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.Studienbeginn ohne Barrieren
Zu Gast im ORF-Radiocafé sind Marlene Fuhrmann-Ehn, Behindertenbeauftragte der TU Wien, Ruth Scheiber-Herzog, Behindertenbeauftragte der BOKU Wien, Tim Brunöhler, Behindertenbeauftragter der Uni Wien und Xenia Dürr, VÖGS - Verein Gehörloser Studierender.
JINGLE – FREAK-RADIO
Anmoderation: Herzlich Willkommen bei Freak-Radio sagen heute Christoph Dirnbacher und Katharina Müllebner.
Das neue Semester hat gerade begonnen. Doch was müssen Studierende mit Behinderung beachten, wenn sie ein Studium beginnen? Dieser Fragestellung werden wir heute in den kommenden 30 Minuten mit Behindertenbeauftragten einerseits, andererseits mit Vertretern und Vertreterinnen der Studierenden nachgehen. Wir werden sozusagen ein Stück weit einen Uni-Vergleich wagen, wenn man das so will. Wir werden uns anschauen, was die einzelnen Bildungsinstitutionen für Menschen mit Behinderung tun können. Ich darf in der Runde mit der Dame in Rot beginnen, mit Marlene Fuhrmann-Ehn. Sie sind Behindertenbeauftragte der TU-Wien. Wie kommt man zu solch einer Position?
Fuhrmann-Ehn: Das müssen sie die Cornelia fragen, die sitzt eh dort im Publikum (lacht.)
Dirnbacher: Wieso denn das?
Furhmann-Ehn: Weil mich die Cornelia der Ruth Hammerschmid, meiner Vorgängerin als Nachfolgerin vorgeschlagen hat.
Dirnbacher: Wieso haben Sie zugesagt, was hat Sie an dieser Position gereizt?
Fuhrmann-Ehn: Weil ich damals im Projekt ABAk gearbeitet habe. Das ist ein Projekt für Akademiker mit Behinderungen, dass ich aufgebaut habe. Das war immer zeitlich begrenzt. Ich war schon 41 Jahre und habe gedacht, ich brauche einen fixen Job. Aus diesem fixen Job ist eine ganz große Begeisterung geworden. (Lacht.)
Dirnbacher: Begeisterung wächst lernen wir. Die nächste in der Runde ist Ruth Scheiber-Herzog. Sie sind Behindertenbeauftragte der Universität für Bodenkultur. Mit welchen Fragen kommen denn die Studierenden zu Ihnen?
Scheiber: Ganz unterschiedlich. Am Beginn des Studiums mit den ganz klassischen Fragen, wie der Studienorganisation. Gibt es Unterstützung im Studium? Wer kann mir helfen? Wie schaut der Studienplan aus? Es gibt sehr viele unterschiedliche Studien bei uns auf der Universität für Bodenkultur und natürlich ganz unterschiedliche Bedürfnisse der Studierenden. Eine ganz wichtige Frage ist immer die finanzielle Unterstützung. Wie sieht es damit aus? Da kooperiere ich immer ganz gut mit unserer ÖH, dem Sozialreferat. Wir schauen immer, dass wir die Leute gleich abfangen. Ganz gut ist es, wenn sich die Leute schon sehr früh, also noch vor Beginn des Studiums bei uns melden. Wenn sie daran denken ein mögliches Studium bei uns zu inskribieren, dass sie im Vorfeld dann schon sagen: Da wäre zum Beispiel diese Unterstützung toll. Weil sie kommen mit ganz bestimmten Vorstellungen oft zu uns. Wir schauen, ob das passt oder wo wir sie noch anders unterstützen können. Am Anfang sind es die klassischen Fragen: Große Verwirrung, aber das ist bei vielen anderen Studierenden auch der Fall. Von der Schule auf die Uni – das ist ein großer Übergang. Wir schauen, dass wir sie frühestmöglich abfangen und von Beginn an gut unterstützen und begleiten können.
Dirnbacher: Der nächste in der Runde ist Tim Brunöhler. Sie sind Behindertenbeauftragter an der Uni-Wien. Was bietet die Uni-Wien als eine der ältesten Bildungseinrichtungen Wiens, speziell für Studierende mit Behinderung? Welche Hilfestellungen kann man da erwarten?
Tim Brunöhler: Auf der Ebene des Universitätsgesetzes sind die abweichenden Prüfungsmethoden verankert, als ein simpler Satz. Meine Aufgabe ist es das ein wenig mit Leben zu erfüllen. Und eventuell etwas nachzuhelfen, wenn die entsprechende Kreativität und Flexibilität auf der Seite der Lehrenden vielleicht nicht so ganz da ist – oder wenn dort Vorbehalte da sind – ob es auch juristisch wirklich zulässig ist, in der ein oder anderen Art und Weise flexibel zu sein. Ich mache relativ viel Kommunikationsarbeit, versuche das auch mit strukturierter Sensibilisierungsarbeit immer weiter zu untermauern. Wir haben heute ein paar Leute im Publikum sitzen und auch bei uns am Podium, die mit uns schon Workshops veranstaltet haben. Das läuft so langsam an. Und wir haben in den letzten Jahren immer mehr für Lehrende gemacht.
Ich bin immer mehr darauf gekommen in den 2,5 Jahren, die ich jetzt da bin: Es geht eigentlich nicht ohne die Lehrenden entsprechend zu schulen, wie sie mit gewissen Dingen umgehen, wie sie ihre Dokumente, ihre Sprache und ihr Lehren mit Techniken kompatibel machen, die unterschiedlichen Studierenden nutzen. Das ist mir gerade eines der Hauptanliegen.
Müllebner: Was sind denn die Unsicherheiten dieser Lehrenden? Sie haben gesagt, die sind oft unsicher. Was macht sie unsicher?
