das macht doch mein eigenes Leben entspannter, wenn ich mir nicht die ganze Zeit Sorgen machen. Darf der den jetzt lieben, oder bin ich dagegen, wenn zwei Männer sich lieben. Na, warum? Wenn du glücklich bist, wenn du Liebe erfährst, feel free aber lass mich halt auch in Ruhe und ich lass dich in Ruhe. Alles easy. Und das haben sie mir sicher auf eine gewisse Art und Weise, auch wenn auf eine subtile Art und Weise mit auf den Weg des Lebens gegeben.
Sandra Knopp: Seinen Zivildienst absolvierte Hansa in einer Wohngemeinschaft namens "Mütter in Karenz". In dieser Einrichtung der Caritas lebten Frauen, die aus schwierigen Verhältnissen kommen und teilweise sehr jung Mütter geworden sind.
Philipp Hansa: Vierzehn war, glaube ich, die Jüngste, die ich kennengelernt habe, ist mit Ende, ja Ende dreizehn schwanger geworden. Oder die Frauen waren drogenabhängig oder hatten finanzielle Schwierigkeiten oder waren Vergewaltigungsopfer und haben dann das Kind nicht abgetrieben, sondern wollten das Kind behalten und sind dann in diese Einrichtung gekommen.
Und ich war dann ja achtzehn, neunzehn wie ich dort begonnen habe zu arbeiten. Und das war schon, also vom Happy Pepi Life von der Schule und von der Matura raus aus in so eine Einrichtung das war schon das das pure Leben, was man danach gespürt hat und sicher auch eine Lebensschule. Ich habe da jetzt keinen klugen gscheiten Satz, den ich mir von dort da irgendwie mitgenommen habe. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass wir alle unterschiedliche Leben leben.
Und du weißt nicht, was von einem Moment auf den anderen passieren kann. So wie es einigen dieser dieser Frauen dort passiert ist, die auf die falsche Bahn gekommen sind oder die eben Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sind.
Sandra Knopp: Ursprünglich hat der gebürtige Grazer begonnen, BWL zu studieren, doch 2011 absolvierte er mit einundzwanzig Jahren ein Praktikum bei Ö3. Dort wurde man auf seine Redetalent aufmerksam. Seit 2012 arbeitet Philipp Hansa hauptberuflich bei Ö3. Seit Februar 2015 moderiert er eine Woche im Monat den Ö3 Wecker und zahlreiche Aktionstage wie die Lehrlingsinitiative "ich will und ich kann arbeiten und ich verdiene eine Chance". Oder das barrierefreie Gaming Event "spawn point". Wie beschreibt er Inklusion?
Philipp Hansa: Augenhöhe. Inklusion ist für mich Augenhöhe und damit meine ich nicht die körperliche, sondern die Menschliche. Wir haben sicher alle unterschiedliche Voraussetzungen, die ma' auf die Welt mitbringen. Es ist ganz klar. Wir sind alle individuell. Aber und da bin ich auch über das Projekt, über das man später noch reden werden "ich will und ich kann arbeiten" draufgekommen.
Wir haben dann doch alle die gleichen Ziele, Wünsche, Träume und Vorstellungen. Es geht dann meistens in Richtung Liebe, Selbstständigkeit, Geldverdienen, einen Job haben. Und warum soll da nicht jeder die gleiche Chance bekommen? Und des‘ ist für mich Inklusion und die muss definitiv noch ordentlich und gut vorangetrieben werden. In allen möglichen Gesellschaftsschichten. Nicht nur in Österreich.
Sandra Knopp: Zum zweiten Mal rief Ö3 2021 die Lehrlingsinitiative „Ich will und ich kann arbeiten und ich verdiene eine Chance!“ aus. Hören wir rein:
Collage (verschiedene Stimmen): Ich bin belastbar. Ich packe gerne mit an. Und was ich auch unbedingt gerne mache, sind im Freien arbeiten. Das ist zum Beispiel eine der drei Sachen, die ich sehr gerne tue. Ich tue mir bissl schwer bei der Konzentration. Wenn ich alleine bin, arbeite ich super. Da kann ich mich super konzentrieren. Aber wenn ich im Teamwork bin, dann ist es eher schwerer.
Also du bist am besten wenn du dich wirklich hart dann auf eine Sache konzentrieren kannst. Und in der Sache funktionierts dann am besten, wenn man's dir gut erklärt.
