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.People First in Wien
Welche Hürden Menschen mit Lernschwierigkeiten im Alltag begegnet, davon ist hier die Rede: Etwa bei Behörden, die entweder die Menschen ansprechen "wie Idioten" oder bei den Medien, die teilweise unverständlich sind und teilweise "arrogant" reagieren.
Auch die Sachwalterschaft hat ihre Konfliktpunkte.
Und dann geht es um Power und Einfallsreichtum. Menschen mit Lernbehinderungen haben etwas, das ihnen meist nicht zugetraut wird.
Freak-Radio, Katharina Zabransky: Herr Weißenbacher, danke dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben.
Es geht heute um Menschen mit Lernschwierigkeiten.
Thomas Weißenbacher: ... Lernbehinderung.
Freak-Radio: Zuerst möchte ich Sie kurz fragen: Was heißt für Sie Selbstvertretung?
Thomas Weißenbacher: Für mich gibt es Selbstvertretung dann, wenn ich sagen kann: Ich mache mir alles selber, ich lasse nicht über mich reden, sondern man muss mit mir reden. Auf das lege ich Wert.
Freak-Radio: Sie sind auch Mitarbeiter bei Vienna People First. Was ist das?
Thomas Weißenbacher: Vienna People First ist eine Peer Gruppe mit gemeinsamen Interessen, Bezug nehmend auf Selbstvertretung.
Freak-Radio: Was sind die wichtigsten Themen?
Thomas Weißenbacher: Das wichtigste Thema ist, dass neue Menschen zu uns kommen, die mit Selbstvertretung vorher nichts am Hut hatten. Sie wollen sich meist nur einmal informieren: Was ist Selbstvertretung? - So wie Sie auch. Da wird das eben erklärt, was Selbstvertretung ist, auch anhand eines Unterstützers, wobei der im Hintergrund ist und ich den Menschen interviewe oder sage, was er wissen möchte. Da gibt's monatlich, in jeder letzten Woche des Monats, gibt es ein Treffen, und es kommen immer wieder neue Menschen dazu, andere gehen auch wieder, weil ihnen das zu wenig ist oder auch zu viel. Ja. Was wir wollen: wir fordern verschiedene Dinge, so zum Beispiel Medienrecht, das Recht, in den Medien Mitsprache zu haben, in den Medien gefördert zu werden, dass auch wir ein Sprachrohr haben. Gerade Menschen mit Lernbehinderungen brauchen das. Ich berufe mich da jetzt auf die Chancengleichheit einerseits und das Gleichstellungsgesetz andererseits.
Freak-Radio: Ich möchte noch kurz fragen: Was heißt People First? Dieser Ausdruck ist natürlich ein englisches Wort, oder?
Thomas Weißenbacher: Mensch zuerst. Also ich bin als Mensch zuerst wahrzunehmen und dann erst meine Behinderung, darum heißt's ja auch "Mensch mit Behinderung". Ich bin ja nicht als Ganzes behindert. Es gibt ja Teile, wo es "gesunde", völlig "gesunde" Qualitäten gibt. Wo es bei mir absolut unglaubliche Fähigkeiten gibt, das ist der eine Teil.
Freak-Radio: Also Sie sagen, es gibt sozusagen Teile von Ihnen, die nicht behindert sind.
Thomas Weißenbacher: Ja, und es gibt eben so bei den Lernbehinderungen.... gibt es ja viele solche Leute. Manche haben einen kleinen Teil als Behinderung, manche haben eine Mehrfachbehinderung. Aber als Ganzes behindert, - ich hab so Jemanden eigentlich noch nicht getroffen. Der Mensch mit Down-Syndrom hat seine Qualitäten, der Autist hat seine Qualitäten.
Freak-Radio: Und was für uns noch wichtig ist: Was ist leichte Sprache? Wie würden Sie das am ehesten definieren, jetzt auch im Hinblick auf Medien?