Brunöhler: Ich erlebe immer wieder die Unterstellung auch seitens anderer Studierender, dass Menschen ein Vorteil gewährt wird, anstatt eines Nachteilsausgleichs. Das ist mir immer ganz wichtig zu erklären: Wenn Lehrende entweder selbst das Gefühl haben oder von Mitstudierenden dieses Gefühl produziert wird, dann sind sich die Lehrenden nicht sicher, ob die abweichende Prüfungsmethode tatsächlich eine Bevorzugung ist, wegen der sie angegangen werden können oder, ob es sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten immer noch bewegt – in der sie flexibel sein können. Sodass für uns der Grundsatz gewährt ist: Das gleiche Wissen muss gelernt und erbracht und gezeigt werden, aber es kann auf verschiedene Arten und Weisen – Prüfungs- oder Lehrmethode gezeigt werden.
Dirnbacher: Wir haben vorher schon, Xenia Dürr, die abweichenden Prüfungsmodalitäten und die Vorbehalte der Lehrenden kurz anklingen lassen. Mit welchen konkreten Schwierigkeiten sind denn jetzt Studierende konfrontiert, die eine Hörbehinderung haben, oder gehörlos sind?
Dürr: Also die Herausforderung bei den Prüfungen ist allgemein, dass die gehörlosen Studierenden… Da geht es mehr um das Thema Sprache. Es gibt den Fragebogen für eine Prüfung, zum Beispiel bei einer schriftlichen Prüfung. Da entstehen manchmal Missverständnisse. Und es wird oft anders geantwortet, weil die Fragen schwer verständlich sind. Das ist eine Herausforderung. Wenn man zuhause lernt – ist es eine Herausforderung, weil das Deutsche oft als Fremdsprache wahrgenommen wird – und deswegen lernt man oft mit Tutoren. Wir bekommen auch Tutoren zur Seite gestellt, die beim Lernen unterstützen. Aber wenn man jetzt sagt – schriftliche Prüfungen, das funktioniert nicht, dann kann man eine abweichende Prüfungsmodalität beantragen: zum Beispiel mit Dolmetschern, das Dolmetscher bei der Prüfung dabei sind. Man sagt ok die Fragen werden in Gebärdensprache gedolmetscht, damit man auch ganz genau weiß, was gefragt wird. Das ist eben die Herausforderung. Es ist eine sprachliche Herausforderung.
Müllebner: Wie erleben Sie Frau Dürr die Akzeptanz seitens der Lehrenden?
Dürr: Also… gehörlose Studierende wissen ja es gibt abweichende Prüfungsmodalitäten. Man kann ja mit dem Professor ein persönliches Gespräch führen. Wenn es eine mündliche Prüfung ist dann ist halt oft die Frage: Darf die Uni das? Die Vortragenden sind dann oft unsicher, ob sie das dürfen, eine andere Prüfungsmodalität anbieten. Von meiner Erfahrung her ist es gut – aber trotzdem gibt es am Anfang immer Zweifel, ob das erlaubt ist. Es ist nicht nur so, dass Gebärden für mich einfacher ist. Das stimmt ja nicht. Das ist meine Sprache. Ich kann mich in der Sprache viel besser ausdrücken und den Inhalt besser wiedergeben. Aber trotzdem ist es ja mein Wissen, das ich wiedergebe. Aber beim Studium würde ich sagen, sind auch die anderen Studenten und Studentinnen eine Herausforderung. Der Austausch mit Studienkollegen ist oft schwierig, eben durch die Sprachbarriere. Weil andere Studenten, die können sich austauschen und da ist es oft interessant, dass man in so Diskussionsrunden zum Beispiel dabei ist. Aber wenn keine Dolmetscher da sind, dann kann ich daran nicht teilnehmen. Zum Beispiel, wenn ein Seminar vorbei ist und die Dolmetscher gehen, dann bin ich da alleine und kann daran nicht teilnehmen. Das ist so meine persönliche Erfahrung, was schwierig ist.
Dirnbacher: An dieser Stelle ist wichtig die beiden hier heute tätigen Gebärdensprachdolmetscherinnen kurz vorzustellen. Denn all das was heute hier gesagt wird, wird in Österreichischer Gebärdensprache übersetzt. Also die beiden Gebärdensprachdolmetscherinnen, die uns heute hier zur Verfügung stehen sind Melanie Zapletal und Tina Ganeider. Wenn es also bitte Fragen aus dem Publikum gibt, dann bitte einfach die Hand zu heben.
Weil Nachfragen ist kein Problem. Und das Publikumsmikro in den Händen von Antonia Sölle, steht jenen zur Verfügung, denen etwas unter den Nägeln brennt. Es sind ja auch ehemalige Behindertenbeauftragte heute unter unseren Gästen.
Fuhrmann-Ehn: Ich hätte gerne zu den Prüfungsmodalitäten noch etwas ergänzt. Und zwar: Also ich empfehle den Studierenden immer, wenn sie Prüfungsmodalitäten in Anspruch nehmen möchten, das über mich zu machen. Das hat einen offizielleren Charakter und wird auch von den Lehrenden anders aufgefasst. Ich würde den Studierenden nicht empfehlen zum Lehrenden zu gehen und zu sagen: Ich bin die So und so – und ich hätte gerne die Prüfungsmodalität. Natürlich man kann das schon machen, vielleicht funktioniert das auch. Aber der einfachere Weg ist wirklich, wenn man das offiziell macht. Wenn Sie das an der Uni-Wien über meinen Kollegen machen, dann hat das einen ganz anderen Rückhalt. Also das kann sehr viel bringen bei Beantragung.
Dürr: Das stimmt, was Sie gesagt haben. Ich möchte noch ergänzen: Meiner Meinung nach ist es auch wichtig dass man die Professoren auch sensibilisiert. Dass man die auch vorher aufklärt, dass es eben ein Universitätsgesetz gibt und man ihnen erklärt, dass es Studenten mit Behinderung gibt. Bei einer Lehrveranstaltung oder einem Workshop ist es wichtig, dass man dem Professor vorher sagt, dass jemand dabei ist, der eine Behinderung hat und wenn es nötig auch auf die Gesetze hinweist. Das ist ganz wichtig die Sensibilisierung zum einen, und dass das dann auch für die Professoren als selbstverständlich gilt. Das finde ich ganz wichtig.