Ja, und dann funktioniert es auch mit dem Teamwork. Es ist einfach schlimm, dass sich manche Firmen einfach vom Rollstuhl zurückschrecken und uns nicht mal eine Chance wirklich geben wollen. Aber es ist eigentlich alles machbar. Man müsste sich das nur g‘scheit überlegen.
Mein großer Traum Ich höre Akustikerin zu werden, weil ich einfach handwerklich sehr geschickt bin an Geduld fehlt‘s mir auch nicht. Ja, und ich wollte unbedingt was mit Menschen machen, aber auch handwerklich. Also da eignet sich der Beruf vollkommen. Ja, das ist mein erstes Interview vom Ö3.
Überhaupt schon ein Interview gegeben?
Na, das ist das erste Mal.
Kevin ich fühle mich geehrt. Ja, danke, aber du bist gar nicht so aufgeregt habe ich das Gefühl.
Na, ganz normal cool bleiben. Ja noch mal zum nicht nervös sein. Weil das bringt ja nichts.
Nein, das bringt nichts. In der Steiermark sagen wir immer man muss g‘schmeidig bleiben.
Genau.
Sandra Knopp: Das war eine akustische Collage aus Gesprächen mit Jugendlichen, die sich am 01. Mai 2021 über die Ö3 Initiative „Ich will und ich kann arbeiten – und ich verdiene eine Chance“ für eine Lehrstelle beworben haben. Von 09:00 bis 19:00 Uhr plauderte Philipp Hansa jede Stunde mit einem Jugendlichen oder einer Jugendlichen mit Behinderung.
In den Gesprächen ging es um Ziele und Wünsche und was sie auf dem Weg in ein selbstständiges Leben behindert. Aber auch darum, warum sie für Arbeitergeber und Arbeitgeberinnen eine Chance sind, erzählt Meinhard Mühlmann. Zusammen mit Franz-Joseph-Huainigg von der ORF-Abteilung Humanitarian Broadcasting hat er das Konzept entwickelt. Im Fokus steht wieder der Mensch als Ganzes.
Meinhard Mühlmann: Wo wir nicht wie sonst so oft den Fokus auf die Beeinträchtigung richten, sondern einfach sagen Hey, wer bist du? Was kannst du? Was willst du? Was gefällt dir? Was sind deine Ziele, deine Träume, deine Sehnsüchte, so wie sie jeder junge Mensch hat. Und da war dann die Überzeugung, wenn wir dem in einer sozusagen positiven, unverkrampften Art und Weise genügend Raum geben, dann wird es was tun. Und das hat sich bestätigt.
Sandra Knopp: Bei der Suche nach Jugendlichen unterstützte den Radiosender der Dachverband für berufliche Integration dabei Austria. Wichtig war es, Vielfalt abzubilden.
Meinhard Mühlmann: Mann, Frau aus allen Landesteilen mit verschiedenen Interessen in Richtung verschiedene Branchen, aber auch verschiedene Beeinträchtigungen, damit man auch da das Gefühl bekommen kann, es ist nicht immer jetzt der Jugendliche, der im Rollstuhl sitzt, der diese Unterstützung braucht, sondern es kann jemand mit einer Lernschwäche sein. Es kann jemand sein, der irgendwo im Autismus Spektrum angesiedelt ist und so weiter und so weiter. Diese große Vielfalt von unterschiedlichen Menschen, die gilt es aber auch entsprechend dann spürbar zu machen.
Sandra Knopp: Für Meinhard Mühlmann und Philipp Hansa ging es darum Bilder im Kopf zu verändern.
Meinhard Mühlmann: Ein Effekt in die Richtung. Okay, das ganze Land hört dann diese junge Frau, diesen jungen Mann und hat aber dann nicht den Impuls, der vielleicht naheliegender wäre. Mmh, der tut mir jetzt wahnsinnig leid, dem müsst ihr ja Chance geben, weil das gehört sich dann irgendwie so. Sondern unsere Absicht war es, im Radio Begegnungen für das ganze Land und letztendlich in dem Fall für Firmenchefinnen und Chefs und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schaffen, die dann das Gefühl haben, wow, der ist großartig, die ist toll, die ist inspirierend, die ist motiviert, die will und die will ich für meine Firma haben.
Sandra Knopp: 2021 fand die Lehrlingsinitiative „Ich will und ich kann arbeiten – und ich verdiene eine Chance“ zum zweiten Mal statt, 2020 war coronabedingt Pause. Angelo aus Oberösterreich hat beim ersten Durchgang 2019 eine Lehrstelle gesucht. Philipp Hansa hat sich erkundigt, wie es ihm ergangen ist.