Thomas Weißenbacher: Ein Beispiel sind Behörden, Briefe, Behördenwege. Manchmal ist es ganz schwer, wenn ein Mann zum Beispiel Fremdwörter verwendet, die von Menschen mit Lernbehinderungen so nicht verstanden werden können. Daher wiederum ein Zurückrufen (Berufen) auf Chancengleichheit. Ich habe nur dann eine Chance, wenn ich verstehe, was da und dort gemeint ist. Wenn da jetzt Beamtenchinesisch vorkommt, habe ich keine Chance, das eine oder andere mitzukriegen.
Freak-Radio: Können Sie Beispiele sagen, wo Sie bemerken, Sie werden eben mit der Sprache behindert? Was ist das Störendste?
Thomas Weißenbacher: Ja, das kann ich ganz gut. Ich hab' gestern ein Schreiben bekommen, von der MA 15, das war voll beseelt mit Paragraphen, was ich krieg, was mir zusteht. Und dann natürlich, diese Sachen machen Angst, auf der einen Seite, weil sie nicht für sich selber in dem Maß interpretiert werden können, wie ich es theoretisch verstehen sollte. Ich hab gestern ein arges Problem gehabt, hab da sofort angerufen und hab gesagt: Bitte ich würde mir wünschen, dass auch Sie die leichte Sprache - das hat sich ja bereits herumgesprochen - verwenden. Und ich werde das sicher auch in der ÖAR einfordern. Ich bin dort Delegierter, und werde das so einfordern, so dass auch Behörden sich endlich einmal dazu bequemen, dass auch diese Leute leichte Sprache anwenden.
Ich weiß schon, es ist viel Aufwand einerseits, denn das kostet viel Geld. Wenn schon so groß von Chancengleichheit auf der einen Seite, von Gleichstellung, Gleichbehandlung gesprochen wird, dann sollte das auch eins zu eins aufgenommen werden. Wie es jetzt läuft - das sind doch nur, also diese Barrieren in den verschiedenen Köpfen dort.
Freak-Radio: Kann ich Sie noch kurz bitten, was sind die Kriterien, also die Punkte? Leichte Sprache, was heißt das?
Thomas Weißenbacher: Leichte Sprache ist etwa: man verwendet keine Fremdwörter, keine Wörter die ich nicht verstehe. Sagen wir: sukzessive, nacheinander, ist ein Fremdwort das der, der mich anspricht, nicht verwenden sollte, sonst nimmt er mir die Chance, ihn zu verstehen und so wirklich gute Kommunikation zustande kommen zu lassen.
Freak-Radio: Sie arbeiten in einer Werkstätte von "Jugend am Werk". Könnten Sie da Ihren Alltag kurz beschreiben, Ihre Tätigkeit?
Thomas Weißenbacher: Ich werde schon sechzig, also bin in etwa schon in einem Pensionistenstatus, wo mir einiges leichter gemacht wird, bzw. ich muss diese geregelten Zeiten in diesem Maße, wie sie für Jüngere bestimmt sind, nicht mehr so genau einhalten, da gibt es einen bestimmten Modus. Überhaupt, "Jugend am Werk" teilt sich ja in mehrere Module auf, so etwa Sport, Freizeit, Beschäftigung, Firmen, Beschäftigungen, wo die Leute auch hinausgehen in Firmen. Dann haben wir ein Lehrlingsprojekt in Florisdorf, verschiedene Sachen?
Was mich besonders freut, ist die großzügige Öffnung. D. h. man öffnet dieses Haus immer mehr, es wird mehr angeboten. Das muss man ja auch, in Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeit immer weniger wird. Also wir bekommen immer weniger Arbeit zugeschickt, weil die Firmen abwandern, oder es ist zu teuer, oder maßstäblich passt das eine oder andere nicht, es ist kompliziert. Diese Kompliziertheit versuchen wir jetzt ein bissl zu ordnen, ja.
Man schaut jetzt, dass man die Leute in verschiedene, - man sucht verschiedene Möglichkeiten für sie, dass niemandem das Angebot fehlt. Dazu waren im Vorfeld Umfragen, eine KundInnenbefragung notwendig, die wurde durchgeführt, die ist noch nicht fertig. Ich habe nachgefragt, was hat das für die KundInnen für positive Konsequenzen? Man hat mir gesagt, das ist noch nicht fertig, also ich werde das sicher als Erster erfahren, wenn es so weit ist.