Dirnbacher: Mathias Schmuckerschlag hat seine Hand erhoben, ein Hinweis auf eine Wortmeldung. Habe ich das richtig gedeutet?
Schmuckerschlag: Ja. Und zwar wollte ich nur etwas einbringen aus meiner Erfahrung als vollblinder Student. Es ist schon so, dass das Hingehen zum Professor extrem von Vorteil sein kann, aber wirklich vor Beginn der Lehrveranstaltung. Schwieriger ist es, wenn die Lehrveranstaltung begonnen hat, sich gewisse Schemen einspielen. Dann wir die Rücksicht geringer sein, aus meiner Erfahrung heraus, als wenn man wirklich schaut, dass man ganz am Anfang damit – spätestens nach dem ersten Vorlesungstermin, aber besser noch vorher in die Sprechstunde kommen kann, sofern möglich und diese Dinge klärt.
Dann ist meiner Meinung nach die Bereitschaft am Größten unter vier Augen mir entgegenzukommen und dann gibt es weniger allgemeine Diskussionen. Mag ein bisschen so wirken, wie verstecken, was es nicht sein soll – nur man erspart sich nachher viele Scherereien. Also ich höre von anderen anderes, die es dann schwieriger gehabt haben. Während ich diese Probleme nicht hatte. Vielleicht haben wir auf der Slawistik extremes Glück mit den Professoren. Aber diese Schwierigkeiten mit Prüfungen hatte ich interessanterweise bis jetzt nie. Es war immer möglich mehr Zeit zu bekommen, das ist bei mir der Hauptfaktor und die Unterlagen digital zu bekommen als Blinder eben.
Scheiber: Ich möchte noch was ergänzen. Wir probieren zurzeit den umgekehrten Weg. Nicht nur, dass der Studierende zum Lehrbeauftragten/zur Lehrbeauftragten geht. Es laufen auch die STEOP-Vorlesungen an. Da wollen wir probieren, dass Lehrbeauftragten mit Folien darauf hinweisen und ins Publikum hineinfragen: Gibt es jemanden unter euch, der eine Unterstützung benötigt? Ich bin als Lehrbeauftragter da. Ihr könnt nach der Vorlesung zu mir kommen oder es gibt da die Behindertenbeauftragte oder das Referat für Barrierefreiheit oder das Sozialreferat: Wendet euch an die Leute und geht´s offensiv damit um. Man muss nicht direkt aufzeigen, aber diese Hürde nimmt diesen Leuten den Wind aus den Segeln. Kommt einmal, ihr seid´ s willkommen und wie gesagt, alles andere wird dann koordiniert mit den Behindertenbeauftragten, oder wie auch immer.
Dirnbacher: Da muss man ergänzend einwerfen – es gab eine Studierendensozialerhebung aus dem Jahre 2015, also noch nicht allzu alt. Daraus hervor ging unter andere, dass rund 12 Prozent der Studierenden eine Behinderung haben, aber nur 0,7 Prozent – wenn ich mich nicht verlesen habe – die für das jeweilige Studium zuständige Person kennen, die Behindertenbeauftragte. Also nur 0,7 Prozent der Studierenden kennen ihre Behindertenbeauftragten. Kann das sein und wenn ja, warum ist das so niedrig?
Brunöhler: Man könnte das positiv interpretieren, dass all die anderen Fälle – diese Differenz gut funktioniert mit dem Weg, den ich vorher vorgeschlagen habe und den ich Studierenden als allererstes nahe lege: Dass sie privat den Kontakt suchen zu ihren Lehrenden – sei das per E-Mail, in der ersten Einheit, in der Sprechstunde und dort einmal anfragen. Natürlich Marlene, ich gebe dir absolut recht: Wir machen das natürlich auch so, dass wir auch den offiziellen Weg haben. Nur ich kenne beide Seiten – und der Mathias hat das gerade auch schön gesagt – manchmal ist es der private, direkte Draht bei dem man auch alles klären kann. Vielleicht weil die Sache so offensichtlich ist. Und es gibt auch Fälle, wo Dinge gar nicht offensichtlich sind, weil sie eventuell komplizierter gelagert sind, oder weil sich die Lehrperson zum ersten Mal damit konfrontiert sieht.
Fuhrmann-Ehn: Ja muss man schauen, aber man kann das trotzdem so machen.
Brunöhler: Ja deswegen haben wir auch den offiziellen Weg. Nur unsere Uni ist so groß, dass wenn ich bei allen Leuten, die zu mir kommen, für alle ihre Fächer in jedem Semester neu, alles offiziell mache. Da bräuchte ich eine automatisierte Datenbank. (Lacht.)
Fuhrmann-Ehn: Man muss das nicht in jedem Semester neu machen. Man muss es nur beim ersten Mal machen. Es geht jetzt mal um den Studienbeginn. Wir reden ja vom Studienbeginn. Auch Lehrende lernen dazu, sind dann auch sensibilisiert.
Dürr: Zur Vorinformation – weil GESTU – Gehörlos erfolgreich studieren – die Servicestelle – da können sich Gehörlose und Schwerhörige sich anmelden als Studenten, dass sie die Lehrveranstaltung besuchen wollen. Das wird vorher an die Professoren ausgeschickt, wird sensibilisiert – wie geht man damit um. Das wird im Vorhinein ausgeschickt. Das heißt im Vorhinein können sich die Professoren schon darauf einstellen: Es kommt eine Person mit einer Hörbeeinträchtigung.
