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Rubrik: Freak-Science
10. Dezember 2008

Porträt einer Journalistin im Rollstuhl

von Christiane Link (Transkription des Vortrages)

Das Interessante ist: Manchmal gibt es einen Punkt, an dem man seine Behinderung überkompensiert. Ich denke, das war bei mir in manchen Bereichen auch der Fall. Ich hatte genauso viele Reisetage wie der Kollege, der Luftfahrtberichterstattung machte. Ich bin für die dpa um die ganze Welt gereist. Meine letzte große Reise ging nach Indien. Das hatte damit zu tun, dass ich unbewusst den Leuten zeigen wollte: Ich kann wirklich als Journalistin um die ganze Welt reisen! Dabei sind nicht alle meine KollegInnen so viel gereist wie ich. Es stimmt nicht, dass jeder Journalist nur reist - bei der dpa reisen die wenigsten JournalistInnen. Sie sitzen an ihrem Schreibtisch und führen viele Telefonate. Aber sie gehen nur wenig raus. Ich bin hingegen sehr viel gereist, was natürlich ein organisatorischer Aufwand war. Aber letztendlich hat es immer sehr gut funktioniert. Per Zufall bekam ich dann das Angebot, für die BBC in einem befristeten Vertrag zu arbeiten. Doch ich wollte meine sichere Stelle bei der dpa nicht aufgeben. Daher bat ich die dpa, mich für einen befristeten Zeitraum - für sechs Monate - zu beurlauben, um in diesem Zeitraum für die BBC arbeiten zu können - zuerst für BBC World Service, das ist ein Radioprogramm, und später für BBC World in der Wirtschaftsredaktion. Insgesamt machte ich das acht Monate. Nach drei Monaten kündigte ich meinen Job in Deutschland. Da war für mich klar, dass ich in London bleiben werde. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon die Idee, eine deutschsprachige Zeitung zu gründen. Ich gab daher nicht nur meinen Job bei der dpa auf, sondern bat auch nicht mehr um eine Vertragsverlängerung bei der BBC. Nun bin ich Herausgeberin meiner eigenen Zeitung.

Die größte Herausforderung für JournalistInnen mit Behinderung ist meiner Meinung nach der erhöhte Organisationsaufwand. Ich denke, hier kommt dem Arbeitgeber eine sehr wichtige Funktion zu: Die Reisestelle sollte in der Lage sein, ein barrierefreies Hotelzimmer zu buchen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass dies bei weitem nicht selbstverständlich ist. Ein weiteres Problem waren die Menschen, mit denen ich zu tun hatte. Weniger meine direkten KollegInnen, sondern KollegInnen, denen ich auf Pressekonferenzen begegnet bin: PressesprecherInnen und sonstige Verantwortliche, Messehostessen usw. Das Hauptproblem war: Sie haben mich teilweise gar nicht als Journalistin wahrgenommen. Es gab eine Situation bei »ZEIT-Matinée« mit Helmut Schmidt im Thaliatheater in Hamburg. Dort bin ich zum Pressecounter gegangen und habe gesagt: »Könnten Sie mir bitte eine Pressemappe geben?« Die dort zuständige Frau sagte: »Nein, die Pressemappen sind nur für Journalisten!« Das ist mir nicht nur einmal passiert, sondern in meiner beruflichen Laufbahn bestimmt zehn Mal. Sie konnten sich überhaupt nicht vorstellen, dass jemand, die offensichtlich Rollstuhlfahrerin ist, als Journalistin arbeitet. Der »Aha-Effekt« war danach stets sehr groß, wenn ich gesagt habe: »Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Christiane Link, Deutsche Presse-Agentur.« Ich habe aber auch offene Diskriminierung erlebt. Es gab Situationen, in denen Leute zu mir gesagt haben: »Wer hat Sie eigentlich eingestellt?« Das waren durchaus Menschen in der Position eines Pressesprechers. Diese hatten durchaus Interesse daran, dass ich und die dpa freundlich über sie und ihr Unternehmen berichten.


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