Freak-Radio: KundInnen sind in dem Fall Menschen mit Lernbehinderung?
Thomas Weißenbacher: Ja, mit Lernbehinderung. Früher hat´s geheißen KlientInnen, aber ich wehre mich dagegen, weil ich bin ein Klient beim Anwalt, ich bin ein Klient beim Sozialarbeiter, bei einer Sachwalterin. Aber ich fühle mich als Kunde, mir muss man etwas anbieten, mir muss etwas gefallen, wenn nicht, dann gehe ich in eine andere Werkstätte.
Freak-Radio: Wenn Sie jetzt auch vielleicht, weil Sie ja schon ein bisschen älter sind, auf Ihre Arbeit in der Werkstätte zurückblicken: was waren da die größten Probleme, oder was wäre Ihre Kritik?
Thomas Weißenbacher: Die Kritik wäre, dass ein großer Verein wie "Jugend am Werk", weniger beweglich wie ein kleinerer ist. Also wenn Forderungen gestellt werden, dann dauert das etwas länger als bei einem kleinen.
Kritikpunkte für mich selber hab ich aus meiner Situation wenige verspürt, ich bin ja sehr selbstbewusst und fordere sehr selbstbewusst ein, was ich möchte. Ich war vorher Keramiker. Ich habe gesagt, ich möchte mich verändern, habe dort angerufen und war dann zwei Tage später dort, wo ich hinwollte.
Man muss klar machen und genau definieren, was man will. Da beginnt es auch bei den anderen Menschen? Viele Menschen haben die Möglichkeit nicht, sich so zu artikulieren, wie sie das gerne möchten, daher versucht man sie ein bisschen abseits zu schieben - das passiert aber auch bei Behörden.
Meines Erachtens brauchen Menschen, die einen höheren Betreuungsaufwand haben, wenn es zu Behördengängen kommt, eine Assistenz oder eine Unterstützung, denn sonst fallen sie durch das soziale Netz.
Freak-Radio: Jetzt noch einmal eine Frage zu Ihrer Werkstättenarbeit, wie viele Stunden haben sie gearbeitet, und wie viel Geld haben Sie verdient?
Thomas Weißenbacher: Ich darf natürlich nur so viel Geld kriegen, wie der Tagsatz im sozialgesetzlichen Rahmen passt. Mein Tagsatz ist sehr schmal bemessen, ich komm dann und mal nicht aus damit. Ich krieg aber schon ein bissl mehr als andere, weil ich auch schon lange genug dort bin.
Freak-Radio: Wie hoch ist dieser Tagsatz?
Thomas Weißenbacher: So genau habe ich das...
Freak-Radio: Ungefähr?
Thomas Weißenbacher: 8,59 Euro vom AMS her. Das wird dann auch abgeglichen. Voriges Jahr ist weg, jetzt krieg ich Invalidenpension und die Einserstufe Pflegegeld und die Ausgleichzulage. Ich würde ja auch von der Zeit, wie ich noch beim AMS war, oder vom Sozialamt so eine Art Ausgleichszulage bekommen.
Würde ich jetzt aber bei Jugend am Werk mehr als 80 Euro Taschengeld bekommen, würde das Sozialamt sofort sagen: Ja, Herr Weißenbacher, Sie haben ja mehr Geld - da müss´ma Ihnen schon was abziehen, obwohl das ja meine Leistung war, wenn ich ja mehr geleistet habe, krieg ich ja mehr. Das wünscht sich doch ein jeder. - Aber, dass einem das gleich beschnitten wird, das wünscht sich keiner.
Freak-Radio: Noch mal ganz konkret zur Arbeit, wie viele Stunden pro Tag oder pro Woche?
Thomas Weißenbacher: Das kann ich Ihnen jetzt so nicht sagen, weil ich permanent unterwegs bin auf irgendeiner Konferenz oder so.