Fuhrmann-Ehn: Oft ist es einfach nötig, dass man einen Lehrenden vorinformiert. Weil gerade, wenn Dolmetscher in der Lehrveranstaltung sind. Du musst einfach den Vortragenden sagen, dass Dolmetscher in der Lehrveranstaltung sind. Der Lehrende muss sich ja auch darauf einstellen. Wir machen auch Aufnahmen, zeichnen Lehrveranstaltungen auf. Du musst einfach mit dem Lehrenden im Gespräch sein. Wenn ein Student, dass alles für sich selber regeln kann, ist das super. Da spricht gar nichts dagegen. Nur oft geht es dann schief und das ist nicht notwendig. Die Leute sollen möglichst vom Anbeginn des Studiums gute Bedingungen haben. Und damit sie diese guten Bedingungen haben, wäre eine Idee, was eh schon gesagt wurde, dass man sich so früh, wie möglich informiert, dass man wirklich schaut, was will ich studieren. Wenn ich Unterstützung brauche, gibt es da was? Ist da ein Ansprechpartner da? Und auch für sich selber sagen: Das erste Semester ist ein Probesemester. Das sage ich meinen Studenten immer: Das erste Semester muss jeder einmal schauen: Wie ist es überhaupt auf der Uni? Wenn man das nicht kennt. Wie sind da die Abläufe? Dann würde ich die Studierenden bitten, dass sie auch zu sich selber toleranter sind und zu uns auch ein bisschen toleranter sind im ersten Semester. Dass sie uns auch die Chance geben Ihnen Dinge aus dem Weg zu räumen. Es gibt eine Bringschuld vonseiten der Universitäten, das ist auch absolut da. Da bin ich ganz stark dafür. Aber es gibt auch eine Holschuld ein bisserl. Um etwas für jemanden tun zu können, muss der das auch zulassen.
Dirnbacher: Das heißt ein Stück weit mehr Geduld vonseiten der Studierenden mit sich selbst und auch mit dem neuen Umfeld Universität (Hochschule)
Fuhrmann-Ehn: Ja bitte im ersten Semester. Im zweiten darf man dann schon fordernd sein.
Dirnbacher: Ich muss noch etwas nachbringen. Laut der letzten Studierendenbefragung kennen lediglich sechszehn Prozent der Studierenden mit einer Beeinträchtigung den jeweils zuständigen auf der Hochschule. Das noch zur Korrektur angebracht. Die 0,7 Prozent von vorhin waren ein Zahlendreher. Ergänzungen aus dem Publikum, bevor wir weitergehen. Ich glaube ja.
Schmuckerschlag: Nur ganz kurz dazu. Es gibt verschiedene Sichtweisen. Im Idealfall sollten beide Methoden parallel laufen. Und die die das „privat“ regeln wollen, das auch machen können. Ich habe aber dann schon erlebt an anderen Universitäten zum Beispiel in Linz, dass das dann ziemlich seltsame Blüten treibt und der eigene Laptop nach allerlei Schummelmaterial durchsucht wurde. Die Braillezeile durchforstet wurde. Das ist dann datenschutzrechtlich bedenklich. Soweit sollte man nicht gehen, das ist dann das andere Extrem. Da kann es passieren, dass jede Individualität verloren geht, das individuelle Vereinbaren einer Prüfung einfach schwieriger wird und alles über eine Institution laufen muss. Das finde ich dann auch schon überzogen. Das war eben damals der Fall. Das Zweite was ich sagen wollte: Das Problem aus Blindensicht zumindest an der Uni-Wien ist einfach und bleibt wahrscheinlich noch auf die nächsten Jahre doch die Engpässe bei der Aufbereitung der Literatur. Das heißt gerade zu Beginn des Studiums muss man sich vertraut machen, dass leider zwei, drei Monate später, wenn man nicht aufpasst, die Literatur erst wirklich komplett fertig ist. Gerade dann wenn in der STEOP viel anfällt. Da ist es leider sehr individuell wie viele Skripten von den Professoren digital zur Verfügung stehen und wie viele leider überhaupt nicht. Besonders nett wird es, wenn ein Skript nicht in der Bibliothek vorhanden ist, sich die Aufbereitungsstelle überhaupt weigert das aufzubereiten, obwohl es prüfungsrelevant ist und solche Dinge. Da wird es dann mühsam und da muss ich sagen. Wie ich das damals gefragt habe, hat es geheißen vonseiten der damaligen Behindertenbeauftragten Ich sollte mich beurlauben lassen, was mich im Studium auch nicht weiter gebracht hätte. Das war leider so die Erfahrung von damals. Ich weiß nicht, wie viel mittlerweile möglich ist für den Studienstart.
Dirnbacher: Das heißt auch ein gewisses Misstrauen vonseiten der Universität, vonseiten des einzelnen Lehrenden, dass Ihnen da entgegengebracht wurde, Stichwort Laptopkontrolle.
Schmuckerschlag: Nein eigentlich vom „Institut Integriert Studieren“. Witzigerweise nicht von den Lehrenden. Es gab offensichtlich einen Fall, wo jemand geschummelt hat und seitdem wurde der Datenschutz verletzt – auf den privaten Laptops. Mittlerweile dürfte sich das gelöst haben, weil es Universitätslaptops gibt. Ich sage nur das war sehr arg, als die Leute begonnen haben selbst sich zu zensurieren und Sachen selbst herunter zu löschen, die mit der Uni nichts mehr zu tun hatten. Das hat komische Blüten getrieben, finde ich. Das sollte nicht sein. Das Problem bei Universitäts-Laptops ist, dass der Screenreader ein sehr individuelles Programm ist, wo man sich seine Einstellungen, seine Geschwindigkeit, was auch immer macht. Und da ist ein Universitätslaptop von Nachteil, außer man kommt eine halbe Stunde vorher und konfiguriert sich den Laptop um. Da sehe ich das Problem. Deshalb ist der eigene Laptop so wichtig. Das ist so wie der eigene Pullover, den man anhat. Um adäquat arbeiten zu können – da geht es auch um Tastenbelegungen. Die Laptops werden immer kleiner und dünner, anders. Da ist es wichtig, mit der Tastatur gut umgehen zu können, gerade wenn es um Zeit geht, die man einhalten möchte und soll. Auch bei der Prüfung, selbst, wenn sie länger ist. Der Druck auf der Tastatur kann wichtig sein, gerade, wenn man schnell schreiben will und so weiter.
