Seitenanfang:

Link zum InhaltLink zum MenüLink zur Suche

Inhalt:

Rubrik: Lesen statt Hören
03. Februar 2002

"Tabuthema Sterben"

von Gerhard Wagner

Freak-Radio: Herr Oechsner, im Jahr 2001 ist eine kurze Debatte in Österreich aufgeflackert, zum Thema angebliche Sterbehilfe, im Grunde geht es darum, um die Möglichkeit des Arztes zu töten bzw. um die Einwilligung, dass er dies legitim darf.

In den Niederlanden ist am 1. Jänner dieses Jahres ein Gesetz in Kraft getreten, dass das überhaupt legitimiert. Sie kommen von der Behindertenbewegung. Was ist ihr Standpunkt zu diesen Fragen?

Andreas Oechsner: Also erstens: Diese Diskussion kommt immer wieder auf. Ich bin jetzt 20 Jahre in der Behindertenbewegung engagiert. Und ich kenne die Argumentation eben auch so lange. Es sind immer wieder die selben Argumente, die Sterbehilfe-Befürworter einbringen: Da gibt es diese Wahnvorstellung, dass man alles Leid der Welt eliminieren soll. Und man nimmt an, dass Behinderte grundsätzlich leiden, und deshalb soll man diesem Leid ein Ende setzen.
Meistens führen diese Sterbehilfedebatteleute, die zu den Tüchtigen zählen und die überhaupt nicht betroffen sind - weder behinderte Menschen haben diese Debatte angezettelt noch alte Leute, die in Pflegeheimen sind. Es geht also einerseits um die Wahnvorstellung, Leid radikal zu eliminieren, und dann geht es zum anderen darum, dass gerade diese Gesellschaft der Tüchtigen oder der selbstbestimmten Menschen, die meinen alles regeln zu können, also auch dieses Thema mit einer radikalen Lösung regeln zu können glauben. Das macht Angst.
Wollen sie sagen: Ohne wenn und Aber: Wir wollen klare Spielregeln. Wenn man die Diskussion hinterfragt: Sie sagen, bei Leuten, die "unvorstellbar leiden". Was ist unvorstellbares Leid? Das kann man ja nicht objektivieren. Das ist ja für jeden Menschen etwas Individuelles. Und wenn man die Frage dann vertieft, dann müssen diese Leute passen - aber der Drang nach einer Lösung für alles im Leben ist groß: Ich kann mein Bankkonto managen, ich kann meinen Erfolg managen - und jetzt soll ich meinen Tod eben auch noch managen können!

Das steckt dahinter. Und wir von der Behindertenbewegung verwahren uns natürlich gegen jeglichen Art der aktiven Sterbehilfe. Wir sagen: Lass uns lieber über das Sterben diskutieren, nämlich so, wie das Sterben real ist. Denn der Tod gehört zum Leben und da gibt es nicht einfache Lösungen, da gibt es sehr individuelle Geschichten, die sind für jeden sehr wichtig. Und lass uns das aus dieser Tabuzone herausholen!


Link speichern auf:addthis.comFacebookYiggItMister Wongstumbleupon.comdel.icio.usMa.gnoliaask.comdigg.comTechnoratiYahooMyWeblive.com
Seitenanfang