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Rubrik: Freak-Science
10. Dezember 2008

Portrait einer gehörlosen Studentin

von Barbara Hager (Transkription des Vortrages)

Als ich zu studieren begonnen habe, war ich so naiv zu glauben, dass es für mich genauso leicht oder schwierig sei wie für eine hörende Mitstudentin. Im ersten Semester habe ich schließlich bemerkt, wie viel schwieriger es für mich wirklich ist. Ich bemerkte, dass ich den Lehrveranstaltungen nicht folgen konnte und dass ich die Inhalte nicht mitverfolgen konnte, auch an Texten und Skripten scheiterte ich. Für mich war es aber immer das Ziel, genau das Gleiche zu studieren wie die Hörenden neben mir! Ich habe im Laufe des Semesters auch eine Behindertenbeauftragte kennen gelernt. Als ich das Schild sah, dachte ich, da geh ich hin, um mich zu erkundigen. Die Behindertenbeauftragte hat mich entsetzt gefragt: »Wie konnten Sie überhaupt zu studieren beginnen ohne Unterstützung?« Das schaffe man niemals. Es sei niemals möglich für eine »Behinderte«, ohne Unterstützung zu studieren. Ich könne mich doch nicht einfach in die Lehrveranstaltungen setzen, wenn ich nichts höre. Ich bräuchte dazu doch viel mehr Informationen und Aufklärung. Sie hat mir Kontaktadressen von einem anderen gehörlosen Studierenden gegeben, mit dem ich Kontakt aufnehmen konnte. Damals habe ich zum ersten Mal begriffen, was es bedeutet, TutorInnen zu haben. Da wurde mir wahnsinnig viel Information gegeben, die ich am Anfang meines Studiums gar nicht hatte. Ich war bei Veranstaltungen und hatte so einfach mehr Informationen von den Lehrveranstaltungen mit nach Hause nehmen können. Dies deshalb, weil mir klar geworden war, worum es in den Lehrveranstaltungen überhaupt ging. Diese Begleitung, diese Unterstützung ist für gehörlose StudentInnen absolut notwendig, damit sie erfolgreich studieren können. Optimal ist, wenn der Tutor/die Tutorin im gleichen Fach studiert oder studiert hat. Dann funktioniert der Erfahrungsaustausch am Besten. Von diesem Augenblick an ist das Studium sehr gut gelaufen, mit der Unterstützung der TutorInnen. Ich hoffe, dass ich es bald abschließen kann.

Ich möchte kurz etwas zur Situation in Österreich sagen: Wir haben im Jahr 2005 beim Verein Österreichischer Gehörloser Studierender (VÖGS) eine Statistik angefertigt, um herauszufinden, wie viele gehörlose Studierende es überhaupt gibt. Es waren damals zirka 25 gehörlose StudentInnen und ungefähr 50 gehörlose MaturantInnen. Es gibt in Österreich knapp 10.000 Gehörlose. Davon haben nur 50 die Matura und 25 studieren zurzeit! Insgesamt gibt es in ganz Österreich elf AbsolventInnen von Akademien. An dieser Ausbildungssituation hat sich (inzwischen, Anm.) sicherlich einiges geändert, doch das ist der Stand von damals. Elf StudentInnen von unterschiedlichen Akademien. Die Zahlen haben sich in den letzten drei Jahren verbessert. Wenn wir 25 StudentInnen hatten und elf haben ihr Studium abgeschlossen, so ist es eine Steigerung. Dennoch gibt es vier StudentInnen, die ihr Studium abgebrochen haben und inzwischen ist diese Zahl leider auch gestiegen. Das größte Problem für Gehörlose im Studium: Das Schwierige war und ist, TutorInnen zu finden! Ich musste Zettel schreiben, aushängen und KandidatInnen aussuchen. Das war ein permanenter Organisationsaufwand und es brauchte sehr viel Zeit und sehr viel Energie, diese TutorInnen einmal kennen zu lernen. Das ist auch wichtig, denn ich muss mich auch auf die TutorInnen verlassen können. Ich muss ihnen vertrauen können, aber dazu muss ich sie zuerst einmal kennen lernen und beginnen mit ihnen zu arbeiten. Der »Fonds Soziales Wien« ist jene Stelle in Wien, die (unter anderem, Anm.) für Unterstützungsleistungen zuständig ist. Dorthin muss man Anträge schreiben und abwarten bis eine Bewilligung kommt, das dauert dann ewig. Bis dahin muss man weiter organisieren und es ist ein wahnsinnig großer Verwaltungsaufwand. Wie ich schon erwähnt habe, gibt es in Wien 20 GebärdensprachdolmetscherInnen. In ganz Österreich sind es rund 70. Aber das ist viel zu wenig für 10.000 Gehörlose. Die Zahl der DolmetscherInnen ist immer noch zu gering und viele Gehörlose finden keine DolmetscherInnen. Es besteht ein gravierender Mangel.


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