Müllebner: Wir haben jetzt schon zwei Themenfelder angesprochen, die für Studienanfänger oder Studierende interessant sind. Die Prüfungsmodalitäten und die Literatur Mit welchen Themen sind Studierende auf Universitäten noch konfrontiert?
Furhmann-Ehn: Ich glaube ein ganz großes Problem und das ist auch bei der Studierendensozialerhebung herausgekommen, die Sie angesprochen haben, Herr Dirnbacher, ist, dass diese Akzeptanz von Personen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen. Wir sind auch für Personen mit nicht sichtbaren Behinderungsformen zuständig, die haben oft genauso Schwierigkeiten, wie Personen mit sichtbaren Behinderungen. Diese Akzeptanz, das Normale, dass das immer noch ein bisschen fehlt. Der Eindruck da ist – ein behinderter Studierender ist auch auf der Uni, ja nett. Oder schauen wir mal. Dieses absolute Akzeptieren als Personengruppe an der Universität - Man kann immer nur von seiner Universität sprechen, weil man die Erfahrung dort nur hat. Das heißt nicht, dass das die absolute Wahrheit ist, aber ich weiß zum Beispiel bei uns auf der Informatik studieren die meisten Studierenden mit Behinderungen an der TU-Wien. Da ist ein behinderter Student etwas ganz Normales. Das ist für niemanden etwas Besonderes. Da gibt es kaum Schwierigkeiten. Dann gibt es noch Studienrichtungen, wo das doch noch ein Problem ist, zum Beispiel Chemie oder so. Wenn wir das einmal erreichen könnten, dass man sagt „Ja es gibt behinderte Studierende“ und ja die haben ab und zu – ist ja nicht immer – es wird immer so getan, als ob alle behinderten Studierenden nur Probleme hätten – und so viel bräuchten. Das ist ja nicht der Fall. Es kommen sehr viele auch sehr gut durchs Studium. Wenn man das sagt: JA so wie beim Genderaspekt, dass das so was Normales wäre, das wäre ganz wichtig. Meines Erachtens ist es so: Es gibt verschiedene Ebenen, die funktionieren müssen. Das Thema Behinderung ist ein Top-Down Thema. Das heißt es muss von der Universitätsleitung als wichtig erachtet werden. Wenn es die Leitung das nicht tut, oder die Lehrenden das nicht tun da kann ich mich abwursteln, was ich will, da kommt nichts dabei heraus. Es ist ein Top-Down Thema, das heißt die Universitätsleitung muss dazu stehen, vor allem das „Vizelektorat für Lehre“, so heißt das bei uns, muss sich sehr damit auseinandersetzen. Und das wurde schon mehrfach gesagt es sind die Lehrenden irrsinnig wichtig. Diese Normalität fehlt mir. Ich mache den Job jetzt 14 Jahre. Ein bisschen was hat sich schon getan, sonst müsste ich mir die Frage stellen, was ich 14 Jahre gemacht habe. Es gibt bei uns immerhin das GESTU-Projekt und es ist eine Top-Down-Geschichte. Der schwierigste Punkt ist meiner Erfahrung nach immer der persönliche Punkt. Es bleibt auch immer die persönliche Ebene da. Da kann man noch so viel tun, was man will. Die persönliche Ebene ist da. Wie reagiert das Gegenüber auf die behinderte Person? Wie reagiert das Gegenüber darauf, dass da ein behinderter Student ist? Und dass der jetzt auch noch was will, wo eh schon alle so überarbeitet sind – Forschung und dann müssen sie Lehre auch noch machen. Dann kommt noch ein behinderter Student, und der will noch was und will mehr Zeit, einen eigenen Raum haben. Wenn das mal erreicht ist und man sagt: Ja das gibt es, das ist etwas Normales und gesellschaftlich relevant. Dann wird sich auch so was ändern. Die perfekte Welt und es werden jetzt vielleicht viele böse auf mich sein – aber die perfekte Welt wird es nie geben und die wird es auch auf der Uni nicht geben. Kämpfen werden wir immer müssen, wir müssen schauen, dass die Hürden, die da sind geebnet werden und immer weniger werden. Darum bemühen wir uns, wir alle die hier sitzen. Meine Bitte an die Studierenden wäre, wenn ich das so salopp sage: Scheißen sie sich nix. Gehen Sie überall hin, fragen Sie überall, gehen Sie jedem auf die Nerven, zeigen Sie, dass sie da sind und seien sie selbstbewusst und fordern sie ihre Ansprüche ein. Sie haben Rechtsansprüche darauf und nützen Sie die Beratungsstellen. Jeder von uns ist mit dem Thema vertraut. Ich biete auch anonyme Beratung an, also es muss mir niemand sagen, wer er ist. Man muss keine Scheu haben Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen. Wir haben oft diskutiert, wie wir unsere Bezeichnung ändern könnten, weg vom Behindertenbeauftragten sein – weil sich da immer nur eine bestimmte Gruppe angesprochen fühlt. Wir sind auf keine bessere Lösung gekommen. Ich glaube es ist gute Lösung, ich bin sehr stolz, dass ich die Behindertenbeauftragte der TU bin.
Dirnbacher: Jetzt muss ich Sie an dieser Stelle trotzdem ein bisschen unterbrechen und fragen. Ruth Scheiber, Tim Brunöhler und Xenia Dürr. Können Sie diesen recht lebendigen Schilderungen von Marlene Furhmann-Ehn aus der eigenen Praxis etwas abgewinnen? Gibt es dazu noch Ergänzungen?
