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Rubrik: Lesen statt Hören
03. Februar 2002

"Tabuthema Sterben"

von Gerhard Wagner

Das ist glaube ich, auch etwas Wichtiges, dass man den Leuten klar machen muss, dass selbst dann, wenn scheinbar nichts mehr gemacht werden kann, noch immer sehr viel getan werden kann: Dann, wenn der Chirurg sagt: Ich kann nichts mehr für Sie tun, dann meint er, er kann nicht mehr operieren. Der Patient glaubt aber, jetzt lassen mich alle im Stich! Oder: Alle haben mich aufgegeben! Dem ist aber nicht so. Man kann auch in der letzten Stunde, in der letzten Minute immer noch Dinge tun. Manchmal mit leeren Händen, wir sprechen dann von der Therapie mit leeren Händen. Wenn wir da sitzen, die Hand halten und die Angehörigen begleiten. Das ist in meinen Augen auch Therapie: Und ich bin Intensivmediziner und Anästhesist und als solcher ein Mann der Aktion. Aber ich habe gelernt, Therapie mit leeren Händen und mit Geduld zu betreiben.

Musik (ruhige Barockmusik von Rameau)

Freak-Radio: Sie hören Freak-Radio auf MW 1476 oder unter 1476.orf.at. Das Programm ist auch im Internet zu finden, wo die aktuellen Sendungen ca. ein Monat nach ihrer Ausstrahlung herunterladbar sind:

1476.orf.at/radiomacher/freak.html


In der heutigen Sendung diskutieren wir im RadioCafe über das "Tabuthema Sterben" und wir haben eine Meldung aus dem Publikum.

Hörerin: Mich hat der Kommentar vom Herr Oechsner über diesen Perfektionierungsdrang unserer heutigen Gesellschaft, dass die Leute immer stromlinienförmiger erfolgreich werden (sollen) und dadurch alles Leid aus dem Blick entfernt zu werden hat, das hat mich sehr berührt. Ich habe vor relativ kurzer Zeit ein Buch gelesen, das heißt Mut und Gnade und da beschreibt ein Mann den fünfjährigen Weg mit seiner Frau, die krebskrank war und letztlich daran gestorben ist, das Ganze ist vermischt mit Tagebuchaufzeichnungen von ihr.

Was an dem Buch so erschütternd ist, ist die Aufrichtigkeit mit der beide beschreiben, dass eine wirklich harmonische Partnerschaft und eine große Liebe durch diesen Prozess, durch das Leid, das durch solch eine Erkrankung auftritt, extrem belastet werden kann. Er beschreibt also, dass beide oft am Rand des "Verrücktwerdens" waren, vor allem auch, dass die Leiden der Helfer vernachlässigt werden.

Die Person, die manchmal fast mehr leidet, ist die begleitende, ist die helfende Person, besonders, wenn es ein einzelner ist.

Freak-Radio: Danke schön! Möchte einer der beiden Herren etwas dazu sagen?

Dr. Zdrahal: Ich glaube, dass die Angehörigen ganz wichtig sind, und wenn ich so überlege und reflektiere wie viel Zeit wir Hospizleute in Gespräche mit Patienten hineinstecken, wenn man das so salopp sagen darf, und wie viel Zeit wir in Gespräche mit den Anverwandten hineinstecken, dann würde ich glauben, dann würde ich sagen, dass die Gespräche mit den Anverwandten mehr Gespräche in Anspruch nehmen als die Gespräche mit den Patienten, weil die immens viel leisten müssen und weil die besonders gestützt werden müssen.


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