Philipp Hansa: Schönen Guten Morgen, Angelo.
Angelo: Servus. Guten Morgen, Philipp, wie geht's dir?
Philipp Hansa: Mir geht es hervorragend. Wie geht es dir? Mir geht es ganz gut.
Angelo: Ich bin grad auf den Weg in die Arbeit und ich fahr da ganz selbständig allein mit der Straßenbahn zur Firma Wastler.
Philipp Hansa: Angelo, Du hast ja vor zwei Jahren auf Ö3 gesagt: Hoffentlich gibt mir jemand eine Chance, dass ich mein Können dorthin bringe, wo es hingehört. Das hat also geklappt und du hast ja eine Chance bekommen.
Angelo: Also ich hab' die Chance gekriegt, dass ich mein Können zeigen habe können und denen hat halt gefallen wie ich gearbeitet habe und die waren dann alle sehr überzeugt von mir.
Philipp Hansa: Ja, zu Recht, Angelo, ich war ja vor zwei Jahren bei dir, da haben wir schon gesehen, was man schaffen.
Angelo: Ja genau. So ist es.
Philipp Hansa: Wie läuft's bei der Arbeit? Also ist es schwieriger oder leichter als erwartet?
Angelo: Ja, das kommt, das ist von Aufdruck zu Aufdruck verschieden. Das ist. Das ist wie mit der Liebe. So wie's kommt, so muss man's nehmen. Wenn man's nicht nimmt, dann nicht.
Philipp Hansa: Schön, vollkommen recht hast du.
Sandra Knopp: Meinhard Mühlmann betont, dass es darum geht, Unternehmen das Potenzial der Jugendlichen aufzuzeigen. Für das Aufstellen von Lehrstellen beziehungsweise den Ausbau des Lehrstellen-Angebots seien aber Unternehmen und Politik zuständig. Medien hätten eine andere Aufgabe.
Meinhard Mühlmann: Sensibilisieren, inspirieren. Diese beiden Faktoren, die sind zentrale Aufgabe des Mediums. Da geht's auch nicht darum, etwas schön zu färben, sondern Situationen und Menschen so darzustellen, wie sie sind. Und aus dieser Darstellung ergibt sich meist eine unglaubliche Kraft und das ist die Aufgabe des Mediums. Und wie viele Lehrstellen dann rückgemeldet werden, ist eigentlich zweitrangig, weil die Zahl der Lehrstellen hat nicht wirklich viel Aussage, wie viele Menschen jetzt von dieser Aktion inspiriert worden sind.
Weil mir geht es eigentlich drum, dass im Idealfall in einem, in zwei, in fünf Jahren aber hoffentlich schon schneller es einfach klar ist für jede Firmenchefin, für jeden Firmenchef jede Lehrstelle, die ich zu vergeben habe ist ja eine Lehrstelle auch für einen Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung. Und ich schaue mir jede Person an im Hinblick auf ihr Potenzial und ich sehe dann eben nicht die Beeinträchtigung oder nur die Beeinträchtigung, sondern sehe immer auch das Potenzial. Und ich schau, wie kann ich dich in meinem Betrieb in einer Form mit einbauen? Dass es für uns alle gut ist.
Sandra Knopp: Es gibt Begriffe, die den Ö3 Reporter stören, etwa wenn von sozial schwachen Menschen die Rede ist.
Meinhard Mühlmann: Wer sagt denn, dass diese Menschen schwach sind? Im Gegenteil, die sind wahnsinnig stark, meistens beeindruckend stark, weil wir mitunter die sozioökonomisch rundherum viel bessere Voraussetzungen haben. Laborieren an oft viel kleineren Problemchen, die uns dann wirklich hinunter drücken. Und Menschen, die wirklich, die echt zu kämpfen haben die sind wahnsinnig stark, dass sie's trotzdem irgendwie schaffen.
Sandra Knopp: Die mediale Darstellung von Menschen mit Behinderung habe sich in den letzten Jahren zum Positiven verändert. Es werde sensibler mit Sprache umgegangen. Auch wenn man immer noch gelegentlich von Menschen liest, die an den Rollstuhl gefesselt sind. Sensibilität braucht es laut Meinhard Mühlmann nicht nur im Wording, sondern auch im Aufbau von Geschichten. Sonst werden Erzählungen über Menschen mit Behinderung schnell zum Heldenepos.