Scheiber: Die Marlene hat das vorhin schon erwähnt. Wenn jemand im Rollstuhl kommt oder jemand blind ist, dann ist das die klassische Behinderung. Das ist kein Thema, so ein Student kriegt alle Unterstützungen. Schwierig ist es nach wie vor bei der Gruppe, die nicht sichtbare Behinderungen haben. Das sind die psychischen Erkrankungen, sonstige chronische Erkrankungen, die man nicht so sieht. Da ist die Akzeptanz schon noch eher gering. Weil man sieht sie ja nicht. Die haben oft diesen klassischen Behindertenstatus nicht von den 50 Prozent oder mehr. DA wird es schon schwieriger. Das ist die Gruppe, die nicht so selbstsicher ist und sich nicht heraustraut. Die sagt naja und eigentlich depressive Personen, die verstecken sich oft. Marlene hat es gesagt: Mehr einfordern, mehr sagen, wir sind da – uns gibt es eben auch. Sie haben Rechte, man muss auch der Gruppe sagen: Kommt und probiert es einmal.
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Dirnbacher: Das war der erste Teil einer Diskussion zum Thema „Studienbeginn ohne Barrieren“. Den zweiten Teil hören Sie gleich im Anschluss, bleiben Sie dran.
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Dirnbacher: Willkommen zurück zu einer Diskussion zum Thema Studienbeginn ohne Barrieren. Wir schalten zurück ins ORF-Radiocafé.
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Dirnbacher: Punkto Studierende mit psychischen Behinderungen – sind eine relativ große Gruppe, soweit ich weiß – ohne jetzt Zahlen im Kopf zu haben. Eine wachsende auch?
Alle: Eine stetig wachsende.
Dürr: Da möchte ich noch etwas sagen. Die Frau Fuhrmann hat schon gesagt, das ist ein Top-Down-Prozess, der ganz wichtig ist. Da möchte ich auf jeden Fall zustimmen. Das Problem ist natürlich, dass wir da ganz unten anfangen im Gehörlosenbereich, auch im Kindergartenbereich. Da haben schon Gehörlose riesige Barrieren. Da ist die Sensibilisierung auch viel zu wenig. Da braucht es ganz viel Bewusstsein, wie man umgeht mit Behinderung. Da müsste man ganz unten anfangen. Nur das Problem ist eben im Gehörlosenbereich – ÖGS, also Österreichische Gebärdensprache wird nicht unterrichtet, das gibt es nicht als Unterrichtssprache. Österreichische Gebärdensprache ist nicht als Erstsprache der Schüler oder der Kindergartenkinder anerkannt. Es wird ihnen erst später ermöglicht, dass sie Gebärdensprache verwenden können. Zuerst ist der Weg so, dass man sehr viel Sprechen muss, sich in der Hörendenwelt zurechtfinden muss. So war es auch bei mir übrigens. Dann erst kommt man zur Sprache. Was natürlich ein Wahnsinn ist. Deshalb ist es wichtig, dass von oben herab eine Änderung kommt, weil von unten herauf, wie auch die Frau Fuhrmann auch gesagt hat, ist es ein sehr, sehr schwerer, langer Prozess.
Dirnbacher: Wie viele Menschen, die Gebärdensprache nutzen leben in Österreich? Kann man das schätzen?
Dürr: 10.000 Menschen verwenden Gebärdensprache, kann man sagen. Aber die Dunkelziffer von Schwerhörigen und Gehörlosen ist sicher viel größer. Die offizielle Zahl ist an die 10.000 Menschen in Österreich und Studenten 10-15, die in Wien studieren. Das ist sehr, sehr wenig.
Fuhrmann-Ehn: Darf ich dazu was sagen? Wir haben 21 im GESTU-Projekt. Das ist schon ein Viertel mehr. Auch nicht viel.
Dürr: Die aktuelle Zahl habe ich nicht im Kopf. Danke.
Dirnbacher: Sie haben gemeint rund 10.000 Menschen in Österreich nutzen Gebärdensprache. Rund 21 Studenten mit Gebärdensprache studieren in Wien. Das heißt kann man aus dieser Relation auf einen erschwerten Zugang von Menschen, die Gebärdensprache nutzen, zur Universität sprechen. Wohl ja – und warum?
Dürr: Ja genau. Das ist der Fall. Die Studierenden sind nicht voll gehörlos im GESTU-Projekt. Die haben verschiedene Hörbehinderungen, nicht nur vollständig Gehörlose. Warum ist das so? Der Nachwuchs von den gehörlosen Studierenden, die jetzt wirklich zur Uni kommen hat es sehr schwer. Wenige schaffen es bis zur Matura, weil Gebärdensprache nicht als Unterrichtssprache gilt. Und dazu kommt ein akuter Dolmetsch-Mangel. Das heißt das hat starke Auswirkungen auf den Nachwuchs, der zur Uni kommt.
Dirnbacher: Wir müssen bald Schluss machen. Die Stunde ist beinahe um. Gibt es noch Wortmeldungen aus dem Publikum?
Schmuckerschlag: ich möchte gerne kurz ergänzen. Ich warne davor zu glauben die etablierten Behinderungen wie Gehörlosigkeit oder Blindheit – wenn einer blind ist, sieht er nichts – nur das Problem ist: Davon hat man in der Praxis oft nicht sehr viel. Auch wenn Professoren bewusst ist, was ein Blinder ist, ist es noch lange nicht selbstverständlich, dass etwas auf der Tafel geschriebenes – auch vorgelesen wird. Man hört die Kreide, die einen nicht weiter bringt.
Das sind Dinge, die man obwohl sie rudimentär sind, immer wieder ansprechen muss. Ganz grundsätzlich oder auch bei Beamer-Vorträgen, dass die Folie einfach nicht gesehen wird. Das wird beim Zeigen der Folie einfach vergessen. Es ist die Definition klar, man ist behindert – aber das nutzt einem in der Praxis herzlich wenig, teilweise. Nur zu den Zahlen noch. Die wird der Tim für die Uni-Wien besser wissen. Ich weiß nur ganz generell. Die meisten Blinden scheitern an der relativen Unzugänglichkeit der Matura, wenn wir schon von Top-Down sprechen. Ich weiß nicht wie viele vollblinde Studierende es gibt, Sehbehinderte mehr schon wieder – vollblinde Studierende noch wesentlich weniger als im GESTU-Projekt oder Studierende, die Gebärdensprache nutzen. Da warne ich davor zu glauben, wir wären schon über dem Berg. Da gibt es die größten Schwierigkeiten, weil die Maturaintegration von blinden Menschen schlecht bis gar nicht funktioniert in irgendwelchen Regelschulen. Und die Blindenschule selbst noch keine Matura anbietet. Und da ist das Problem, dass man sich wirklich durchkämpfen muss. Das kann man zwar machen, aber man muss wissen: Was kann man? Worauf läuft es hinaus, was kann man selber. Das muss man möglichst genau beschreiben, dann gehen die Leute auch darauf ein. Das wäre auch mein Rat generell: Sich zurechtzulegen was man genau braucht und darauf wird am ehesten eingegangen. Nicht dass andere zu denken anfangen müssen, was sie jetzt eigentlich tun sollten.
