Portrait einer gehörlosen Studentin

von Barbara Hager (Transkription des Vortrages)

Das Schwierige beim Studium mit GebärdensprachdolmetscherInnen ist: Sie müssen oft in Bereichen dolmetschen, in denen sie gar nicht vom Fach sind, entweder sie haben das Studium nicht abgeschlossen, oder sie haben in einem ganz anderen Bereich studiert. Sehr viele DolmetscherInnen verfügen beispielsweise über keinen technischen Abschluss. Daher ist es für Gehörlose sehr schwierig, DolmetscherInnen zu finden, die in technischen Studienrichtungen dolmetschen können. Es fehlt ihnen schlicht das Fachwissen.

Ich habe selbst Matura gemacht und das war bis zu einen gewissen Grad eine Ausnahmesituation. Dies deshalb, da ich an einer hörenden Schule war. Mir wurde von Anfang an nicht gesagt: »Du kannst nur aus drei Berufen wählen!« Stattdessen habe ich meine Palette an möglichen Berufen anhand meiner hörenden MitschülerInnen definiert. Ich habe relativ bald gewusst: Ich interessiere mich für Psychologie! Das Problem ist, dass Gehörlose häufig Gehörlosenschulen besuchen und auf speziellen Integrationsschulen ihre Matura machen. Dort bekommen sie nicht die Informationen darüber, welche Möglichkeiten zu studieren es überhaupt gibt, beziehungsweise welche Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten eigentlich existieren. Sie erfahren nicht, welche Chancen sie haben. Ihnen wird eher vermittelt, dass sie keine Chancen in diesen Berufen hätten. Die Angebote gehen mehr in Richtung Lehre und nicht in Richtung Universität. Das Problem ist auch: Die Behindertenbeauftragten beziehungsweise die Organisationen, die Beratung anbieten, wissen sehr wenig über Gehörlosigkeit oder Gebärdensprache. Die gehörlosen Studierenden müssen sich am Beginn ihres Studiums alle Informationen selbst zusammensuchen und es ist sehr, sehr mühsam zu recherchieren, welche Möglichkeiten mir als gehörlose Studierende offen stehen. Sehr viele Gehörlose sind sich am Anfang ihres Studiums gar nicht bewusst, welche Unterstützungsmöglichkeiten sie benötigen, um erfolgreich studieren zu können. Viele denken am Anfang so wie ich: »Das mache ich schon, das versuche ich einfach!« Dabei sind sie sich der Dinge und Informationen, die sie für das Studium benötigen, gar nicht bewusst. Anfangs ist es auch schwierig, weil sie sich zum Teil schämen und nicht in der Lage sind, die Hilfe anzunehmen, die es theoretisch gäbe. Mit dieser Problematik sind wir oft konfrontiert. Der Verein VÖGS wurde vor sechs Jahren von ein paar KollegInnen gegründet. Das waren damals StudentInnen, die die Situation erlebt hatten und gesehen haben, dass es immer mehr gehörlose Studierende in Österreich gibt. Sie hatten die Idee, ein StudentInnentreffen zu organisieren, um mehr Austausch zwischen den gehörlosen StudentInnen zu ermöglichen. Gehörlose Studierende sind zumeist vollkommen alleine am Institut. Die anderen Gehörlosen sind meist an irgendeiner anderen Uni. Daher haben sie den ganzen Tag nur mit hörenden Studierenden zu tun und Probleme mit der Kommunikation. Die Idee war, ein regelmäßiges Treffen zu organisieren, bei dem man sich über Probleme und Lösungsmöglichkeiten austauschen kann. Bei diesen StudentInnentreffen sind dann auch immer mehr gehörlose Studierende aus ganz Österreich gekommen, und so ist die Idee entstanden, einen Verein – eben VÖGS - zu gründen. Das geschah vor sechs Jahren. Im VÖGS-Vorstand sind derzeit vier Gehörlose, zwei Schwerhörige und eine hörende gebärdensprachkompetente Person. Mein Kollege Manfred Schütz ist heute ebenfalls hier. Die Kommunikationssprache bei VÖGS ist die österreichische Gebärdensprache. Die meisten Treffen finden in Wien statt, da die meisten StudentInnen auch an der Universität Wien studieren. Die Zielgruppen von VÖGS sind Gehörlose, Schwerhörige, Ertaubte sowie CI- (Cochlea Implantat, Anm.) tragende Studierende. Sowohl AbsolventInnen als auch MaturantInnen, die überlegen, eventuell zu studieren, aber auch hörende Personen, die Interesse haben, sich in diesem Bereich auszutauschen und vielleicht schon Gebärdensprachkompetenz haben, sind herzlich eingeladen!