Inhalt:
.Pflegende Angehörige: ein Ehepaar erzählt aus dem Alltag mit Querschnitt
Am 13.08.2008 hatte Susi einen schweren Unfall und ist in dem Haus, in dem wir am Spittelberg gewohnt haben, von der Pawlatsche gestürzt und hat sich bei dem Sturz aus sechs Metern Höhe Hals,- Brust, -Lendenwirbelbrüche und Serienrippenbrüche zugezogen, ein Schädelhirntrauma erlitten und der rechte Arm war komplett gebrochen.
Toni erzählt:
Eingeliefert wurde Susi in das Unfallkrankenhaus Meidling und blieb dort vom 13.08.bis 29.09.2008. Dieses Haus der AUVA hat ihr das Leben gerettet. Anschließend wurde sie auf das Rehabilitationszentrum Weißen Hof, ebenfalls ein Haus der AUVA, überstellt und blieb dort bis zum 13. März 2009. Insgesamt dauerten die Behandlungen fast 7 Monate.
Die Diagnose lautete: komplette Querschnittslähmung und ein Leben mit dem Rollstuhl erwartete sie und uns. Am Weißen Hof wurde Susi auf dieses Leben umfassend und fürsorglich vorbereitet.
Susi ergänzt:
Währenddessen hatte Toni die (wie ich meine) anstrengendere Rolle: die des sich sorgenden Angehörigen, der weiß, dass seine Frau seine Hilfe benötigt. Toni hatte eine rollstuhlgerechte Wohnung suchen müssen, die in Reichweite der Kanzlei, in der ich als angestellte Steuerberaterin tätig war und zum Gymnasium unseres Sohnes liegen sollte. Diese Wohnung musste finanzierbar sein und musste umbaufähig sein, sollte das für das Leben im Rollstuhl erforderlich sein. Toni kümmerte sich um die psychologische Betreuung unseres Sohnes, der damals erst 14,5 Jahre alt war.
Toni war klar, dass meine Querschnittslähmung und das Leben im Rollstuhl neue Strukturen braucht und dass es ihn und unseren Sohn als pflegende Angehörige vor neue Herausforderungen stellt. Toni stellte sich damals viele Fragen, hier exemplarisch einige davon:
- Was braucht Susi alles, was kann sie noch, was schafft sie nicht mehr?
- Wo kann man unseren Sohn psychologisch betreuen lassen?
- Wobei braucht Susi Hilfe, was können wir ihr abnehmen?
- Wie finde ich am schnellsten eine geeignete Wohnung?
- Was brauchen wir drei, um gut mit dieser neuen Situation umzugehen?
- Wie gestalten wir den Alltag neu?
- Was muss in der Wohnung umgebaut werden? (Küche ohne Hängekästen, ein unterfahrbarer Herd, ein höhenverstellbares Bett, eine barrierefreie Dusche etc.)
- Gibt es dafür Förderungen, und wenn ja, wo?
- Wird Susi berufliche Nachteile haben? Was sagt ihr Büro, was ihre KlientInnen?
- Wo holen wir uns Hilfe für ein Leben mit einer Einschränkung (Fonds Soziales Wien, Pensionsversicherungsanstalt, ÖGK)?
- Welche Ärzte können uns nach der Rehabilitation weiterhelfen?
- Wie funktioniert die Versorgung mit Heilmitteln?
Susi berichtet:
Es gab in den 12 Jahren Leben mit meiner Querschnittslähmung unglaublich unruhige Zeiten. 2012 wurde ein Dekubitus (ein Druckgeschwür) auf der linken Gesäßhälfte diagnostiziert.
Es folgten von Oktober 2012 –Jänner 2014 in unterschiedlichen Spitälern insgesamt 7 Operationen, 4 davon plastische. Da ich im Zeitraum Oktober 2012 bis Jänner 2014 immer wieder zu Hause versorgt werden musste und berufstätig war, haben sowohl mein Mann als auch unser Sohn die Wundversorgung und den Verbandswechsel übernehmen müssen, da alles andere nicht machbar gewesen wäre.
Die komplette operative Sanierung im Jänner 2014 der linken Gesäßhälfte erfolgte wiederum erfolgreich im Unfallkrankenhaus Meidling. Für die vollständige Heilung der Nähte blieb ich vom 11.2.2014 –13.4.2014 in pflegerischer Betreuung am Weißen Hof. Ein einziges Mal bin ich in den 12 Jahren auf der Straße aus dem Rollstuhl gefallen und habe mir im November 2014 bei dem Sturz den linken Oberschenkelknochen durchgebrochen. Das Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler versorgte über einen Zeitraum von 17 Wochen fürsorglich und erfolgreich das Bein in einem Spezialrollstuhl mit Beinaufleger und laufenden Kontrollfahrten mit der Rettung in der Ambulanz.