Dirnbacher: Gibt es noch Ergänzungen?
Aus dem Publikum: Ich wollte noch was zum Zugang zur Universität sagen. Wie ich Behindertenbeauftragte gewesen bin, ist die Hälfte der Studierenden mit Behinderung über den zweiten Bildungsweg zur Universität gekommen. Ich weiß nicht, ob die Zahlen jetzt schon besser sind. Das ist schon eine hohe Zahl, die sich im Vorfeld durchkämpfen musste.
Dirnbacher: Sind die Zahlen jetzt schon besser, kann man das beantworten?
Fuhrmann-Ehn: Ob die Zahlen schon besser sind, kann ich nicht beantworten. Ich kann nur sagen von der TU- her, dass die meisten studierenden, die bei uns beginnen sind 18, kommen nach der Matura. Sie kommen nicht über den zweiten Bildungsweg – sie kommen über einen normalen Maturaabschluss. Das heißt jetzt aber nicht, dass alle Menschen mit Behinderung, die das wollen, eine Matura machen können.
Dürr: Wegen GESTU – ich muss ganz ehrlich sagen Danke – dadurch haben viele Gehörlose ihr Studium abschließen können. Unterstützungsangebote – Tutoren, die mitschreiben, Dolmetscher, die Organisation wird übernommen – das für die Studierenden eine Riesenerleichterung und hat dazu beigetragen, dass sie den Studienabschluss machen konnten. Bevor es diese Servicestelle gab mussten die Gehörlosen alle selber organisieren. Diese Form die GESTU bietet, die bräuchte es schon vorher im Gymnasium – die schulische Laufbahn– die erste Bildung, die man erhält grade da bräuchte man auch so eine Servicestelle in dieser Form. Das möchte ich noch sagen.
Dirnbacher: Eine Erstanlaufstelle wenn ich Sie richtig interpretiere.
Dürr: Ich meine für das Gymnasium oder die Volksschule – wie soll ich sagen – dass man 100 % Barrierefreiheit erfahren kann, bräuchte es genau dieses Angebot, das es für Studenten gibt – das GESTU alles übernimmt – diese Organisation, die alles entlastet. Also diese Servicestelle, die es leichter macht Barrieren zu durchbrechen. Das bräuchte es bereits ab der Volksschule, meine ich. Es ist bei GESTU super wie es läuft, ganz ideal würde ich sagen. Aber unten beim ersten Bildungsweg, da fehlt es. Das wollte ich sagen.
Dirnbacher: Abschließend gefragt: Im Publikum hat bei uns Herr Wolfgang Nowak Platz genommen. Herr Nowak, darf ich Sie ganz kurz bitten – Sie sind heute hier als Mitglied des Monitoring Ausschusses. Was gibt es von dieser Stelle her zum Thema Bildung, Schlagwort universitäre Bildung zu sagen?
Nowak: Ich bin hier seitens der Wiener Monitoringstelle. Das ist eine Bundeskompetenz. Da gibt es zwei Stellungnahmen, die bereits aus den Jahren 2010 und 2012 stammen: Inklusive Bildung, wo man kurz sagen kann: Die Republik hat 2008 die UN Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit bekannt zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft und das durchzusetzen, umzusetzen. Diese Verpflichtung betrifft natürlich auch die Universitäten in vollem Umfang. Es stimmt genauso was die Kollegin vorher gesagt hat – diese Segregation – die es immer noch gibt – diese Teilung Sonderschulen etc. ist alles nicht menschenrechtlich kompatibel. Es bedarf die Inklusion, das gemeinsame Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen. Das ist noch ein langer Weg, der zu machen ist und den man beobachtet.
Dirnbacher: Ein weiter Weg zu gehen, wenn man so will, trotz UN-Behindertenrechtskonvention. Wir machen an dieser Stelle eine kurze Pause, bevor wir dann die Schlussrunde einläuten. Wir hören: „Er macht Jura.“
SONG Er macht Jura
Dirnbacher: Er wird dann Advokat. Eine etwas humoristische Auseinandersetzung mit dem Thema Studieren. Ich habe es als Überleitung für die Schlussrunde vorbereitet. Denn am Schluss müssen wir schon noch klären: Wenn wir die Studieneingangsphase beleuchtet haben, was muss passieren damit Studierende mit Behinderung bis ganz zum Ende durchhalten können und dann ihren Titel am Schluss quasi mit nachhause nehmen. Wenn man in so einer Bildsprache bleiben will. Ich darf bei Ihnen anfangen und dann überleiten ins Publikum. Ruth Scheiber machen Sie den Anfang und geben sie dann weiter an ihre Kollegen.
Scheiber: Was muss passieren? Es ist toll, wenn Studierende dann irgendwann ihre Sponsion haben, oder Promotion – je nachdem. Dann eine Arbeit zu finden einen tollen Job zu finden, ist für alle schwierig. Ich würde mir wünschen, dass auch von den Jungakademikern/Jungakademikerinnen, die es dann gibt – viele auch auf der Uni bleiben. Mir fehlen die Vorbilder, nach wie vor. Wenn ich unsere Uni – die Universität für Bodenkultur blicke dann gibt es wenige mit Behinderung, zumindest mit offensichtlichen Behinderungen. Damit fehlt mir das Vorbild für die Studierende, die jetzt jung kommen und da sind. Vielleicht sollte man sich da mehr öffnen, dass man auch in den Ausschreibungen den Passus reinnimmt. Ich vergleiche das mit der Frauenquote. Dass da auch Menschen mit Behinderungen willkommen sind, sich zu bewerben. Es kommt natürlich immer auf die Qualifikationen an. Aber es wäre für mich ein schöner Schritt in die richtige Richtung.
