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Rubrik: Freak Aktuell
29. April 2005

Privatisierung der Rollstühle in Niederösterreich

 

Die niederösterreichische Gebietskrankenkasse verkauft ihre Rollstühle an eine niederländische Heilbehelfsfirma und bezahlt dann für diese Tagesmieten: Die Gebietskrankenkasse argumentiert mit billigeren Anschaffungskosten durch einen überregionalen Konzern.
Die Betroffenen befürchten, dass auf Ihre individuellen Bedürfnisse nicht Rücksicht genommen wird.
Und was geschieht, wenn aus diesem »großen Geschäft« nichts wird, die ganze Sache schief geht, und es die derzeitigen Heilbehelfsfirmen aus Niederösterreich dann vielleicht gar nicht mehr gibt?
Wird der bisherige Standard von Rollstühlen, die an die individuellen Bedürfnisse der Kunden angepasst sind, auch weiterhin gewährleistet sein?

Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖ-GKK) macht nun mit Ihrer Ausschreibung den Weg frei für die Privatisierung von Heilbehelfen in Österreich:
Mag. Thomas Erkinger von der Firma EOSS (Betriebsberatung www.eoss.at) ist Bestbieter mit der Heilbehelfsfirma Schreuder aus den Niederlanden bei einer Ausschreibung der NÖ-GKK, um die Versorgung von behinderten Menschen in NÖ mit Rollstühlen zu gewährleisten.

Die Entscheidung der Ausschreibung soll noch im Mai 2005 fallen und dürfte schon zugunsten des Billigstanbieters aus den Niederlanden gefallen sein.

Zehntausend Rollstühle werden privatisiert

Details: Über 10.000 Rollstühle, momentan Eigentum der NÖ-GKK, die von Bürgern aus NÖ benutzt werden, werden von dem niederländischen Anbieter um € 100.000,- angekauft (rund € 10,- pro Rollstuhl). Darunter sind auch fast neue E-Rollstühle.
Einerseits bietet die Firma sehr billige Tagesmieten, andererseits ist nach rund einem Monat der Kaufpreis, nämlich € 100.000,-, die investiert werden, durch die Tagesmieten der Rollstühle dann wieder im Firmeneigentum.

Jetzt kommt die Kehrseite:
Langfristig werden neue Rollstühle benötigt - Elektro-Rollstühle, Sonderanfertigungen, Reparaturen die anfallen, Betreuung der betroffenen Personen etc., - diese Dienstleistung übernimmt die Firma ebenfalls. All diese Leistungen sind im Mietpreis der NÖ-GKK enthalten - Einige Beispiele:

Aktiv-Rollstuhl: Zubehör - z.B.: verstellbare Armlehnen, Schiebegriffe, Radstandverlängerungen, besondere Sitzkissen etc. sind in der Tagesmiete € 0,66 inkludiert.
Dieser Rollstuhl müsste 12,5 Jahre vermietet werden um den bisherigen Verkaufspreis der österreichischen Anbieter OHNE REPARATUREN zu amortisieren.

Standard-Rollstuhl: Tagesmiete € 0,17 (Amortisationszeit über 5,5 Jahre ohne Reparaturen)

Leichtgewichts-Rollstuhl: Tagesmiete: € 0,31 (Amortisationszeit 5 bis 6 Jahre ohne Reparaturen)

Aktivantrieb (E-Support) Tagesmiete € 0,86 (Amortisationszeit 16 Jahre ohne Reparaturen).
Die Amortisationszeit bezieht sich auf bisherige Neuverkaufspreise der heimischen Heilbehelfsfirmen.

Stellungnahme von EOSS...

Laut Auskunft von EOSS gehen die Rollstühle bei Vertragskündigung oder Konkurs wieder ins Eigentum der NÖ-GKK. Es wird beteuert, dass die Versorgung der Betroffenen gesichert ist.

Weiters wird ausgeführt: Das Unternehmen werde mit einem Standort in Niederösterreich die Bürger "servicieren". Es würden bereits neue Arbeitsplätze geschaffen und das Unternehmen werde weiter expandieren. Es werde in Niederösterreich ein großer, von den Bürgern leicht zugänglicher Schauraum eingerichtet und es würden die zur Erfüllung des Auftrages erforderlichen Serviceeinrichtungen vor Ort betrieben.
Zur Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit mit regionalen Einrichtungen werde das Unternehmen mit lokalen Einrichtungen, wie zum Beispiel der Fachhochschule Wiener Neustadt (Mechatronik, Gesundheitswissenschaften, Ergotherapie) kooperieren.
Der angebotene Übernahmepreis der Rollstühle ermögliche der GKK einen entsprechend leistbaren Mietpreis für die Behelfe und werde mit einer zu Gunsten der GKK bestehenden Rücknahmeoption (z.B.: Vertragskündigung, Konkurs) "angeboten«.

Wer profitiert tatsächlich?

Tatsächlich wurden bisher von Heilbehelfsfirmen stattliche Preise für Neuanschaffungen, Reparaturen, Ersatzteile etc. den Kostenträgern verrechnet, wobei dies auch mit den geringen Stückzahlen begründet wurde. Doch wie seriös ist diese EU-weite Ausschreibung? - Die heimischen Heilbehelfsfirmen, die von ausländischen Zulieferfirmen abhängig sind, können da nicht mithalten. Werden die österreichischen Heilbehelfsfirmen, falls es sie dann noch gibt, dann in NÖ einspringen, wenn sich das Projekt für den niederländischen Anbieter nicht mehr rechnet? Ist die Versorgung für die Betroffenen dann noch gewährleistet?

Entledigt sich die GKK aus NÖ somit ihrer Verantwortung, die Versorgung betroffener Bürger mit Heilbehelfen zu gewährleisten - und das übernimmt zukünftig eine niederländische Firma? Beamtenkapazitäten werden frei - Drohen nun Entlassungen bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse?


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