Toni erzählt:
Wir haben als Familie das Glück, da wir gut vernetzt sind, dass wir uns Hilfe holen können, alle drei einen starken Willen haben, immer offen reden und als pflegende Angehörige und als zu betreuende Person noch mehr zusammengewachsen sind. Wir sind durch unsere Berufe und unsere Ausbildungen ein strukturiertes Denken gewohnt, wissen, wo man sich Informationen holt und geben diese Informationen auch an andere weiter. Unser Sohn ist 2013 ausgezogen und lebt sein Leben. Trotz alledem ist das nicht immer einfach.
- Ich weiß genau, Susi kann bestimmte Dinge nicht.
- Ich weiß täglich, sie kann meine Hilfe brauchen.
- Wir sind getaktet in den Tagesrhythmus durch eine Querschnittslähmung (Katheterzeiten, Trinkmengen, Essenszeiten, mittägliche Ruhezeiten, um Gesäß und Beine zu entlasten).
- Einkaufen, Kochen, Haushalt, Wäsche und Wege erledigen nehme ich Susi ab und unterstütze sie dabei
Susi erinnert sich:
Susi war selbst ein pflegendes Kind, als ihre Mutter an Brustkrebs erkrankte. Sie war damals erst 12, ist ihrer Mutter pflegerisch zur Hand gegangen und lebte in Berlin. Susi weiß noch, wie allein und verzweifelt sie sich fühlte und dass sie als Kind für jede Hilfe dankbar gewesen wäre.
Susi und Tonis Wünsche:
Zum Thema pflegende Angehörige: wünschen wir uns,
- Dass das Thema pflegende Angehörige eine breite Öffentlichkeit bekommt, da jede und jeder in diesem Land davon betroffen sein kann und da der Großteil der Pflege derzeit von Angehörigen durchgeführt wird.
- Dass es eine österreichweite, zentrale Anlaufstelle (One Stop Shop) für pflegende Angehörige gibt, an die sich die Betroffenen wenden können.
- Dass diese eng mit dem Entlassungsmanagement von Spitälern, aber auch mit Apotheken und der Ärztekammer zusammenarbeitet, denn es gibt auch Pflegebedürftige, die nicht nur nach Unfällen Pflege benötigen, sondern z.B. durch chronische Erkrankungen oder altersbedingt.
Zum Thema AUVA rettet Leben: wünschen wir uns,
- Dass die Kompetenz und Tätigkeitsbereiche des Unfallkrankenhauses Meidling, des Rehabilitationszentrums Weißer Hof und des Unfallkrankenhauses Lorenz Böhler erhalten bleiben.
- Dass alle drei Häuser unter der Leitung der AUVA geführt werden, sie ihren derzeitigen Aufgaben weiterhin gerecht werden können und die fachliche Kompetenz der Teams nicht zerrissen wird.
Zum Thema Kinderrechte: wünschen wir uns,
- Dass deutlich wird, dass rund 40.000 Kinder und Jugendliche Angehörige pflegen und dies im Verborgenen geschieht.
- Dass Schulpsychologen und Schulen mit einbezogen werden, da man Kinder und Jugendliche nicht allein lassen darf.
- Dass ein Bewusstsein in der Bevölkerung herrscht, dass es eine große Dunkelziffer an pflegenden Angehörigen gibt, die man in der Öffentlichkeit nicht sieht oder die sich vielleicht auch schämen, etwa, wenn Kinder depressive oder alkoholkranke Eltern versorgen.
Pflegende Angehörige sind eine wichtige Stütze der Gesellschaft und ein wesentlicher Teil des Pflegesystems. Diese Menschen darf man mit ihrem seelischen und finanziellen Leid nicht allein lassen. Die Häuser der AUVA retten Leben. Erhalten wir sie. Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Schützen wir ihre Rechte und stehen wir Ihnen bei.
Dieser Kommentar wurde verfasst von: Susi Prager-Schugardt, Bilanzbuchhalterin und Steuerberaterin, Toni Prager, ehemals AK und GPA djp, Pensionist, Stv Präsident des PVÖ Wien und ebendort Sozialberater