Meinhard Mühlmann: Es geht um den Menschen, um den ganzen Menschen. Und es ist nicht das Außergewöhnliche am Menschen. Er ist nur, weil er unter Anführungszeichen eine Beeinträchtigung hat, auch kein Held, den man wahnsinnig bewundern muss. Weil dieser Begriff "inspiration porn", den man immer wieder hört. Des war mir vorher nicht so bewusst zum Beispiel vor dieser Aktion, aah, dass man auch jemanden unter Anführungszeichen in ein Eck stellt, indem man ihn besonders bewundert. Und immer wieder sagt wah, ein Wahnsinn, was du trotz deiner Beeinträchtigung schaffen kannst.
Das ist ja unglaublich. Das habe ich auch nicht zuletzt durch die Beschäftigung mit den Jugendlichen in dieser Aktion nochmals stark vor Augen geführt bekommen, dass auch das unter Anführungszeichen ausschließen kann, jemanden separieren kann und Inklusion, da ist das Bild von Inklusion für mich noch mal stärker geworden, gestärkt worden ist, jeden Menschen vorurteilsfrei auf Augenhöhe begegnen und einen Austausch schaffen. Das habe ich mitgenommen in dieser Aktion und das war für mich sehr beeindruckend.
Sandra Knopp: Abschließend geht es um einen von Hansas Lieblingsfilmen, der mit Inklusion zu tun hat. Es handelt sich um eine der Paraderollen von US-Schauspieler Tom Hanks: 1994 verkörperte er Forrest Gump. Dass in so manchen Protagonistinnen viel mehr steckt, als andere zunächst von ihnen erwarten, zeigt auch ein Hollywood-Film. Forrest Gump zählt zu den Lieblingsfilmen von Philipp Hansa.
Philipp Hansa: Mittlerweile auch, weil ich Tom Hanks schon persönlich getroffen habe für ein Interview, ja, in für Ö3. Das war mit Steven Spielberg gemeinsam in in London. Das war die surrealste Szene, da waren wir in einem verrückten Hotel, was sich niemand leisten kann, logischerweise, aber ganz edel englisch und dann sind wir in ein Tee-Zimmer geladen worden ich und vier, fünf andere Journalisten. Und dann kam plötzlich Steven Spielberg und Forrest Gump rein, also aka Tom Hanks.
Und das hat mich ihm dann noch ihn mehr, und ich hab ihn dann noch einmal mehr geliebt, wenn man so will, weil er auch super bodenständig ist und genauso entspannt, wie ich ihn mir erhofft habe. Und Forrest Gump? Warum gefällt mir der Film so gut? Weil, ja, weil er so zum Träumen anregt. Und weil du voll im Film bist, ihr kennt das sicher. Momentan wenn man auch Serien schaut oder auf Netflix oder sonst irgendwas.
Man ist immer auch abgelenkt von dem depperten Ding da, von seinem Handy und ist nur so halb dabei. Bei Forrest Gump, glaube ich, ich habe es jetzt eh schon zehn oder fünfzehnmal gesagt, war ich nie nicht ganz dabei. Und man entdeckt immer noch irgendwelche kleinen Feinheiten und dieses Wegdriften und voll im Moment sein, das geht eben aufgrund all ihrer Ablenkungen, die wir momentan haben, eh immer schwieriger. Und deswegen bin ich dankbar, dass es ein Film noch schafft bei mir.
Sandra Knopp: Auch ein berühmtes Filmzitat lässt sich auf Inklusion umlegen:
Philipp Hansa: Life is like a box of chocolat you never know what you gonna get. Also das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Du weißt nie, was du bekommst. Und genauso ist es bei jedem Menschen. Jeder hat sein Talent auf eine gewisse Art und Weise. Das muss man nur finden, da sind wir auch wieder, da schließt sich der Kreis zur Fußballmannschaft. Jeder muss oder hat die Chance und muss die Chance bekommen, sein Talent zu zeigen, sich auch zu beweisen im besten aller Fälle. Und dann braucht es eine Gesellschaft, die sagt: Ja, ich streckte dir die Hand hin, weil wir gemeinsam weiterkommen.
Sandra Knopp: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Wir bedanken uns bei Meinhard Mühlmann und Philipp Hansa für Gespräche über Begegnungen auf Augenhöhe, Menschlichkeit und Fußball. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann abonnieren Sie uns doch auf den gängigen Podcast Plattformen und erzählen Sie Ihren FreundInnen davon. Auf freakcasters.simplecast.com können Sie weitere Episoden über Menschen, Ihre Geschichten und Leidenschaften hören.
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