Dirnbacher: Das heißt wir halten fest, Vorbilder braucht der Forschungsbetrieb. Tim Brunöhler haben Sie noch Ergänzungen?
Brunöhler: Ich finde die Frage sehr komplex, weil sie für jede Person etwas anderes bedeutet. Wenn ich vergleiche STEOP- Studieneingangsphase, und was danach im Bachelor kommt – zwischen nur zwei Personen aus meiner Beratung, die mir gerade so vor Augen sind. Die haben völlig unterschiedliche Bedürfnisse. Der eine ist Autist, kommt wunderbar durch die STEOP – weil die so wunderbar verschult ist – weil ein Stundenplan vorgegeben ist an dem er sich gut orientieren, festhalten kann – mit sehr regelmäßigen Dingen und Anforderungen. Danach fällt er in ein Loch, da ist niemand, keine Servicestelle mehr da, um für ihn eine Art von Organisation und Begleitung vorzunehmen. Und eventuell bricht er sogar ab. Dann habe ich andere Studierende, die sich durch die STEOP durchbeißen und wenn die endlich geschafft ist, froh sind, dass sie dann frei studieren können. Weil sie das was sie brauchen Flexibilität in ihrer Studienplanung, ihrem Alltag dann ein Stück weit möglicher wird. Vielleicht kann man es herunterbrechen: Darauf, dass es insgesamt mehr Flexibilität braucht auf der Universität. Ich würde mir persönlich wünschen, dass einige Studienrichtungen und auch einige Lehrpersonen aus dem 19. Jahrhundert mit ihrer Didaktik überspringend das 20 Jahrhundert hinweg ins 21. Jahrhundert springen und auf der Universität nicht nur Menschen angestellt werden in der Lehre und der Forschung, weil sie in ihrem Fach besonders gut sind, sondern so wie das auch für den Schulbereich passiert, auch eine kleinere didaktische Ausbildung haben, die dann auch immer inkludieren muss – Techniken, Lehrweisen und Organisationsformen der Inklusion. Da hoffe ich ein Stück weit, dass ich auf der Uni-Wien etwas angetreten habe und das in nächsten Jahren weiter geht.
Dirnbacher: Marlene Furhmann-Ehn?
Furhmann-Ehn: Was muss passieren, damit die Studierenden gut durchs Studium kommen? Das ist wirklich eine komplexe Frage. Die Drop-Out-Rate von behinderten Studierenden ist schon auch eine sehr hohe. Ich glaub, dass Flexibilität ein gutes Stichwort ist. Ich glaube, dass es die Flexibilität braucht vonseiten der Uni – das es da noch mehr Flexibilität braucht. Behinderung ist ein Thema, wo es viele Ähnlichkeiten gibt, aber es ist dennoch sehr individuell. Gerade in einem Bereich, wie Lernen kann das eine sehr individuelle Sache sein. Da sind die Uni, die Lehrenden gefordert sehr flexibel zu sein, aber auch die Studierenden selbst sich ein bisschen was zuzutrauen und durchzuhalten. Es ist schwierig durch ein Studium zu kommen, das ist es sowieso und wenn man eine Behinderung hat nochmal schwieriger. Das ist leider so. Weil mehr Aufwand da ist, den man schon hat und dann muss man das Studium auch noch machen. Durchzuhalten und nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird. Sondern die Leute bitten um Unterstützung, die Unterstützung einfordern und es zu probieren. Es zahlt sich aus. Es zahlt sich aus durchzuhalten.
Dirnbacher: Ein schönes Beinahe Schlusswort. Ich möchte aber nicht auf Xenia Dürr vergessen.
Dürr: Ich möchte nochmal zum Stichwort mit den Vorbildern zurückkommen: Da ist die Interessensvertretung für Gehörlose der VÖGS – Interessensvertretung für Gehörlose und Schwerhörige Studierende - da bin ich als Mitarbeiterin dabei – und wir als Interessensvertretung haben den Wunsch, dass es mehr gehörlose und schwerhörige Studierende gibt, um eben genau Vorbilder für zukünftige Studierende zu werden. Vorbilder sind wirklich wichtig, um die Sprache weiterzugeben, Erfahrungen auszutauschen in dem Bereich. Das wäre sehr, sehr wichtig. Wir vom VÖGS wünschen uns auch mehr Akademiker. Das wäre auch sehr, sehr wichtig für die Zukunft und hoffen, dass es in der Zukunft, dass wir es schaffen Barrierefreiheit umzusetzen und Barrieren zu öffnen. Das ist noch viel Aufklärungsarbeit, viel Sensibilisierung auch für Professoren aber auch für Studierende, für Kollegen. Es gibt das Angebot für Studierende der Austausch untereinander dann hoffen wir, dass die Toleranz größer wird und wir zeigen können: Wir sind da, und wir können es auch schaffen! Man kann mit Role-Models und Vorbildern zeigen, dass es möglich ist. Man soll den Stempel/den Behindertenstempel den sollte man niemand aufdrücken. Es wäre wichtig dieses Bild zu verändern. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel. Das ist mein Schlusswort.
Dirnbacher: Zeit für eine Paradigmenwechsel ist eigentlich ein sehr schönes Abschlusswort. Wir sagen Danke fürs Zuhören für das Mitdiskutieren an dieser Stelle. Am Mikrofon verabschieden sich für heute Christoph Dirnbacher und Katharina Müllebner. Nähere Informationen zu dieser und anderen Sendungen finden Sie unter www.freak-radio.at. Dann darf ich mich herzlich bedanken und mich bis zum nächsten Mal verabschieden.