Aber es wird eingerechnet. Ich war dort, hab mich an- und abgemeldet, das wird vom Fond Soziales Wien dann weiter bezahlt. Dafür habe ich einen Antrag gestellt, ich muss nicht permanent dort sein, weil ich verschiedene Termine habe im Interesse von "Vienna People First", manchmal aber auch im Interesse von "Jugend am Werk", beispielsweise für die ÖAR ...
Freak-Radio: Es gibt in Österreich jetzt das Gleichstellungsgesetz. Was hat das Gesetz für Menschen mit Lernbehinderungen geändert? Wo sehen Sie die größten Mängel?
Thomas Weißenbacher: Ich sehe die größten Hürden darin, dass dieses Gleichstellungsgesetz noch immer eine Bundes- und keine Landessache ist, erstens einmal. Ich sehe zum zweiten, dass es keine Beweislastumkehr gibt: Wenn ich diskriminiert werde, muss ich noch immer beweisen, dass ich diskriminiert wurde. Und nicht der andere, dass er mich (nicht) diskriminiert hat.
Freak-Radio: Was wären denn alltäglich Situationen, in denen Sie sich diskriminiert fühlen?
Thomas Weißenbacher: Diskriminiert fühle ich mich dann, wenn ich Behördenwege mache, und der Beamte redet mit mir wie mit einem Idioten. Da weise ich schon sehr oft darauf hin und sage: Bitte kommen Sie wieder herunter, ich bin weder vom Mars, noch vom Jupiter, ich bin der Weißenbacher. Mit mir können Sie ganz normal reden.
Dann besinnen sie sich doch eines besseren, und versuchen, in ganz normaler Sprache mit mir zu sprechen.
Freak-Radio: Und sonst im Alltag, vielleicht im öffentlichen Verkehr, in den Ferien?
Thomas Weißenbacher: Bei den Wiener Linien ist es noch immer so, dass es keine Anzeigen gibt, wo der Aufzug ist. Man muss oft, so wie in der Opernpassage beim Karlsplatz, einen Aufzug suchen - und das ist halt im Freizeitbereich ein unnötiger Zeitaufwand. Denn ich will das bisschen Freizeit, das ich habe, ja eigentlich auch genießen, das steht mir auch zu.
Freak-Radio: Und wenn Sie in der Stadt spazierengehen, wenn Sie in Restaurants kommen, wenn Sie ins Museum, Theater gehen, was würden Sie sich da wünschen?
Thomas Weißenbacher: Das ist mir,- nein eigentlich nicht! Das würde eher mehr zutreffen für Rollstuhlfahrer, dass diese Menschen mehr haben als ich. Ich bin nur gehbehindert. Was ich mir wünschen würde, ist bei den Wiener Linien, ich kann nicht lange stehen. Wenn man da unten eine Sitzmöglichkeit anbietet...Wenn man da rauf geht, Richtung Wiedner Hauptstraße, da gab es einmal Sitzplätze, die hat man weggeräumt, radikal. Da wird mir zuwenig Service geboten.
Freak-Radio: Sie machen auch Medienarbeit. Wieso, mit welchem Ziel?
Thomas Weißenbacher: Mit dem Ziel, dass auch der ORF sich einmal bequemt, Menschen mit Lernbehinderungen, ihre Wünsche, Forderungen usw. so akzeptiert, (dass..) wie eben andere akzeptiert werden. Wir haben oft sehr interessante Themen, die nimmt aber der ORF nicht wahr, d. h. "Only bad news is a good news".
Freak-Radio: Wenn Sie sich eine Sendung wünschen könnten, vielleicht sogar im Fernsehen. Wie müsste das ausschauen? Also für Gehörlose ist klar, die bräuchten Untertitel. Was also bräuchten Menschen mit Lernbehinderungen?
Thomas Weißenbacher: Sie bräuchten eine Unterstützung. Sie bräuchten anfangs eine Unterstützung von den ORF Profis, d. h., wie macht man so was, wie gestaltet man so eine Sendung, das ist so eine Sache. Da gäbe es schon Konzepte dafür, die hat man immer abgeschmettert, oder sie sind schubladisiert worden.
Freak-Radio: Wenn Sie sich sozusagen als Konsument, als Zuseher, die Nachrichten jetzt vorstellen. Wie würden Sie sich Nachrichtensendungen wünschen, damit sie so sind, dass auch Menschen mit Lernbehinderung mehr davon haben?
Thomas Weißenbacher: Man müsste auch... Sie kommen einfach nur vor bei "Licht ins Dunkel", wenn man einmal öfters die armen Teufel streicheln möchte, damit man sein eigenes Gewissen beruhigt. Lachen. Also das halte ich für scheinheilig, schlicht scheinheilig.
Freak-Radio: Ich frage aber noch einmal, wenn Sie sich vorstellen: eine Nachrichtensendung, wie muss das gestaltet sein , damit Sie mehr davon haben?
Thomas Weißenbacher: Damit auch Menschen mit einer größeren Lernschwierigkeit was davon haben, na ja, sie müssen so gestaltet werden, wie (in) Leichter-Lesen-Version. D. h., dass die Leute im ORF langsamer sprechen, langsamer sprechen müssen. Wenn sie langsamer sprechen, versteht sie der auch. Denn die Sprache selbst ist ja deutlich, ist ja keine undeutliche Sprache. Dann müssen die Leute, die haben mittlerweile auch schon den Weg dahin gefunden: "mit Behinderung", nicht "der Behinderte", ja, das hat man schon geschafft. (Lacht)
Ja, es gibt sicher noch Sachen, Fremdwörter, die sollten zur Gänze weg bleiben. Oder Wörter, die einfach verwirren. Lange Sätze, die verwirren. Die sollten weg bleiben. Das sollte man ändern, ein bissl.
Freak-Radio: Wir haben schon über Gleichstellung gesprochen. Hätten Sie dazu vielleicht Visionen?
Was gehört in Österreich gemacht, damit mehr Menschen mit Lernbehinderungen gleichgestellt sind?
Thomas Weißenbacher: Na ja, Visionen gibt es sehr viele. Ich hab am fünften Dezember voriges Jahr Visionen aufgezeigt, die wurden aber gar nicht vom ORF wahrgenommen. D.h., man hat sofort, wie sie gemerkt haben, dass sie da kritisiert werden, sofort umgeschwenkt. Ich find das schon... Das ist für mich eine gewisse, eine spürbare Präpotenz.
Freak-Radio: Welche Visionen waren das?
Thomas Weißenbacher: Ja, dass man uns etwa die Möglichkeit gibt, unsere Forderungen an die Öffentlichkeit weiter zu transportieren. Und zwar so, wie "Heimat, fremde Heimat", das finde ich total toll, wie das funktioniert, ja. Und genau so könnte es auch für Menschen mit Behinderungen passieren. Ich finde, es ist wichtig, dass man für die Menschen eine Sendung macht. Die haben dann mehr Möglichkeiten, Gehör zu finden.
Freak-Radio: Ja, das war die Sache mit der Medienarbeit. Welches Thema ist für Sie noch sehr wichtig?
Ich habe vorvoriges Jahr mitgearbeitet an der Novellierung der Sachwalterschaft. Und da hat´s wirklich in sich - weil es sie heute noch gibt, weil immer noch das eine oder andere zu wünschen übrig lässt, etwa: Wie kann ich die Selbstbestimmung mit in die Sachwalterschaft hinein nehmen? Oder umgekehrt: Wie die Sachwalterschaft in die Selbstbestimmung? Da müssten gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Ich weiß schon, dass Sachwalterschaft eine wichtige Sache ist, denn es gibt Leute, die können mit Geld nicht so umgehen, und haben eine Sachwalterschaft. Die anderen brauchen diese Betreuung nicht zur Gänze. Aber es wird halt da auch schon Schindluder getrieben, dahingehend, dass ein Anwalt beispielsweise 500 Klienten, also 300 Klienten gehabt hat. Das ist jetzt in diesem Ausmaß ein bissl geregelt, aber es heißt noch immer nicht, wenn es dafür jetzt ein Gesetz gibt, dass dass in diesem Ausmaß auch eingehalten wird.
Freak-Radio: Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen?
Thomas Weißenbacher: Im Bereich Sachwalterschaft bin ich seit 2004 tätig und zwar hat es eine Enquette gegeben, von "Jugend am Werk" im 3. Bezirk, da waren Vereine eingeladen: der Verein für Begutachtungen, der Verein für Sachwalterschaft, der Richter außer Streit, Herr Mautner. Da wurden eben viele Sachen aufgezeigt und da hat´s natürlich auch von den Gutachtern her Probleme gegeben, die sich sofort aufgeregt haben: Ja es, so wie das jetzt funktioniert, ist es ja eh in Ordnung.
Ich habe darauf gesagt: Wenn es so in Ordnung wäre, dann wäre ich ja nicht da, dann säße ich ja nicht hier. Also nur tun´S mir nicht erzählen, wie diese Gutachter, so wie sie oft bestellt werden - ich stell zehn Gutachter auf, und ein jeder hat eine völlig verschiedene Meinung davon.
Freak-Radio: Und können Sie sagen, was sind betreffend der Sachwalterschaft die größten Probleme von Menschen mit Lernbehinderungen, die Sie kennen?
Thomas Weißenbacher: Ja, es ist so, dass vier oder fünf mal im Monat jemand kommt, wo ich für ihn sprechen muss, bei einem Sachwalter oder eben bei einem Anwalt. Denn der Anwalt sagt zum 16en mal: ich hab keine Zeit für ihn. So etwas ist nicht in Ordnung! Der hat meine Interessen genauso zu vertreten, wenn ich ein armer Hund bin!
Wenn (der Anwalt) fünf Prozent (meines Vermögens bekommt) - das ist auch so eine Geschichte, ja - wenn ich reich bin, also 50 000 Euro hab, machen natürlich fünf Prozent mehr aus, als wenn einer nur ein paar hundert Euro hat, nicht? Also das ist auch so eine Geschichte. Der Anwalt wird natürlich den, der mehr hat, bevorzugen. Es verleitet, es verleitet ja förmlich dazu.
Freak-Radio: Jetzt will ich Sie zum Abschluss etwas Persönliches fragen. Oder eben als Mensch mit Lernbehinderung: Was war die schwierigste Situation in Ihrem Leben, oder was waren schwierige Situationen?
Thomas Weißenbacher: In meinem Leben, ja ... Es beginnt einmal damit, dass ich nicht in diesem Ausmaß - damals hat man es ja nicht anders verstanden - gefördert wurde, wie das heute möglich ist. Daher definiere ich mich als lernbehindert. Ich hab nicht all das lernen können, was jetzt en vogue wäre, was gut wäre, was mir einem guten Job vielleicht eingebracht hätte. Nein, ich bin da steckengeblieben, im Jahr 1960, zwangsläufig, ja (lachen).
Freak-Radio: Das liegt aber auch am Lebensalter?
Thomas Weißenbacher: Ja.
Freak-Radio: Meinen Sie auch, dass jüngere Menschen mit Lernbehinderungen, mehr Chancen haben als...
Thomas Weißenbacher: Ja, sie werden schon da und dort sehr viel besser gefördert, aber es lasst noch immer zu wünschen übrig. Also fertig ist man da überhaupt noch nicht, da gibt´s noch immer so eine Schere.
Freak-Radio: Wie können wir uns den Thomas Weißenbacher als Mensch vorstellen, was war eine schöne Lebenssituation in Ihrem Leben?
Thomas Weißenbacher: Eine schöne Lebenssituation wäre, wenn ich so überflüssig wäre, in Vienna People First, weil alles dann so gut funktioniert, dann wäre es für mich schön. Dann würde es mir zeigen, dass die Menschen einfach alle Barrieren in den Köpfen abgelegt haben.
Der Weißenbacher, der kann sich dann zurücklehnen und es geht ihm gut. Aber wenn ich dann und wann einmal merke, dass man Menschen mit Lernbehinderungen so gar nicht beachtet, oder präpotent auf die Seite weist, dann bin ich da, auch in Dingen der Sachwalterschaft, dann bin ich einfach da.
Freak-Radio, Katharina Zabransky: Danke für das Interview.